Österreich

Wie sag ich’s besser?

Hebräischförderung: Am Anfang steht das Alef-Beit. Foto: Alexia Weiss

Vier Fünf- bis Sechsjährige sitzen um einen Tisch. Sprachförderin Christine Phommahaxay hält einen Schlüssel in die Höhe – »der, die oder das?« fragt sie. Die Kinder zögern – geben schließlich aber die richtige Antwort. Dann bekommen sie ein Blatt, auf dem schemenhaft ein Zauberer zu erkennen ist. »Ich lese euch eine Geschichte vor, und ihr hört dabei, was ihr zeichnen müsst«, erklärt Phommahaxay den Kindern. »Die Sterne sind ganz bunt«, liest sie vor. »Was ist bunt?«, will eines der Mädchen wissen. Der Junge neben ihr meint: »Regenbogen«. Schon ist ein Gespräch über Farben im Gange.

wortschatz Ziel des Förderunterrichts für die Vorschüler ist vor allem, »den Wortschatz zu erweitern«, sagt die pädagogische Leiterin des Kindergartens, Ruth Willnauer. Begriffe aus dem Alltag, von der Kleidung bis zum Benennen des eigenen Körpers stehen im Mittelpunkt. »Wir müssen den Kindern helfen, zu sagen, was ihre Bedürfnisse sind, was sie brauchen.« Ähnlich formuliert es auch Daniel Brandel, administrativer Leiter der jüdischen Volks- und Mittelschule: »Ziel ist, dass unsere Kinder mitreden können. Mitreden im Sinn von verstehen und verstanden werden, im Sinn von teilnehmen am Leben und sich behaupten.«

MIT.REDEN haben Brandel und Willnauer das Sprachförderprojekt benannt, das seit mittlerweile zwei Schuljahren Kindern und Schülern vom Kindergartenalter bis zum Abitur sowohl im Deutschen als auch im Hebräischen hilft. Je nach Altersstufe stehen zwei bis drei Unterrichtseinheiten pro Woche auf dem Stundenplan. Der Erfolg sei bereits zu erkennen, sagt Daniel Brandel, vor allem beim Übergang vom Kindergarten zur Grundschule. »Die Fördermaßnahmen fangen an zu greifen.«

MIT.REDEN besteht aus zusätzlichem Deutsch- und Hebräischunterricht in der Kleingruppe für all jene, die es brauchen. Die Kleinsten erweitern dabei ihren Wortschatz und werden aufgefordert, in der noch etwas fremden Sprache frei von der Leber weg zu kommunizieren. In der Grundschule verschiebt sich der Schwerpunkt in Richtung Grammatikstrukturen, später werden das Textverständnis und das selbstständige Verfassen von Texten zunehmend wichtig. Im Gymnasium steht die Lese- und Schreibkompetenz im Vordergrund.

Identitätssprache Willnauer stellt allerdings klar: »Das ist keine Deutsch- oder Hebräischförderung für Kinder, die Schwierigkeiten mit der Sprachentwicklung haben. Hier geht es um das grundsätzliche Sprachelernen.« Ursprünglich konzipiert wurde das Programm für Kinder mit israelischer Staatsbürgerschaft. Sie sollten in ihrer Muttersprache gefestigt und beim Deutschlernen unterstützt werden. Nun werden aber alle Kinder, auch jene mit anderen Muttersprachen – von Ungarisch über Tschechisch bis Russisch – in dem Programm berücksichtigt. Die Statistik zeigt klar, warum: Von den derzeit 104 Mädchen und Jungen, die den Kindergarten der Zwi-Perez-Chajes-Schule besuchen, haben 20 Deutsch als Muttersprache. Hebräisch, das in vielen Familien zu Hause gesprochen wird, soll für alle als Identitätssprache dienen und daher ebenfalls gefördert werden.

