Sprachgeschichte(n)

»A real Mentsh!«

Ein Luftmensch Foto: Thinkstock

Jiddismen im Umgangsenglisch fasst Leo Rosten unter dem Begriff »Yinglish« zusammen. Zu den Wörtern deutschen Ursprungs, die, zum Teil semantisch modifiziert, über das Jiddische ins Englische eindrangen, zählt neben »dreck«, »glitzy« (glitzernd), »kibitz«, »to shlep«, »schmaltzy«, »shvitz« und »zaftig« (üppig, drall) in vier orthografischen Varianten auch das Äquivalent für »Mensch«. Das World Book Dictionary (1992) behält die deutsche Ursprungsform bei; Sol Steinmetz schreibt in seinem Buch Yiddish and English (1986) »mentsh«; der Internet-Thesaurus The Free Dictionary optiert für »mensh«, und das Online-Lexikon Wiktionary dokumentiert sogar »mentsch«.

edel Die Bedeutung präzisierte Rosten 2002 in seiner Jiddisch-Enzyklopädie: »Es ist gar nicht leicht, den Respekt, die Würde und die Zustimmung zu vermitteln, die in dem Begriff mitschwingt, wenn jemand ›a real mentsh‹ genannt wird: ein Vorbild, ein edler Mensch.« Von den vielen jiddischen Lebensregeln zum Menschen thematisierte Max Weinreichs History of the Yiddish Language (1980) den Spruch »A mentsh heyst mentsh vayl er menthshet zikh«, bei dem das Wortspiel erst durch die Integration der slawischen Komponente »mentshen« (= kämpfen) entsteht.

Der Kolumnist Richard Cohen ernannte 1986 in der Washington Post »Mensch« zum größten Geschenk des Jiddischen an die englische Sprache. US-Zeitungen basteln daraus immer wieder eigene Wortschöpfungen wie »menschy«, »menschyness« und »mentshkeit«. Ein Kompositum wurde sogar in das linguistische Kuriositätenkabinett des Briten Adam Jacot de Boinod aufgenommen, das 2006 unter dem Titel Was heißt hier Tingo und andere verrückte Wörter aus aller Welt erschienen ist. Der »luftmensh« wird darin definiert als »ein weltfremder Träumer, der weder eine feste Arbeit noch ein festes Einkommen hat«.

»luftmensh« So benutzt man das Wort tatsächlich im heutigen Yinglish. Aber es ist keineswegs verrückt. »Luftmensch hat eine jiddische Herkunft, eine deutschsprachige Geschichte und eine englische Gegenwart«, schreibt Nicolas Berg in seiner Abhandlung Luftmenschen: Zur Geschichte einer Metapher, die mit einem Vorwort von Dan Diner 2008 erschien. Berg zeigt, dass der Begriff vielfach neu kontextualisiert oder verzerrt wurde.

In ihrer Rezension dazu stellt Rebekka Denz 2009 in der Kulturzeitschrift »David« fest: »Die Metapher des Luftmenschen balanciert mit und zwischen Selbst- und Fremdzuschreibungen. Das Begriffsfundament liegt in der jiddischen Literatur Osteuropas der 1860er- und 1870er-Jahre – als ironische Selbstcharakterisierung des ›von Luft‹ lebenden Menschen ohne feste Arbeit. In den zwei folgenden Dekaden wurde der Luftmensch vor allem in Periodika aufgegriffen und erfuhr im Zuge dessen neue, insbesondere politisch geprägte Bedeutungen.«

Dass es nicht leicht ist, sich einen Reim auf das Wort »Mensch« zu machen, wusste auch der Satiriker Alexander Moszkowski, als er 1920 in seiner Zeitschrift »Lustige Blätter«, die während der Weimarer Republik hohe Auflagen erreichte, das Gedicht »Mensch, reime Dich!« veröffentlichte: »Er hat der Laster mancherlei/Entwickelt zu allen Zeiten;/Doch, dass er nicht mal reimbar sei,/Der sogenannte Mensch,/Das muss man doch ganz entsch…/Ja, ganz entschieden bestreiten!/Zwar mancher legt drauf keinen Wert,/Wenn er die Reimbarkeit erfährt,/Die man ihm früher unterschlagen;/Und zeigt sie ihm der Mensch,/So wird er bloß: nu wenn’sch …/Nu, wenn schon! wird er sagen.«

Berlin

Mut im Angesicht des Grauens: »Gerechte unter den Völkern« im Porträt

Das Buch sei »eine Lektion, die uns lehrt, dass es selbst in den dunkelsten Zeiten Menschen gab, die das Gute dem Bösen vorzogen«, heißt es im Vorwort

 17.09.2025

Israel

»The Sea« erhält wichtigsten israelischen Filmpreis

In Reaktion auf die Prämierung des Spielfilms über einen palästinensischen Jungen strich das Kulturministerium das Budget für künftige »Ophir«-Verleihungen

von Ayala Goldmann  17.09.2025

Berlin

»Stärker als die Angst ist das menschliche Herz«

Die Claims Conference präsentiert in einem Bildband 36 Männer und Frauen, die während der Schoa ihr Leben riskierten, um Juden zu retten

von Detlef David Kauschke  17.09.2025

Auszeichnung

Theodor-Wolff-Preis an Journalisten vergeben

Der Theodor-Wolff-Preis erinnert an den langjährigen Chefredakteur des »Berliner Tageblatts«, Theodor Wolff (1868-1943)

 17.09.2025

Los Angeles

Barbra Streisand über Dreh mit Robert Redford: »Pure Freude«

Mit dem Klassiker »The Way We Were« (»So wie wir waren«) brachen die beiden Stars in den 70er-Jahren Millionen Herzen. Nach dem Tod von Redford blickt Hollywood-Ikone Streisand zurück auf den Dreh

von Lukas Dubro  17.09.2025

Kritik

Toni Krahl hat »kein Verständnis« für israelfeindliche Demonstrationen

Was in der Region um Israel passiere, sei ein Drama, das sich über Jahrzehnte entwickelt habe, sagte Krahl

 17.09.2025

Berlin

Für Toleranz, Demokratie: Margot Friedländer Preis vergeben

Es ist die erste Preisverleihung nach dem Tod der Stifterin. Ausgezeichnet wird der Einsatz für die Ideale der im Frühjahr gestorbenen Holocaust-Überlebenden

 17.09.2025

Hochstapler

»Tinder Swindler« in Georgien verhaftet

Der aus der Netflix-Doku bekannte Shimon Hayut wurde auf Antrag von Interpol am Flughafen festgenommen

 16.09.2025

Eurovision Song Contest

Streit um Israel: ESC könnte wichtigen Geldgeber verlieren

RTVE ist einer der fünf größten Geldgeber des Eurovision Song Contest. Umso schwerer wiegt der Beschluss, den der spanische Sender verkündet

 16.09.2025