Interview

»Wir respektieren die Regierung«

Seit Mai Präsident des Verbands der Ungarischen Jüdischen Glaubensgemeinschaft Mazsihisz: der frühere General Andor Grósz Foto: György Polgar

Herr Grósz, Sie stehen seit Mai an der Spitze der ungarisch-jüdischen Glaubensgemeinschaft Mazsihisz. Was sind Ihre Pläne?
Zu den langfristigen Zielen gehört die Stärkung unseres Charakters als Religionsgemeinschaft. Die frühere Leitung hat sich zu oft mit Politik beschäftigt, jedenfalls nach außen. Das werden wir in naher Zukunft ändern.

Sie haben wiederholt betont, dass Sie sich von der Politik fernhalten möchten. Wie wollen Sie das erreichen, denn als Präsident von Mazsihisz können Sie politische Fragen nicht immer abwehren, zum Beispiel, wenn es um Antisemitismus geht.
In Fragen, in denen das Judentum betroffen ist, werden wir selbstverständlich von uns hören lassen. Ich denke hier an verschiedene Erscheinungsformen des Antisemitismus, Hassreden oder Reaktionen auf Probleme von Minderheiten. Als neulich die Tageszeitung »Magyar Nemzet« (Ungarische Nation) die Rehabilitierung des Reichsverwesers Miklós Horthy ansprach, haben wir heftig dagegen protestiert. Unter seiner Regentschaft wurde im Zweiten Weltkrieg fast das ganze Judentum der ungarischen Provinz ausgelöscht. In tagespolitische Angelegenheiten soll sich eine Glaubensgemeinschaft jedoch nicht einmischen.

Laut verschiedenen Erhebungen gilt ein wesentlicher Teil der ungarischen Gesellschaft als antisemitisch, auch wenn es äußerst selten zu Übergriffen kommt. Wie wird Mazsihisz in Zukunft dagegen ankämpfen?
Wir werden genau dasselbe tun wie bisher. Einerseits werden wir unsere Meinung immer wieder hören lassen, wenn es zu antisemitischen Handlungen kommt, sei es verbal oder in einer anderen Form. Andererseits werden wir uns weiterhin offen gegenüber der Gesellschaft zeigen. Wir wollen nicht nur unsere Religion erklären, sondern auch alles andere präsentieren, was zum Judentum gehört, wie zum Beispiel unsere Kultur, unsere soziale Empfindsamkeit, die Achtung anderer. Trotz einiger antisemitischer Erscheinungen sind Juden in Ungarn grundsätzlich in Sicherheit und können ihre Religion frei ausüben. Das haben die gegenwärtige, aber auch frühere Regierungen gewährleistet.

Die Orbán-Regierung hat »null Toleranz« gegen Judenfeindlichkeit verlautbaren lassen, doch offenbar hält sie sich nicht immer daran. Ich denke an die Hetzkampagnen gegen den aus Ungarn stammenden jüdischen Philanthropen George Soros oder an eine Attacke auf offener Straße gegen Juden, nach der die Regierung praktisch schwieg.
Die Politik sollte auch in diesen Fällen eine beständige und eindeutige »Null-Toleranz« gegenüber Antisemitismus zeigen. Es sollte in solchen Fällen genauso konsequent und konkret aufgetreten werden.

Ihnen wird eine ausgezeichnete Beziehung zur Regierung Orbán nachgesagt.
Schon in meinem früheren Posten als hochrangiger Offizier war ich stets bestrebt, mit den jeweiligen Regierungen einen korrekten Kontakt zu pflegen, und nicht nur mit der derzeitigen Staatsführung. In meiner aktuellen Position bin ich gegenüber jeder demokratischen Partei offen – egal, ob sie links oder rechts steht –, solange die jüdischen Werte anerkannt werden und das Judentum geachtet wird. Als Konfessionsgemeinschaft respektieren wir die demokratisch gewählte Regierung und tun dem Land unsere Loyalität kund. Dies bedeutet nicht, dass wir uns nicht melden, wenn wir der Meinung sind, dass unsere Interessen geschädigt werden.

Vor einigen Wochen gab es Gerüchte, dass die ungarische Botschaft in Israel nach Jerusalem verlegt werden soll. Was halten Sie davon?
Wenn das den Interessen unseres Landes dient und das Vorhaben seitens beider Regierungen einvernehmlich ist, dann unterstützen wir das.

Mit dem neuen Präsidenten des Verbands der Ungarischen Jüdischen Glaubensgemeinschaft Mazsihisz sprach György Polgár.

Vatikan

Leo XIV. schreibt an Oberrabbiner in Rom

Eine seiner ersten persönlichen Botschaften hat Papst Leo XIV. an die Jüdische Gemeinde Rom geschickt. Und eine gute und enge Zusammenarbeit versprochen

von Anna Mertens  13.05.2025

Tschechien

Auf den Wegen der Prager Juden

Während immer wieder neue Formen des Erinnerns gefordert werden, hat in der Goldenen Stadt die Zukunft bereits begonnen

von Kilian Kirchgeßner  12.05.2025

Meinung

Codewort: Heuchelei

Nemo fordert den Ausschluss Israels beim ESC in Basel. Damit schadet die Siegerperson des vergangenen Jahres der Schweiz und der eigenen Community

von Nicole Dreyfus  11.05.2025

Eurovision Song Contest

Vorjahressieger Nemo gegen Teilnahme Israels am ESC

Für Israel tritt die Sängerin Yuval Raphael an, die die Terroranschläge auf Israel am 7. Oktober 2023 überlebte

 10.05.2025

USA

Juden in den USA wünschen sich Dialog mit neuem Papst

Anders als sein Vorgänger Franziskus hat sich Leo XIV. als Kardinal nicht mit israelkritischen Äußerungen zum Gazakrieg hervorgetan. Jüdische US-Organisationen hoffen auf einen guten Austausch mit dem neuen Papst

von Christoph Schmidt  09.05.2025

USA

Die Magie der Start-ups

Auch Arielle Zuckerberg mischt in der Hightech-Welt mit. Als Investorin ist die Schwester von Mark Zuckerberg derzeit zudem auf jüdischer Mission

von Paul Bentin  08.05.2025

Judenhass

Alarmierende Zahlen

J7 stellt ersten Jahresbericht über Antisemitismus in den sieben größten Diaspora-Gemeinden vo

 07.05.2025

Meinung

Null Toleranz für Gewaltaufrufe

Ein Großereignis wie der Eurovision Song Contest darf keine Sicherheitslöcher zulassen, findet unsere Schweiz-Redakteurin Nicole Dreyfus

von Nicole Dreyfus  07.05.2025

Eurovision Song Contest

Israelische Sängerin Yuval Raphael wird von der Schweiz nicht extra geschützt

Die Basler Sicherheitsbehörden wissen um die angespannte Lage, das Sicherheitsrisiko in der Schweiz ist hoch

von Nicole Dreyfus  06.05.2025