Grundsätzlich gilt: Kinder, die in der Muttersprache fit sind, tun sich leichter, eine Zweitsprache zu erwerben. Daher werden beispielsweise israelische Kinder bei Bedarf in Hebräisch und Deutsch gefördert. »Manchmal ist es allerdings gar nicht so leicht, überhaupt festzumachen, welche Muttersprache das Kind eigentlich hat«, sagt Willnauer. Denn oft sei selbst den Eltern nicht klar, welche Sprache im Familienleben vorherrsche. Hebräisch? Russisch? Deutsch?

Mehrsprachigkeit Dass aus dieser wünschenswerten Mehrsprachigkeit kein vermischter Sprachenbrei wird, dazu soll MIT.REDEN ebenfalls beitragen. Dass Kinder während des Spracherwerbs Wörter aus verschiedenen Sprachen zu Sätzen zusammenmischen, sei zwar eine ganz normale Phase in der Sprachentwicklung von Kindern, die mit mehreren Idiomen aufwachsen, so Willnauer. »Irgendwann müssen die einzelnen Sprachen aber klar voneinander getrennt werden.«

Brandel ist davon überzeugt, dass mit dem Projekt »die Basis geschaffen wird, dass die Jugendlichen später in der Bildungslandschaft ihren eigenen Weg finden und gehen können – und damit ihren Platz in der Gesellschaft behaupten«. Erfolgreiche Integration geschieht eben auch über Sprachkompetenz. Eines betonen Willnauer und Brandel dabei allerdings: Hebräisch ist als identitätsstiftende Sprache ebenso wichtig wie die Muttersprache der Kinder.

Kommentar

Der »Tages-Anzeiger« und das Geraune von der jüdischen Lobby

Die Zeitung unterstellt, erst eine Intervention des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes habe zur Absage einer Veranstaltung mit Francesca Albanese durch die Uni Bern geführt. Dabei war die Intervention richtig

von Michael Thaidigsmann  15.09.2025

Argentinien

Raubkunst in der Immobilienanzeige

Die Tochter eines Naziverbrechers wollte ihre Villa verkaufen und führte Ermittler auf die Spur einer gestohlenen Kunstsammlung

von Andreas Knobloch  13.09.2025

München/Gent

Charlotte Knobloch spricht von »historischem Echo«

Nach der Ausladung des israelischen Dirigenten Lahav Shani von einem Musikfestival meldet sich Charlotte Knobloch mit deutlichen Worten

 11.09.2025

Italien

Jüdisches Touristen-Paar in Venedig attackiert

Die Täter schrien »Free Palestine«, bevor sie die Ehefrau mit einer Flasche attackierten und ihren Ehemann ohrfeigten

 11.09.2025

Georgien

Sicher und schön

Der Kaukasus-Staat pflegt Erbe und Zukunft der Juden. Und bietet atemberaubende Natur. Ein Besuch

von Michael Khachidze  11.09.2025

Belgien

Argerich, Maisky, Schiff empört über Gent-Festival

Bekannte jüdische und nichtjüdische Musiker haben eine Petition gestartet, um gegen die Ausladung der Münchner Philharmoniker und ihres Dirigenten Lahav Shani zu protestieren

 11.09.2025

Imanuels Interpreten (13)

Herb Alpert: Der Universalkünstler

Vom Trompeter zum Philantropen: Der Sohn jüdischer Einwanderer aus Kalifornien erreichte in den 90 Jahren seines bisherigen Lebens viel

von Imanuel Marcus  10.09.2025

Bundesamt für Statistik

Dieser hebräische Vorname ist am beliebtesten bei Schweizer Eltern

Auch in der Schweiz wählen Eltern weiterhin häufig biblische Namen für ihr Neugeborenes

von Nicole Dreyfus  10.09.2025 Aktualisiert

Südafrika

Unvergessliche Stimme

Die Schoa-Überlebende Ruth Weiss hat sich als Journalistin, Schriftstellerin und Kämpferin für Menschenrechte einen Namen gemacht. Sie wurde 101 Jahre alt. Ein Nachruf

von Katrin Richter  10.09.2025