Kino

Als Marx noch nicht Marx war

Eine Gruppe von Menschen, Männer und Frauen, Junge und Alte, streift durch einen Wald und sammelt abgefallene Äste ein. Kohle können sie sich nicht leisten, sie brauchen Brennholz zum Überleben. Einige von ihnen haben schon ganze Bündel zusammen, andere nur einzelne Äste.

Als ein Kind einen Ast von einem der Bäume abbrechen will, schreitet einer der älteren Männer ein. Wenig später sind herangaloppierende Pferde zu hören. Reiter mit Knüppeln sprengen die Sammler auseinander. Sie versuchen, den Schlägern zu entkommen, haben aber keine Chance. Die Vertreter der Macht prügeln sie brutal nieder.

Begleitet werden diese Bilder von August Diehls Stimme. Sie verliest einen Zeitungsartikel, den Karl Marx 1843 veröffentlicht hat. Darin geht es um den Widerspruch zwischen der Rechtswahrnehmung des Volkes und dem geschriebenen Gesetz. Die Sammler sind überzeugt, im Recht zu sein. Schließlich heben sie nur auf, was die Bäume abgestoßen haben. Trotzdem erklärt sie das Gesetz zu Dieben, und seine Vertreter gehen mit aller Härte gegen sie vor. Auf diesen Widerspruch setzt Marx seine Hoffnung. Er ist sich sicher, dass ein hungerndes, in seinem Rechtsempfinden betrogenes Volk aufstehen wird.

biopic So beginnt Raoul Pecks Biopic Der junge Karl Marx. Und was für ein Auftakt das ist! Die Bilder, die zunächst noch etwas Friedliches ausstrahlen und dann in den schieren Terror kippen, und die Worte, die das Geschehen nicht nur illustrieren, sondern ihm einen tieferen Hintergrund geben, ergänzen sich perfekt. Emotion und Intellekt werden in gleichem Maße angesprochen. Aus dem Zusammenspiel der Szene im Wald mit dem Voice-over erwächst eine Kraft, die einen mitreißt. So überwältigt einen diese Eingangssequenz mit dem Versprechen auf ein zeitgemäßes politisches Kino, das Denken und Handeln inspiriert.

Nur löst Raoul Peck ausgerechnet dieses Versprechen nicht immer ein. Auf den so entflammenden Einstieg folgt ein Film, der eher wenig aus dem erprobten Fahrwasser historischer Kinobiografien ausbricht. Wie der Titel verspricht, konzentrieren sich Peck und sein Co-Drehbuchautor Pascal Bonitzer auf diese Phase in Marx’ Leben, in der er noch nicht zu einer Ikone erstarrt war: nämlich auf Marx’ Zeit im Pariser und später im Brüsseler Exil, die schließlich im Februar 1848 in der Veröffentlichung des gemeinsam mit Friedrich Engels verfassten Manifests der Kommunistischen Partei gipfelte.

Doch trotz der revolutionären Ideen, die Marx und Engels vertreten, kündet Pecks Werk ästhetisch von einem Beharren auf dem Althergebrachten. Die Kunst soll nicht ablenken von der Botschaft. Nur verliert eine Botschaft, die einen Film nicht bis in sein Innerstes durchdringt, schnell ihre Kraft. Gelungen hingegen ist, wenn Marx, seine Frau und Engels untereinander sind, dann wirken alle drei wie Menschen unserer Zeit.

So wie sie von August Diehl, Vicky Krieps und Stefan Konarske gespielt werden, könnte man sie sich durchaus auch als linke Vordenker in einer beliebigen europäischen Großstadt vorstellen. Das hätte neben der grandiosen Eingangssequenz der zweite Coup des Films sein können. Für einige Momente werden Marx und Engels so noch einmal als leidenschaftliche Denker und Sucher lebendig.

Sehen Sie hier den Trailer zum Film:
www.youtube.com/watch?v=JL0UtVcEUa4

Kassel

Documenta-Kuratorin Naomi Beckwith: Werde keine Gewalt dulden

Die »documenta fifteen« war von Antisemitismus-Skandalen überschattet worden. Nun soll in etwas mehr als zwei Jahren die nächste Ausgabe stattfinden. Was sagt die neue Kuratorin?

 19.03.2025

Los Angeles

Gal Gadot hat »Walk of Fame«-Stern

Die israelische Schauspielerin bringt ihren Mann und die gemeinsamen vier Töchter zu einer besonderen Ehrung nach Hollywood

von Barbara Munker  19.03.2025

Hamburg

Hunderte nehmen Abschied von Peggy Parnass

Bei der Trauerfeier hebt Bürgermeister Peter Tschentscher ihr Engagement gegen Rechtsextremismus hervor

 19.03.2025

Oberschleißheim/München

NS-Raubgut? »Wissenschafts-Krimi« um altes Militärflugzeug

Deutsche und niederländische Forscher untersuchen ein verdächtiges Militärflugzeug aus der Flugwerft Schleißheim. Ist es Nazi-Raubgut? Oder ein Geschenk für einen Kriegsverbrecher?

von Britta Schultejans  18.03.2025

Leserbriefe

»Es gibt uns, nichtjüdische Deutsche, die trauern und mitfühlen«

Nach der Sonderausgabe zum Schicksal der Familie Bibas haben uns zahlreiche Zuschriften von Lesern erreicht. Eine Auswahl

 17.03.2025

Berlin

Weil Gal Gadot Israelin ist: Der Nahostkonflikt erreicht Schneewittchen

»Schneewittchen« ist noch nicht einmal gestartet, da überschatten bereits Kontroversen die Neuverfilmung des Disney-Klassikers. Im Mittelpunkt stehen vor allem die Hauptdarstellerinnen

von Sabrina Szameitat  17.03.2025

Berlin

Deutscher Filmpreis: Zehn Nominierungen für »September 5«

Der Thriller über das Massaker von München im Jahr 1972 geht als Favorit ins Rennen um den Deutschen Filmpreis. Konkurrenz bekommt er unter anderem von einem Film, der für die Oscars nominiert war

 17.03.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 13. März bis zum 26. März

 17.03.2025

Rezension

Alles, nur nicht konventionell

Elisabeth Wagner rückt vier Frauen aus der Familie des Verlegers Rudolf Mosse ins Licht der Aufmerksamkeit

von Gerhard Haase-Hindenberg  16.03.2025