USA

Wo ist das Mitleid?

Will aufklären: Dana Wüstemann Foto: privat

USA

Wo ist das Mitleid?

Unsere Autorin ist sprachlos über die Kaltblütigkeit propalästinensischer Social-Media-Posts aus dem woken Uni-Umfeld – und unternimmt etwas dagegen

von Dana Wüstemann  21.10.2023 21:03 Uhr

Den 7. Oktober 2023 werden Juden auf der ganzen Welt niemals vergessen. »Es ist der Tag, an dem nach der Schoa die meisten Juden ermordet wurden«, wird immer wieder in den sozialen Netzwerken gepostet. Das barbarische Blutbad, das die Hamas anrichtete, erschüttert die jüdischen Gemeinden bis ins Mark. Zu der Trauer über die Verluste von Menschenleben und das Leid der Entführten kommt das Entsetzen über den Antisemitismus, der sich derzeit überall so offen zeigt.

Ich studiere für ein Jahr an der Northeastern University in Boston. Das Gefühl der Gemeinschaft hier ist stark. Seit den Massakern halten Juden und Israelis zusammen. An allen Colleges und Universitäten in der Stadt gibt es eine oder mehrere jüdische Studentengemeinden wie Hillel oder Chabad. Noch am 7. Oktober, dem Tag des Grauens, organisierten sie Gedenkzeremonien, die jetzt fast täglich stattfinden. Junge und ältere Menschen singen, eingehüllt in die blaue-weiße Flagge Israels, »Hatikwa« (deutsch: Hoffnung), die israelische Nationalhymne.

Wenig Hoffnung

Doch wenn man sich mit den Menschen unterhält, ist von Hoffnung wenig zu spüren. Obwohl die Mehrheit nicht Israelis, sondern amerikanische Juden sind, kennen viele jemanden, dessen Angehörige oder Freunde ermordet oder verschleppt wurden. Der Umfang des Verlustes ist unbegreiflich, viele, die hier gemeinsam stehen, haben keine Worte, nur Tränen.

»Die Bilder, die Geschichten, der Hass und die Grausamkeit erinnern mich an die Schule, als ich über den Holocaust lernte«, erzählt Liron Rephael, Stipendiatin aus Israel für die Hillel-Organisation an der Northeastern University. »Kopf und Herz wollen das nicht begreifen.« Rephaels Job ist wegen der Bedrohungen von propalästinensischer Seite mittlerweile lebensgefährlich geworden. »Dazu habe ich Schuldgefühle«, sagt sie. »So weit weg von zu Hause zu sein, erweckt ein dauerhaftes Gefühl, dass ich nicht genug tue für Israel, mein Land.«

Mir geht es genauso. Ich bin hier, in Boston, in Sicherheit – und fühle doch mit jeder Faser meines Seins, dass ich in Israel sein sollte. Liron spricht aber auch von der »unglaublichen Unterstützung« in der jüdischen und israelischen Gemeinde. Jeden Tag würde es WhatsApp-Gruppen mit neuen Hilfsinitiativen geben, ob Schabbat-Abendessen für Israelis, Sammlungen für die Soldaten der IDF oder Gedenkzeremonien. »Alle kommen jetzt zusammen und wollen helfen. Das Jüdischsein verbindet uns alle. Ohne Wenn und Aber.«

Als unmittelbar nach dem 7. Oktober die ersten Bilder der Opfer, Vermissten und Entführten auftauchten, waren die internationalen Reaktionen auf Instagram, TikTok und in anderen Netzwerken voller Empathie und Schock. Doch es dauerte nicht lange, da begannen andere, das Grausamste, was man sich vorstellen kann, zu rechtfertigen: Die Hamas-Mörder seien »Freiheitskämpfer«, ist ein wiederkehrendes Argument.

Und: »Die Israelis haben es verdient.« Diese Sätze schockieren mich und meine Freunde zutiefst. Man sah die Bilder von Babys, Kindern und Holocaust-Überlebenden, die ermordet, misshandelt oder gekidnappt wurden. Und das ist die Reaktion? Eine, die der grundlegenden Menschlichkeit so vollständig widerspricht? Wo ist das Mitleid?

