Rezension

Zionist mit Heimweh

Der österreichische Journalist Karl Pfeifer hat seine eben erschienenen Kindheits- und Jugenderinnerungen Einmal Palästina und zurück genannt. Er berichtet hier nicht nur über sein persönliches Schicksal, sondern bettet es detailreich in das politische Geschehen ein. 1928 in Baden bei Wien geboren, war Pfeifer als Volksschulkind bereits mit dem immer stärker werdenden Antisemitismus konfrontiert. Die Eltern glaubten, sich nach Ungarn retten zu können – am Ende eine Falle. Große Teile der Familie überlebten den NS-Terror nicht.

Sein älterer Bruder ging schon früh nach Palästina, 1943 folgte ihm Pfeifer, damals im Teenageralter, auf einer abenteuerlichen Reise nach. Er fühle heute eine »tiefe Verbundenheit« mit Israel, betont er, obwohl er nie Staatsbürger gewesen sei. »Auch deshalb war es mir wichtig, meine Geschichte, die eng mit der Staatswerdung Israels verknüpft ist, zu beschreiben.«

Hashomer Hatzair Pfeifers Erinnerungen an seine Kindheit in Europa lesen sich wie viele jüdische Biografien aus der Zeit. Herausgerissen aus der ersten Heimat Österreich, fand er in Ungarn kein Zuhause. Energie gab ihm die Gemeinschaft im Haschomer Hatzair. »Hier fühlte ich mich wohl.« Als die Mutter 1940 an Leberkrebs starb, wurde die Jugendbewegung immer mehr zu einer Ersatzfamilie.

Dort wurde sein Wunsch immer lauter: Ungarn verlassen, nach Palästina gehen. »Die sozialistische Idee von Kibbuzim faszinierte uns. Für mich wurde die Bewegung lebenswichtig.« Die 1941 in Ungarn eingeführten antijüdischen Gesetze wurden von vielen Juden zunächst nicht als Bedrohung empfunden, schildert Pfeifer. Man glaubte, diese seien nur eingeführt worden, »um Schlimmeres zu verhüten«. Im Schomer sah man das anders. 1942 wurde Pfeifer von seinem Jugendleiter gefragt, ob er nach Palästina reisen wolle. Er sagte trotz des Widerstands seiner Familie zu. 1943 startete er mit anderen jüdischen Jugendlichen ins Exil. Seinen Vater sollte er nie wiedersehen.

Bei der Schilderung seiner Jugendjahre in Israel offenbart sich der Zwiespalt in Pfeifer. Auf der einen Seite das Bemühen, sich im Kibbuz heimisch zu fühlen, die sozialistisch-zionistischen Ideale zu vertreten und auch zu leben. Wäre da nicht die Arbeit in der Landwirtschaft, die ihm schwer zu schaffen machte. »Aufgrund der humorvollen Erzählungen, die wir in Ungarn über den Kibbuz vorgelesen bekommen hatten, hatte ich mir das ganz anders vorgestellt.«

Chamsin Inzwischen erreichten die ersten ehemaligen KZ-Häftlinge das Land. »Gebannt und entsetzt lauschten wir ihren Erzählungen.« Der Krieg war zu Ende, man wollte Sicherheit haben, sesshaft werden. Pfeifer trat dem Palmach bei, einer durch die Hagana gegründeten Einsatzgruppe. Detailliert schildert der Journalist die Patrouillenfahrten, die ständigen Zwischenfälle, schreibt von den toten Mitstreitern und wie er einmal selbst dem Tod entkam, da er wegen des Chamsin an derartigen Kopfschmerzen gelitten hatte, dass ein anderer an diesem fatalen Tag für ihn Dienst tat.

Ein anderes Mal wurde er angeschossen, am Bein verletzt. Schließlich die Entscheidung, nicht mehr im Kibbuz leben zu wollen. Als ihn ein Mitstreiter, der inzwischen in Frankreich lebte, einlud, folgte er dem dem Angebot. Die Möglichkeit, dort in der Legion zu dienen, schlug er aus. 1951 betrat er nach 13 Jahren erstmals wieder österreichischen Boden. Hier schließen die Erinnerungen.

Karl Pfeifer: »Einmal Palästina und zurück. Ein jüdischer Lebensweg«. Edition Steinbauer, Wien 2013, 176 S, 22,50 €

TV-Tipp

TV-Premiere: So entstand Claude Lanzmanns epochaler Film »Shoah«

Eine sehenswerte Arte-Dokumentation erinnert an die bedrückenden Dreharbeiten zu Claude Lanzmanns Holocaust-Film, der vor 40 Jahren in die Kinos kam

von Manfred Riepe  21.11.2025

USA

Zwölf Familien, eine Synagoge

Die meisten Juden in Nordamerika leben in Großstädten, auf dem Land gibt es nur wenige Gemeinden – aber gerade dort wächst eine besonders starke Identität. Ein Besuch in der Kleinstadt Rome im Bundesstaat Georgia

von Katja Ridderbusch  21.11.2025

TV-Tipp

Ein Skandal ist ein Skandal

Arte widmet den 56 Jahre alten Schock-Roman von Philip Roth eine neue Doku

von Friederike Ostermeyer  21.11.2025

Judenhass

»Wir wollen keine Zionisten«: Mamdani reagiert auf antisemitische Kundgebung vor Synagoge

Die Teilnehmer schrien unter anderem »Tod den IDF!« und »Globalisiert die Intifada!«

von Imanuel Marcus  21.11.2025 Aktualisiert

New York

Neonazi wollte als Weihnachtsmann jüdische Kinder mit Süßigkeiten vergiften

Der Antisemit soll zudem »Interesse an einem Massengewaltakt« gezeigt und Anleitungen zum Bau von Bomben geteilt haben. Nun wird er angeklagt

 21.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  20.11.2025

Philosophie

Hannah Arendt und die Freiheit des Denkens

Die politischen Katastrophen des 20. Jahrhunderts waren ihr Lebensthema. Sie sah ihre Aufgabe als politische Denkerin darin, die Welt und die Menschen zu verstehen. Die politische Theoretikerin starb vor 50 Jahren

von Jürgen Prause  20.11.2025

Russland

Der Vater der israelischen Rüstungsindustrie

Emanuel Goldberg war ein genialer Erfinder in der Weimarer Republik. Die Nazis sorgten dafür, dass er in Europa vergessen wurde. Doch bis heute macht der Mann aus Moskau Israel sicherer

von Leif Allendorf  20.11.2025

New York

Rekordpreis für »Bildnis Elisabeth Lederer« bei Auktion

Bei den New Yorker Herbstauktion ist wieder ein Rekord gepurzelt: Ein Klimt-Gemälde wird zum zweitteuersten je versteigerten Kunstwerk – und auch ein goldenes Klo wird für einen hohen Preis verkauft

von Christina Horsten  19.11.2025