Antisemitismus

»Wir können nicht schweigen«

Ted Deutch Foto: imago images/ZUMA Press

Antisemitismus

»Wir können nicht schweigen«

Ted Deutch über wachsenden Judenhass in den USA und die Konsequenzen

von Michael Thaidigsmann  07.02.2023 09:05 Uhr

Herr Deutch, Sie waren Kongressabgeordneter und führen jetzt das American Jewish Committee (AJC). Wie finden Sie als Demokrat in Washington Gehör?
Indem ich überparteilich agiere und, wo nötig, beide Seiten konfrontiere. Als ich im Kongress saß, war ich der einzige Demokrat, der Kollegen aus der eigenen Fraktion im Plenarsaal beim Thema Israel zur Rede stellte. Wir sollten unsere Positionen nicht danach ausrichten, ob sie bei der einen oder anderen Partei auf Gegenliebe stoßen, sondern nur darauf, dass sie im Interesse der jüdischen Gemeinschaft sind. Wir können es uns nicht leisten zu schweigen. Und wenn wir glauben, dass Antisemitismus nur auf der anderen Seite des politischen Spektrums existiert, und wegsehen, wenn er aus dem eigenen Lager kommt, normalisieren wir ihn.

Die Zahl der judenfeindlichen Vorfälle in Amerika hat deutlich zugenommen. Wie erklären Sie sich das?
Antisemitismus ist auch in den USA nicht neu. Aber in der Vergangenheit hatten die Menschen nicht die Mittel, ihn zu verbreiten, wie sie heute existieren. Sie trafen sich auf einem Parkplatz oder heimlich im Wald und verteilten ein paar Broschüren. Heutzutage sehen Millionen von Menschen in sozialen Medien ihre Beiträge, ganz zu schweigen vom Dark Web und den schrecklichen Dingen, die dort passieren.

Was kann dagegen getan werden?
Der Kongress sollte prüfen, welche Änderungen notwendig sind, damit Internet-Plattformen rechenschaftspflichtig werden. In Europa gibt es Gesetze, man sucht nach Möglichkeiten, sie durchzusetzen, um die Menschen zu schützen. In den USA haben wir stattdessen Gesetze, die den Plattformbetreibern Straffreiheit gewähren. Wir können also nur versuchen, dafür zu sorgen, dass Twitter und andere Social-Media-Unternehmen die eigenen Richtlinien und Regeln befolgen und sie auch anwenden. Bislang tun sie das nicht.

Ist die Zeit vorbei, in der Juden in Amerika vor gewalttätigen Angriffen relativ sicher waren?
Es gibt hier mittlerweile mehr Verständnis für das, was Europa im Hinblick auf den wachsenden Antisemitismus durchgemacht hat, insbesondere nach den Anschlägen in Brüssel 2014 und in Frankreich 2015. Ich erinnere mich an die Artikel, die damals geschrieben wurden. Der Schock und die Unfähigkeit zu begreifen, dass Menschen in Europa gefährdet waren, nur weil sie jüdische Einrichtungen besuchten, waren groß. Amerikanische Juden waren überrascht, wenn sie die Sicherheitsvorkehrungen vor jüdischen Einrichtungen in Europa sahen. Nach den Anschlägen in Pittsburgh, Monsey und Jersey City und in einer Zeit, in der es fast Alltag ist, dass Juden auf den Straßen Brooklyns verprügelt werden, wächst das Gefühl, dass wir alle im gleichen Boot sitzen. Juden in den USA und in Europa müssen diese Probleme gemeinsam angehen.

Mit dem CEO des American Jewish Committee sprach Michael Thaidigsmann.

Schweiz

Das Leben feiern

In diesem Jahr findet der ESC in Basel statt. Israel ist seit 1973 vertreten – ein persönlicher Rückblick

von Jan Feddersen  14.05.2025

Vatikan

Leo XIV. schreibt an Oberrabbiner in Rom

Eine seiner ersten persönlichen Botschaften hat Papst Leo XIV. an die Jüdische Gemeinde Rom geschickt. Und eine gute und enge Zusammenarbeit versprochen

von Anna Mertens  13.05.2025

Tschechien

Auf den Wegen der Prager Juden

Während immer wieder neue Formen des Erinnerns gefordert werden, hat in der Goldenen Stadt die Zukunft bereits begonnen

von Kilian Kirchgeßner  12.05.2025

Meinung

Codewort: Heuchelei

Nemo fordert den Ausschluss Israels beim ESC in Basel. Damit schadet die Siegerperson des vergangenen Jahres der Schweiz und der eigenen Community

von Nicole Dreyfus  11.05.2025

Eurovision Song Contest

Vorjahressieger Nemo gegen Teilnahme Israels am ESC

Für Israel tritt die Sängerin Yuval Raphael an, die die Terroranschläge auf Israel am 7. Oktober 2023 überlebte

 10.05.2025

USA

Juden in den USA wünschen sich Dialog mit neuem Papst

Anders als sein Vorgänger Franziskus hat sich Leo XIV. als Kardinal nicht mit israelkritischen Äußerungen zum Gazakrieg hervorgetan. Jüdische US-Organisationen hoffen auf einen guten Austausch mit dem neuen Papst

von Christoph Schmidt  09.05.2025

USA

Die Magie der Start-ups

Auch Arielle Zuckerberg mischt in der Hightech-Welt mit. Als Investorin ist die Schwester von Mark Zuckerberg derzeit zudem auf jüdischer Mission

von Paul Bentin  08.05.2025

Judenhass

Alarmierende Zahlen

J7 stellt ersten Jahresbericht über Antisemitismus in den sieben größten Diaspora-Gemeinden vo

 07.05.2025

Meinung

Null Toleranz für Gewaltaufrufe

Ein Großereignis wie der Eurovision Song Contest darf keine Sicherheitslöcher zulassen, findet unsere Schweiz-Redakteurin Nicole Dreyfus

von Nicole Dreyfus  07.05.2025