Polen

Zoff in Warschau

Piotr Kadlcik (l.) und Oberrabbiner Schudrich Foto: dpa

Als hätten Polens Juden mit dem aktuellen Schächtverbot nicht schon genug Ärger am Hals, müssen sie sich jetzt auch noch mit Korruptionsvorwürfen herumschlagen. »Uns hat verblüfft, dass diese Angriffe gegen uns von Forbes publiziert werden. Bislang war das für uns eine renommierte Wirtschaftszeitschrift«, sagt Piotr Kadlcik, der Vorsitzende des Jüdischen Gemeindebundes in Polen. »Besonders traurig ist«, klagt Polens Oberrabbiner Michael Schudrich, »dass sich die Zeitschrift hinter einem Juden versteckt, um die gesamte Einheitsgemeinde Polens zu verunglimpfen.«

Gemeint ist Seweryn Aszkenazy (77), Vorstandsvorsitzender der Stiftung Beit Warszawa, der nicht nur selbst einen großen Artikel beigesteuert hat, sondern auch auf dem Forbes-Titelbild der Septemberausgabe zu sehen ist – zusammen mit der Schlagzeile »Ein polnischer Jude klagt an«. Aszkenazy, dessen Familie die Schoa in Polen überlebt hat und über Frankreich in die USA emigriert war, kehrte vor rund 20 Jahren nach Polen zurück. In Beverly Hills soll er es mit Hotels und Immobilieninvestitionen zum Multimillionär gebracht haben.

Zurück in Polens Hauptstadt wollte er den liberalen Juden auf die Beine helfen und gründete den Verein Beit Warszawa, der zunächst auch etliche Juden aus der Nozyk-Synagoge anzog, denen es dort im Gottesdienst zu orthodox zuging. Der egalitäre Minjan, bei dem Frauen und Männer gleichberechtigt zur Tora aufgerufen werden, war bald in aller Munde. Streit zwischen der Gemeinde und den Abtrünnigen blieb nicht aus. Im Zentrum stand immer wieder die Frage »Wer ist Jude?«.

Beit Warszawa Auch in den drei Forbes-Artikeln von Aszkenazy, zwei Forbes-Polska-Redakteuren und Nissan Tsur – er gehört ebenfalls zu Beit Warszawa – spielen Konversionen, Namensänderungen und die jüdische Herkunft der Eltern eine zentrale Rolle. Die Artikel suggerieren, dass ein Teil der Führungsmitglieder der Einheitsgemeinde in Wirklichkeit clevere Polen und Geschäftemacher seien, die rechtzeitig erkannt hätten, wie lohnend es sein könnte, in Polen auf die »jüdische Karte« zu setzen. Bei der Restituierung des einst verstaatlichten jüdischen Gemeindeeigentums würde mit Sicherheit das eine oder andere Sümmchen in der eigenen Tasche landen.

Harte Belege für die massiven Korruptionsvorwürfe gegen Polens Oberrabbiner Michael Schudrich, den Vorsitzenden des Jüdischen Gemeindebundes, Piotr Kadlcik, die Direktorin der Stiftung »Schutz des Jüdischen Erbes« (FODZ), Monika Krawczyk, etliche Vorstandsmitglieder des Jüdischen Gemeindebundes sowie die Gemeindevorsitzenden von Krakau und Posen gibt es allerdings nicht. Auch werden keine genauen Summen genannt. Es solle sich um etliche Millionen Zloty handeln.

Restitution Das knapp 60-seitige Protokoll einer dreitägigen Sitzung, das auf der Forbes-Polska-Website herunterzuladen ist, soll ein Beweis für die angebliche Vorteilnahme sein. Doch nachlesen kann man nur, wie die FODZ-Stiftung entstand, die jüdischen Organisationen im Ausland die Kosten für die Restitutionsanträge vorfinanzierte, und wie diese Organisationen, die den Großteil der weltweit lebenden Juden aus Polen repräsentieren, an der Restitution zu beteiligen sind.

»Wir erklären hiermit, dass die in der Zeitschrift Forbes (9/2013) gegen uns erhobenen Vorwürfe unwahr und eindeutig verleumderisch sind«, hieß es kurz vor Rosch Haschana auf der Webseite des Jüdischen Gemeindebundes. Die Betroffenen wollen nun Verlag wie Autoren wegen übler Nachrede verklagen.

Kontroverse

Adidas-Chef entschuldigt sich für sein Lob eines Antisemiten

Björn Gulden hatte Kanye West (Ye) trotz dessen judenfeindlicher Ausfälle in Schutz genommen

 22.09.2023

USA

Taschlich retour

In Kalifornien sammeln jüdische Umweltaktivisten am Strand Müll – aus religiöser Überzeugung

von Jessica Donath  22.09.2023

Debatte

Auschwitz-Komitee kritisiert Adidas-Chef: »Unerträglich und zynisch«

Konzern-Chef Björn Gulden hatte Kanye West zuvor in einem Podcast verteidigt

 21.09.2023

Fußball

Tottenham-Boss: Haben Rückkaufrecht für Harry Kane

Der Wechsel des Torjägers zum FC Bayern ist für den Club eine offene Wunde

 21.09.2023

Großbritannien

Sie nannte sich Steve

Zum 90. Geburtstag von Dame Stephanie Shirley

von Christoph Meyer  21.09.2023

München

Flucht vor dem Brexit

Die Europäische Rabbinerkonferenz verlässt London und eröffnet ihren neuen Sitz in der bayerischen Landeshauptstadt

von Gabriele Riffert  21.09.2023

Entscheidung

UNESCO erklärt einstige sefardische Kolonie in Suriname zum Weltkulturerbe

Die »Jodensavanne« war Wohnort von sefardischen Juden in Suriname

 20.09.2023

Russland

Gershkovich bleibt weiter in U-Haft

Das Moskauer Stadtgericht kam einer Beschwerde der Verteidigung nicht nach

 20.09.2023

Rumänien

»Es gibt wieder Bedarf«

In der Stadt Oradea entsteht eine neue orthodoxe Jeschiwa, die Vorbeter ausbilden soll

von György Polgár  20.09.2023