USA

»Wir lieben Ihr Land«

Ein jüdischer Teilnehmer beim Chanukka-Empfang im Weißen Haus (Dezember 2019) Foto: dpa

Zu Rosch Haschana umschmeichelte US-Präsident Donald Trump Amerikas Juden mit einem vergifteten Kompliment: In einer Telefonkonferenz mit führenden Vertretern des amerikanischen Judentums anlässlich der Hohen Feiertage mitten im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf sagte Trump zum Abschluss des 20-minütigen Gesprächs: »Wir schätzen Sie alle wirklich sehr. … Zudem lieben wir Ihr Land – vielen Dank Ihnen allen.«

Da schwang er wieder mit, der Trumpsche Vorwurf der doppelten Loyalität amerikanischer Juden, ein Aufguss jener jahrhundertealten Schmähung, Juden seien nur einem Herrn treu – sich selbst. Außerdem schwang in der Telefonkonferenz noch eine zweite Drohung mit: Wenn Amerikas Juden am 3. November nicht die Republikaner wählten, dann würde das auch Israel schaden.

fauxpas Dieser zweite politische Fauxpas schien jedoch eher strategiegesteuert zu sein. Denn trotz der großen außenpolitischen Erfolge der Trump-Administration in Nahost und dem geradezu offensiv ins Rampenlicht gedrängten Präsidentenschwieger­sohn Jared Kushner als jüdischem Gewissen des Trump-Clans fassen die Republikaner nicht so recht Fuß in der jüdischen Wählerschaft.

Seit Trumps berüchtigter Stellungnahme zu den neonazistischen Krawallen 2017 in Charlottesville, von denen der Präsident hinterher sagte, da seien »gute Menschen auf beiden Seiten« gewesen, nehmen viele Juden dem Präsidenten seinen schwungvollen Philosemitismus nicht ab.

Oder wie es Aaron Keyak, Joe Bidens Mann für die jüdische Zielgruppe, formuliert: »Dass die mächtigste Person auf Erden sagte, da seien gute Menschen auf beiden Seiten, und so den Hass noch schürte, hat mich an meinem eigenen Land zweifeln lassen. Ich bin sicher, er hat diese Antisemiten ermutigt. Und er hat gezeigt, wie grundlegend gefährlich er war und ist.«

nominierungsparteitag Szenenwechsel und ein Blick zurück. Am dritten Abend des republikanischen Nominierungsparteitags bat Aryeh Spero, ein orthodoxer Rabbiner mit einer langen Karriere als engagierter Rechtsaußen bei den Republikanern, Gott darum, Donald Trump zu segnen.

Spero, der von sich behauptet, der erste Rabbiner gewesen zu sein, der 1979 den Kandidaten Ronald Reagan empfohlen habe, sagte, so zitiert ihn die Jewish Telegraphic Agency (JTA), Trump habe »sich furchtlos jenen in den Weg gestellt, die den Begriff soziale Gerechtigkeit korrumpieren«.

Wer genau mit dieser Anschuldigung gemeint war, blieb unklar – im Zweifel alle, die aus der Sicht eines überzeugten Erzkonservativen links oder liberal zu verorten sind.

RECHTSAUSSEN Spero blickt auf ein langes Engagement in der amerikanischen Rechtsaußen-Szene zurück. So unterstützte er 2000 die gescheiterte Präsidentschaftskandidatur des in den USA als »paläokonservativ« bezeichneten Publizisten Pat Buchanan, der seinen Wahlkampf damals als »Kreuzzug« bezeichnete: »Deshalb formen wir unsere Armee Gideons und ziehen gen Armageddon, um die Schlacht für den Herrn zu schlagen.« Die Organisation »Gideon’s Army« existiert bis heute.

Je konservativer das religiöse Bekenntnis, desto höher die Zustimmung für Trump.


Armageddon allerdings fiel aus, und Rabbi Spero setzte seinen Kampf in seinem eigenen »Jüdisch-christlichen Ausblick« fort. Aus dem Ausguck wurde eine Bewegung, die sich in erster Linie auf das Diskreditieren von Muslimen konzentrierte – und ein Buch: Widerstand: Die Neuerweckung des amerikanischen jüdisch-christlichen Geistes.

Dieser Geist führte auf der republikanischen Krönungsmesse für Trump auch noch zu einem verstörend blasphemischen interkonfessionellen Segen, den Spero für Trump sprach.

geisteshaltung »Vater, wir beten dafür, dass auch in Zukunft diese Geisteshaltung, diese Art der Regierung fortdauern möge – gleich unserer Geschichte, und zwar besonders jetzt, da sie, zu unserem Entsetzen, gefährdet wird. Und so beten wir, dass Gott unserem Präsidenten Kraft und Gesundheit schenken möge, der so großartig Tag für Tag seine Entschlossenheit unter Beweis stellt, die gottgegebenen Rechte unserer Bürger zu verteidigen und zu bewahren, wie sie in unserer Verfassung verankert sind.«

Nicht alle Juden, die sich öffentlich für Donald Trump starkmachen, benutzen derlei klerikale Klänge. Binyamin Rose, Auslandskorrespondent in Israel für das orthodoxe »Mishpacha Magazine«, das weltweit größte seiner Art mit 250.000 Lesern, schreibt in einem Kommentar für die JTA: »Nur sechs Prozent der Wähler, die 2008 für Barack Obama gestimmt haben, haben 2016 Donald Trump gewählt. Ich war einer von ihnen.«

Sachlich erläutert Rose: »Unsere Leserschaft ist größtenteils für Trump. Das bedeutet nicht, dass sie alles mögen, was er sagt – oder wie er es formuliert.

Wie Senator Lindsey Graham es einst umschrieb – der Präsident ist ein Straßenkämpfer. Orthodoxe Juden sehen ihn als ihren Mann auf der Straße, der sich für die Dinge einsetzt, die ihnen wichtig sind – Israel etwa oder die Wahrung religiöser Freiheiten durch die Berufung konservativer Juristen als Bundesrichter.«

UMFRAGEN Nach einer Umfrage vom Januar 2020 haben 2016 rund 56 Prozent der ultraorthodoxen Wähler und 29 Prozent der Modern-Orthodoxen für Trump gestimmt.

Im Verlauf des Jahres 2020 ist die Zustimmungsrate für Trump unter den Wählern, die sich zur Orthodoxie bekennen, auf 68 Prozent bei den Ultraorthodoxen und auf 36 Prozent bei den Modern-Orthodoxen angestiegen. Auch wenn das nur flüchtige Umfragen sind, so sagen sie doch eines aus: je konservativer das religiöse Bekenntnis, desto höher die Zustimmung für Trump. Das gilt für Juden wie Christen gleichermaßen.

Wenn man die Zahlenspiele also weitertreibt, sind zwei Drittel der moderat orthodoxen Wähler nicht für Trump. Die Zahl der Charedim in den USA schwankt zwischen 130.000 und 300.000. Gemessen an den rund sieben Millionen jüdischen Amerikanern sind das keine sehr großen Wählerzahlen.

Doch die Statistiken schwanken ebenfalls, und Wahlprognosen liefern keine verlässlichen Zahlen. Insofern erklärt sich die Härte des Ringens um jüdische Wählerstimmen. Ob mit Liebe oder Gebeten, das wird den Statistikern am Wahlabend herzlich egal sein. Das Einzige, was dann noch zählt, sind die Stimmen.

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