Grossbritannien

»Wir haben einfach genug«

»Genug ist genug«: Britische Juden stehen gegen Antisemitismus bei Labour auf. Foto: Daniel Zylbersztajn

In meinem ganzen Leben hat es noch nie so eine Aktion gegeben», sagte der Vorsitzende des Jewish Leadership Council (JLC), Jonathan Goldstein. Am Montagabend hatten der JLC und der Dachverband Jewish Board of Deputies (BOD), zu einer Protestaktion im Londoner Bezirk Westminster auf dem Parliament Square aufgerufen.

Etwa 2000 Menschen, darunter 30 Unterhausabgeordnete, kamen zur ersten gemeinsamen Demonstration von JLC und BOD seit den 30er-Jahren.

Denn britische Juden haben genug vom Antisemitismus. Erst jüngst war eine Facebook-Nachricht des Labour-Vorsitzenden Jeremy Corbyn aus dem Jahr 2012 bekannt geworden. «Du bist in guter Gesellschaft», hatte Corbyn an den Graffitikünstler Kalen «Mear One» Ockerman geschrieben, als dessen Wandmalerei «Freedom for Humanity» in London überpinselt worden war, «Rockefeller zerstörte Diego Riveras Wandgemälde, weil es ein Bild von Lenin zeigte».

Monopoly Schönheitsfleck an Corbyns Verteidigung der Kunst: Mear Ones Bild zeigte eine Gruppe von Bankern, teils mit Hakennasen, die unter einem Illuminati-Symbol Monopoly spielen – auf den Rücken von Menschen, die nackt vor ihnen knien. Kurz gesagt: Corbyn hatte offenen Judenhass verteidigt.

Labours Vizevorsitzender Tom Watson erklärte nun, Corbyn bedauere seinen Post. Er habe sich das Bild damals nicht richtig angesehen. Watson äußerte sich allerdings erst zu dem Vorfall, nachdem jüdische Labour-Politiker dringend eine Er­klärung und eine Entschuldigung verlangt hatten. Als der Druck weiter zunahm, meldete sich Corbyn selbst zu Wort. Am Sonntag teilte er, wiederum auf Facebook, mit: Labour sei eine antirassistische Partei, er verurteile Judenhass. «Antisemitismus, egal in welcher Form, darf in und um unsere Bewegung nicht toleriert werden.»

Corbyns jüngster Skandal und sein un­glaubwürdiges Zurückrudern brachte britische Juden und ihre zwei Dachorganisationen BOD und JLC auf die Straße. BOD-Präsident Jonathan Arkush forderte am Montag mehr als eine bloße Suspendierung antisemitischer Labour-Politiker. Er erinnerte an die Fälle Ken Livingstone, Jacqui Walker und Chris Williamson. Da müsse es einen Rauswurf geben.

Zumal es, wie der Redner John Mann formulierte, schließlich jüdische Arbeiter waren, die am Anfang der britischen Arbeiterbewegung gestanden haben.

Labour Gekommen waren britische Juden, empörte Labour-Politiker, wie Lord David Mitchell, der wegen Corbyn Labour verlassen hatte, aber beispielsweise auch der konservative Minister Sajid Javid. Und junge Leute nahmen an der Demonstration teil: Keyvan Farmanfarmaian, 17, und Liam Sanderson, 18, Schüler aus der Nachbarschaft, beide nicht jüdisch und eher konservativ. Oder Lewis Parker und Anna Phillips, beide 22 Jahre alt, Labour-Mitglieder aus Südlondon und nicht jüdisch.

«Ich weiß, wie sich meine jüdischen Parteifreunde fühlen», sagte Parker. «Ich glaube, dass eine antiisraelische Einstellung meist verkleideter Antisemitismus ist.» Ella und Mark, Vater und Tochter aus Londons Norden, denken dagegen sehr unterschiedlich über Labour. «Mich sprechen die Werte Labours an, etwa der Gleichheitsgedanke», sagt Ella, «doch wegen des Antisemitismus ist es mir nicht möglich, die Partei zu unterstützen.»

Facebook Am Rand der Kundgebung waren auch andere Stimmen zu hören. Auf Bannern der Gruppe «Jewish Voices for Labour» (JVL) hieß es, es sei nur politisches Kalkül, kurz vor Lokalwahlen einen fünf Jahre alten Facebook-Post zu thematisieren. JVL-Anhänger skandierten Parolen gegen die Besatzung palästinensischer Gebiete durch Israel. Polizeibeamte, die für alle Fälle bereitstanden, mussten jedoch nicht eingreifen.

Auf der Kundgebung erwähnte Jonathan Goldstein das bevorstehende Pessachfest, an dem traditionell das Lied «Dajenu» («Es ist genug») gesungen wird. «Wir haben genug vom Antisemitismus», sagte er. «Der ist nicht okay in einer politischen Partei des Mainstreams.»

USA

Farlir nur nit dein Hofenung

Wie ein schwarzer Kantor in den 1920ern New Yorks Juden verzauberte und sogar durch Europa tourte. Die unglaubliche Geschichte des Thomas LaRue, dessen Stimme erstmals wieder zu hören ist

von Nicole Dreyfus  15.06.2025

Nationaler Sicherheitsrat

Offizielle Warnungen für Israelis und Juden im Ausland

Wachsamkeit, Kooperation und Zurückhaltung. Der israelische Nationale Sicherheitsrat hat Warnhinweise für Israelis und Juden im Ausland veröffentlicht

 13.06.2025

Zürich

Israelhasser wollten Zürich zum Stillstand bringen

Am Donnerstagabend wollten »propalästinensische« Demonstranten durch die Zürcher Innenstadt ziehen

von Nicole Dreyfus  12.06.2025 Aktualisiert

Bosnien und Herzegowina

Goldschmidt: Boykott von Rabbinertreffen ist »eine Schande«

Die Europäische Rabbinerkonferenz kann nicht in Sarajevo tagen. Grund ist der Boykottaufruf eines Ministers. Der CER-Präsident fordert nun Konsequenzen

von Michael Thaidigsmann  12.06.2025

New York

Weinstein in neuem Prozess wieder verurteilt

Der Schuldspruch gegen den ehemaligen Filmmogul im Jahr 2020 galt als Meilenstein – bis er 2024 überraschend kassiert wurde. Nun hat erneut eine Jury geurteilt, aber das letzte Wort ist noch nicht gesprochen

 12.06.2025

Belgien

Israelfeindliche Aktivisten stellen Hamas-Terror nach

Bei einem »Widerstandsfestival« in Brüssel wurde der Terror mit einem Theaterstück glorifiziert, es gab Hamas-Dreiecke; und Wassermelonen-Mandalas für Kinder

von Nils Kottmann  09.06.2025

Vatikan

Papst Leo würdigt rumänischen Kardinal und Retter Tausender Juden

Iuliu Hossu könnte ein »Gerechter unter den Völkern« werden

 09.06.2025

Antisemitismus

Rabbiner fordern Schutz nach Angriff bei Paris

Jüdisches Leben müsse endlich sicher möglich sein, so Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt

 09.06.2025

Neue Studie aus den USA

Israelhass an der Uni: »weniger sichtbar, radikaler, gefährlicher«

Eine neue Studie über anti-israelischen Aktivismus an US-Universitäten zeigt eine beängstigende Professionalität und Terrornähe. Aber es gibt auch Hoffnung

von Sophie Albers Ben Chamo  08.06.2025 Aktualisiert