Finale

Ayalas Welt

Integration in die Mehrheitsgesellschaft» wird heute schon von Kindern verlangt – aber das ist manchmal leichter gesagt als getan. Ich zum Beispiel hatte da meine Probleme: Als Kind besuchte ich eine schwäbische Grundschule. Dass ich weder evangelisch noch katholisch war, wollte meinen Mitschülern nicht einleuchten. Mein Spitzname war «Spaghettifresser», denn Juden fielen in den 70er-Jahren offenbar unter die Kategorie «Gastarbeiter». Während des Religionsunterrichts saß ich vor der Tür und las Bücher (Ethikunterricht gab es damals noch nicht), und meine Bemühungen, Schwäbisch zu sprechen, waren nicht von Erfolg gekrönt. Im Alter von 19 Jahren bin ich aus Baden-Württemberg ausgewandert – die Geschichte einer gescheiterten Integration.

Hartz IV Mein Sohn soll es einmal besser haben. Deswegen kann ich ihn auf keinen Fall in die Grundschule um die Ecke schicken, denn wir leben auf der «falschen» Seite eines S-Bahnhofs in Berlin-Schöneberg, wo die Mehrheit der Schüler nicht aus deutschsprachigen Familien kommt. Leider ist die Aufforderung «Spiel nicht mit den Schmuddelkindern» bei Akademikern zu einer salonfähigen Parole geworden, und für die Kinder, die Tag und Nacht ohne Aufsicht auf der Straße spielen, tut es mir Leid. Aber wenn ich die dazugehörigen, Hartz IV-beziehenden Großfamilien aus Palästina oder dem Libanon sehe, dann ist mir klar: Mein Sohn müsste Arabisch sprechen, um sich zu integrieren.

Frühenglisch Jeder aus meinem Bekanntenkreis kennt Eltern, die wegen des Schuleinzugsgebietes schon den Stadtteil gewechselt haben. Eine Mutter erzählte mir, eine Direktorin habe sie ausdrücklich gewarnt: «Was soll denn ein kleines blondes Mädchen bei uns?» Und dann gibt es noch Berichte über Schüler, die zum Aufsatzthema «Was mache ich in den Großen Ferien» schreiben: «Ich fahre in die Heimat und töte Juden.» Also wird es wohl auf die Jüdische Grundschule hinauslaufen – obwohl ich auch da meine Bedenken habe. Denn natürlich fände ich es praktischer, wenn der Kleine Freunde in der Nachbarschaft hätte. Außerdem sind jüdische Eltern in der Diaspora geradezu bildungsbesessen – ich will meinen Sohn aber nicht mit Frühenglisch und Schach quälen.

Was mich nervt: In jüdischen Einrichtungen wird oft so getan, als ob das Leben in Israel das Gelbe vom Ei sei. Warum eigentlich? In der jüngsten PISA-Studie landeten israelische Schüler auf Platz 40 von 57 – in Lesen und Mathe. Erst kürzlich beschwerte sich der ehemalige Erziehungsminister Jitzchak Levy in der Tageszeitung «Haaretz» darüber, dass Israels Oberster Gerichtshof Mathe und Englisch auch für Kinder von Haredim zur Pflicht machen will – womöglich auf Kosten von Talmud und Tora. Dies sei ein «zwanghaftes Überstülpen westlicher Kultur», empörte sich der religiöse Politiker. Kein Wunder, dass die Integration ultra-orthodoxer Schulabgänger in den israelischen Arbeitsmarkt noch keine echte Erfolgsgeschichte geworden ist.

Die Autorin ist Journalistin und lebt in Berlin.

Bonn

Bonner Museum gibt Gemälde an Erben jüdischer Besitzer zurück

Das Bild »Bäuerliches Frühstück« aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts wird restituiert

 19.11.2025

Perspektive

Humor hilft

Über alles lachen – obwohl die Realität kein Witz ist? Unsere Autorin, die israelische Psychoanalytikerin Efrat Havron, meint: In einem Land wie Israel ist Ironie sogar überlebenswichtig

von Efrat Havron  19.11.2025

New York

Rekordpreis für »Bildnis Elisabeth Lederer« bei Auktion

Bei den New Yorker Herbstauktion ist wieder ein Rekord gepurzelt: Ein Klimt-Gemälde wird zum zweitteuersten je versteigerten Kunstwerk – und auch ein goldenes Klo wird für einen hohen Preis verkauft

von Christina Horsten  19.11.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Süchtig nach Ruhamas Essen oder Zaubern müsste man können

von Nicole Dreyfus  19.11.2025

TV-Tipp

Ein Skandal ist ein Skandal

Arte widmet den 56 Jahre alten Schock-Roman von Philip Roth eine neue Doku

von Friederike Ostermeyer  18.11.2025

Jubiläum

Eine faszinierende Erzählerin

Anna Seghersʼ Romane machten sie weltberühmt. In ihrer westdeutschen Heimat galt die Schriftstellerin aus Mainz jedoch lange Zeit fast als Unperson, denn nach 1945 hatte sie sich bewusst für den Osten entschieden

von Karsten Packeiser  18.11.2025

TV-Tipp

Sie ging über Leichen: Doku »Riefenstahl« zeigt eine überzeugte Nationalsozialistin

Das Erste zeigt Andres Veiels vielschichtigen Dokumentarfilm über Leben und Wirken von Hitlers Lieblingsregisseurin Leni Riefenstahl. Der Film geht auch der Frage nach, wie ihre Filme bis in die Gegenwart ausstrahlen

von Jens Hinrichsen  18.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  18.11.2025

Literatur

John Irvings »Königin Esther«: Mythos oder Mensch?

Eigentlich wollte er keine langen Romane mehr schreiben. Jetzt kehrt er zurück mit einem Werk über jüdische Identität und Antisemitismus

von Taylan Gökalp  18.11.2025