Finale

Ayalas Welt

Fernsehen ist nie wirklich mein Ding gewesen. Als Kind war ich zwar jeden Tag um 18 Uhr zu Hause – rechtzeitig zur Sesamstraße. Ansonsten interessierte mich die Glotze wenig. Wenn wir Verwandte in Israel besuchten, wunderte die Mischpoche sich über das puritanisch-jüdische Kind aus Deutschland. Ich hatte nämlich die Angewohnheit, einfach den Ausknopf zu drü-cken und zu verlangen, man möge sich doch »richtig unterhalten«.

In Deutschland gab es zu der Zeit damals nur das Erste, das Zweite und das Dritte Programm. In Israel nur ein einziges. Bis heute boykottiert meine Mutter das Privatfernsehen, weil sie die Werbepausen nicht erträgt. Irgendwie muss ich diese Haltung übernommen haben. Meinen ersten eigenen Fernseher habe ich im Alter von 28 gekauft. Damals war ich Volontärin einer Nachrichtenagentur und meinte, es gehöre zu meinem Job, nun auch so ein Ding zu besitzen. Viel geguckt habe ich seitdem nicht – meistens Tagesschau, Tagesthemen und Tatort.

tv-auftritt Trotzdem reizt es mich immer wieder mal, fürs Fernsehen zu arbeiten. Ich weiß nicht warum, aber es hält sich hartnäckig die Mär, mit TV könne man Geld verdienen. Außerdem gibt es genügend Leute, die glauben, Journalismus ohne bewegte Bilder sei Bullshit. Mein 96-jähriger Onkel aus Israel zum Beispiel: Xmal habe ich ihn fürs Radio interviewt – aber ohne Kamera bin ich in seinen Augen keine richtige Medienfrau.

Leider habe ich fürs Fernsehen schlechte Voraussetzungen. Ich bin kurzsichtig. Mein Talent, mich zu verlaufen, Gesichter nicht wiederzuerkennen und Kabel zu verlieren, ist groß. Eine geborene TV-Journalistin tritt anders auf – vor allem perfekt geschminkt.

Aber »Macht eure Träume wahr« lautete das Motto der 10. Jewrovison – und ich war bis zwei Uhr morgens in der Arena Treptow als Fernsehreporterin dabei. Ob auch mein Traum jetzt wahr geworden ist? Ich weiß nicht … Natürlich gönne ich den jungen Berlinern den Sieg von Herzen – die Gruppe »Olam« war, ohne Zweifel, um Klassen besser als die Vertreter anderer Jugendzentren. Doch den ganzen Abend bei dröhnender Musik zu drehen ist harte Arbeit, nicht nur für die Kameraleute. Die Akustik war schrecklich, auf die Videos hätte ich verzichtet. Die Sieger wurden erst ab ein Uhr morgens bekannt gegeben.

Ich wäre sehr gerne vor drei im Bett gewesen. Aber als ich die Drehkassetten mit den Bildern der Tänzerinnen und Sänger ansah, die für »Olam« auftraten, war ich begeistert – wie bei den Proben, bei denen wir drehen durften. Ach, dieses Leuchten, diese Fröhlichkeit, so viel Engagement und Disziplin ... und diese schönen, jungen Gesichter. Ich ändere meine Meinung: Fernsehen ist gar nicht so schlecht! Und wenn mir jetzt, alevai, ein hübscher Text zu den Bildern einfällt, dann ist vielleicht doch ein kleiner Traum von mir in Erfüllung gegangen.

Kalender

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 11. Dezember bis zum 17. Dezember

 10.12.2025

Antisemitismus

Konzert-Comeback: Wie umgehen mit Xavier Naidoo?

Xavier Naidoo kehrt auf die großen Bühnen zurück. Ausverkaufte Hallen treffen auf Antisemitismus-Vorwürfe, anhängige Verfahren und eine umstrittene Entschuldigung - und auf die Frage, wie man heute dazu steht

von Stefanie Järkel, Jonas-Erik Schmidt  10.12.2025

Neuerscheinung

Albert Speer als Meister der Inszenierung

Wer war Albert Speer wirklich? Der französische Autor Jean-Noël Orengo entlarvt den gefeierten Architekten als Meister der Täuschung – und blickt hinter das Image vom »guten Nazi«

von Sibylle Peine  10.12.2025

Interview

»Mascha Kaléko hätte für Deutschland eine Brücke sein können«

In seinem neuen Buch widmet sich der Literaturkritiker Volker Weidermann Mascha Kalékos erster Deutschlandreise nach dem Krieg. Ein Gespräch über verlorene Heimat und die blinden Flecken der deutschen Nachkriegsliteratur

von Nicole Dreyfus  09.12.2025

Zahl der Woche

2 Jahre

Fun Facts und Wissenswertes

 09.12.2025

Sehen!

»Golden Girls«

Die visionäre Serie rückte schon in den jugendwahnhaftigen 80er-Jahren ältere, selbstbestimmt männerlos lebende Frauen in den Fokus

von Katharina Cichosch  09.12.2025

Film

Woody Allen glaubt nicht an sein Kino-Comeback

Woody Allen hält ein Leinwand-Comeback mit 90 für unwahrscheinlich. Nur ein wirklich passendes und interessantes Rollenangebot könnte ihn zurück vor die Kamera locken.

 09.12.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Von Kaffee-Helden, Underdogs und Magenproblemen

von Margalit Edelstein  08.12.2025

Eurovision Song Contest

»Ihr wollt nicht mehr, dass wir mit Euch singen?«

Dana International, die Siegerin von 1998, über den angekündigten Boykott mehrerer Länder wegen der Teilnahme Israels

 08.12.2025