Finale

Ayalas Welt

Ich bin nicht wie andere jüdische Mütter, die jeden Pups ihres Nachwuchses gleich in alle Welt hinaustrompeten, als Beweis dafür, wie außergewöhnlich ihr Kind angeblich ist. Nein, so was habe ich nicht nötig. Aber Tatsache ist, dass mein zweijähriger Sohn neulich im Kinderwagen saß und völlig unvermittelt verkündete: »Haman – Nein!« Ich traute meinen Ohren kaum. Dreimal fragte ich nach, ob er wirklich den Bösewicht aus der Purim-Geschichte meinte und nicht etwa einen Mann oder einen Hammer. Doch mein Söhnchen wiederholte den Namen klar und prägnant. Am Abend telefonierten wir mit den Großeltern, und der Kleine wurde noch deutlicher: »Haman – Scheiße!«

purimparty Als ich der Kindergärtnerin in der jüdischen Kita berichtete, dass mein Sohn sich bereits eine Meinung über Haman gebildet hat, lachte sie und erzählte mir, dass die Kinder dort sich schon seit einiger Zeit mit der Purim-Geschichte beschäftigen, als Vorbereitung für die große Party am kommenden Freitag. Dass mein Sohn den ersten Antisemiten der Geschichte allerdings schon in seinem zarten Alter mit drastischen Ausdrücken belegt, kann ich nicht der Kita anlasten: Es ist allein meine Schuld. Ich hätte mir das Fluchen nach der Geburt abgewöhnen sollen. Leider hat mein Sohn inzwischen gemerkt, dass bestimmte Wörter Aufsehen erregen, und wiederholt sie mit deshalb größter Freude zehnmal oder mehr. Aber wenn es um Haman geht, habe ich damit kein Problem.

Wie gesagt, ich will nicht angeben. Nur der journalistischen Chronistenpflicht wegen erwähne ich deshalb, dass der Junge am nächsten Tag »Vashti« sagte und am übernächsten auch noch »Esther«! Ich selbst habe zum ersten Mal als Achtjährige die Purimgeschichte gehört. Meine Tante, die auch Esther heißt und die ich sehr bewunderte, hat mir die Megilla in Israel vorgelesen. Die Geschichte anschließend korrekt wiederzugeben, hätte ich damals wahrscheinlich nicht geschafft. Und mein Sohn zählt die Helden von Purim auf, als sei es das Normalste von der Welt! In seinem Alter! Mit – habe ich das schon erwähnt? – nur zwei Jahren!

Deshalb wird Purim dieses Jahr bei uns anders als sonst. Ich werde mir das Geme-cker darüber verkneifen, wie teuer die Haman-Ohren waren, die ich in einem koscheren Lebensmittelgeschäft in Charlottenburg gekauft habe – und auch den Ärger, durch solche Käufe immer die Eda charedit oder sonstige Ultras in Jerusalem zu unterstützen. Was zählt all das schon, angesichts der Leistung meines Sohnes. Mal sehen, wie weit er in viereinhalb Wochen ist, wenn Pessach anfängt. Vorsorglich habe ich für den Jungen schon mal eine Haggada gekauft.

Die Autorin ist Journalistin und lebt in Berlin.

Justiz

Gericht: Melanie Müller zeigte mehrmals den Hitlergruß

Melanie Müller steht erneut vor Gericht: Die Schlagersängerin wehrt sich gegen das Urteil wegen Zeigens des Hitlergrußes und Drogenbesitzes. Was im Berufungsverfahren zur Debatte steht

von André Jahnke  14.12.2025

Feiertage

Weihnachten mit von Juden geschriebenen Liedern

Auch Juden tragen zu christlichen Feiertagstraditionen bei: Sie schreiben und singen Weihnachtslieder

von Imanuel Marcus  14.12.2025

Nachruf

Trauer um Hollywood-Legende Arthur Cohn

Arthur Cohn war immer auf der Suche nach künstlerischer Perfektion. Der Schweizer Filmproduzent gehörte zu den erfolgreichsten der Welt, wie seine Oscar-Ausbeute zeigt

von Christiane Oelrich  12.12.2025

Computerspiel

Lenny Kravitz wird James-Bond-Bösewicht

Als fieser Schurke will der Musiker im kommenden Jahr dem Agenten 007 das Leben schwer machen – allerdings nicht auf der Kinoleinwand

 12.12.2025

Berlin

Jüdisches Museum bekommt zusätzliche Förderung

Das Jüdische Museum in Berlin gehört zu den Publikumsmagneten. Im kommenden Jahr feiert es sein 25. Jubiläum und bekommt dafür zusätzliche Mittel vom Bund

 12.12.2025

Aufgegabelt

Latkes aus Dillgürkchen

Rezepte und Leckeres

 12.12.2025

Kulturkolumne

Lieber Chanukka als Weihnachtsstress?

Warum Juden es auch nicht besser haben – was sich spätestens an Pessach zeigen wird

von Maria Ossowski  12.12.2025

Kommerz

Geld oder Schokolade?

Der Brauch, an den Feiertagen um Münzen zu spielen, hat wenig mit den Makkabäern oder dem traditionellen Chanukkagelt zu tun. Der Ursprung liegt woanders

von Ayala Goldmann  12.12.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Singend durch Paris oder Warum unser Chanukka-Song der beste ist

von Nicole Dreyfus  12.12.2025