Die Hamas schlachtet Unschuldige ab – Unzählige feiern ihren Judenhass

Nach einigen Tagen der Entrüstung bin ich nicht mehr überrascht, sondern nur noch unendlich traurig. Und verzweifelt. Als ob wir Israelis wirklich noch eine Bestätigung gebraucht hätten, bekamen wir sie trotzdem. Die Hamas schlachtet Unschuldige ab, ruft dazu auf, noch mehr Juden zu töten – und Unzählige feiern ihren Judenhass in den sozialen Medien.

Viele, mit denen ich rede, sehen es aus diesen Gründen als ihre Aufgabe, zu erklären und auf eine Art wie Diplomaten für Israel zu argumentieren. Eine Aufgabe, die nicht weniger wichtig ist als der direkte Kampf gegen die Hamas. Sie findet vor allem in den sozialen Medien statt. So sammelt zum Beispiel eine Initiative israelischer Studenten der Harvard University die Geschichten von Überlebenden und veröffentlicht diese auf Instagram und TikTok. Innerhalb weniger Tage haben sie weit mehr als 100.000 Follower und über eine Million Klicks bekommen.

Besonders engagiert sind die Israelis im Ausland. Für viele ist es die einzige Möglichkeit, in der Ferne aktiv zu werden. Sie kontern Hass-Posts von propalästinensischen Personen oder Gruppen mit Fakten aus Israel, leiten Videos weiter, diskutieren und identifizieren Fake News. Yael, die mit ihrem Freund für ein Semester in Boston ist, meint: »Es ist das Mindeste, was wir jetzt für Israel tun können.«

Großbritannien

Nike hat es »nicht böse gemeint«

Der Sportartikel-Konzern hing zum London Marathon ein Banner auf, das aus Sicht von Kritikern die Schoa lächerlich gemacht hat. Jetzt hat sich das Unternehmen entschuldigt.

 29.04.2025

Schweiz

Junger Mann wegen geplanten Anschlags auf Synagoge Halle verhaftet

Die Anschlagspläne soll er laut Staatsanwaltschaft zwischen Juli 2024 und Februar 2025 wiederholt in einer Telegram-Chatgruppe angekündigt haben

 29.04.2025

Sport

Nach Anti-Israel-Eklat: Jetzt sprechen die Schweizer Fechter

Bei der Nachwuchs-EM der Fechterinnen und Fechter kommt es in Estland zu einer viel diskutierten Szene. Nun haben sich die verantwortlichen Schweizer erklärt

 28.04.2025

Fecht-EM

Schweizer Fechter schauen bei israelischer Hymne demonstrativ weg

Nachdem die U23-Mannschaft der Schweizer Fechter gegen Israel protestierte, äußert sich nun der Schweizer Fechtverband und verurteilt den Vorfall

von Nicole Dreyfus  28.04.2025

Großbritannien

Israelfeindliche Aktivisten stören London-Marathon

Mitten im London-Marathon kommt es zu einer Protestaktion gegen Israel. Zwei Aktivisten springen auf die Strecke und streuen rotes Pulver

 27.04.2025

Essay

Wir gehen nicht allein

Zum ersten Mal hat unsere Autorin mit dem »Marsch der Lebenden« das ehemalige KZ Auschwitz besucht. Ein Versuch, das Unvorstellbare in Worte zu fassen

von Sarah Maria Sander  27.04.2025

Frankreich

Serge Klarsfeld: »Wir müssen vorbereitet sein«

Der Holocaust-Überlebende und Nazi-Jäger hat in »Le Figaro« einen dringenden Appell veröffentlicht und erneut für rechte Parteien geworben. Das Judentum sei bedrohter denn je, glaubt er

 25.04.2025

USA

Sharon Osbourne vs. die Anti-Israel-Popkultur

Rock-Veteranin Sharon Osbourne hat sich mit dem irischen Rap-Trio Kneecap angelegt, das offensichtlich meint, mit Hassrede gegen Israel seine Fanbase vergrößern zu können

von Sophie Albers Ben Chamo  25.04.2025

KZ-Gedenkstätte Auschwitz

Israels Präsident Isaac Herzog und Eli Sharabi beim »Marsch der Lebenden«

Auf dem Weg von Auschwitz nach Birkenau sind diesmal auch ehemalige israelische Geiseln der Hamas dabei. Israels Präsident Herzog erinnerte an die weiterhin in Gaza gefangen gehaltenen israelischen Geiseln

 24.04.2025