Polen

Wenn Leugner reisen

Eigentlich wollte der britische Holocaust-Leugner David Irving inkognito durch Polen touren. Die »Bildungsreise« für elf seiner rechtsradikalen Anhänger sollte nicht gestört werden. Immerhin hatte die Gruppe aus Amerikanern, Briten, Deutschen und Australiern für die achttägige Tour insgesamt knapp 33.000 Dollar auf den Tisch gelegt. Doch lange hielt der Historiker die Anonymität nicht aus. In Warschau suchte er Mitte vergangener Woche geradezu das Scheinwerferlicht. »Wir fahren dieses Mal nicht nach Auschwitz, weil es überbewertet ist«, sagte er. »Die Juden haben versucht, aus Auschwitz und ihrer Tragödie eine Geld-Maschine zu machen. Sie verfolgen Historiker, die legitime Fragen nach dem wirklichen Geschehen stellen.« Polen, die sich selbst ein Urteil bilden wollten, sollten nicht einfach seinen Kritikern glauben, sondern sein Buch Hitlers Krieg lesen.

Geld-Maschine Nach dieser Reklameaktion fuhren Polens Medien die Berichterstattung über die umstrittene Reise des mehrfach verurteilten Holocaust-Leugners auf ein Minimum herunter. Zumal auch Piotr Kadlcik, der Vorsitzende des Jüdischen Gemeindebundes in Polen, zornig konterte: »In Wirklichkeit ist die Schoa zu Irvings Geld-Maschine geworden.« Polens Oberrabbiner Michael Schudrich äußerte sich verärgert: »Irving ist kein Historiker, sondern ein Scharlatan.«

Schon vor der Einreise Irvings und seiner rechtsradikalen Anhänger hatten die antifaschistischen Organisationen »Nigdy Wiecej!« (Nie wieder!) und »Otwarta Rzeczpospolita« (Offene Republik) protestiert. Polens Polizei wie auch der Inlandsgeheimdienst ABW beobachteten Irvings Gruppe zwar, um im Falle einer Straftat eingreifen zu können, doch zunächst einmal seien sie »ganz normale Touristen«, wie Izabela Niedzwiedzka, die Polizeisprecherin von Ermland und Masuren, meinte.

Am Wochenende besuchte Irving mit seiner Gruppe die »Wolfsschanze« bei Ketrzyn, dem früheren Rastenburg. Da Oberst Graf von Stauffenberg dort am 20. Juli 1944 einen Bombenanschlag auf Hitler verübte, gilt das ehemalige »Führerhauptquartier« in Masuren heute als Symbol des militärischen Widerstands gegen den Nationalsozialismus. Für Irving allerdings ist Stauffenberg ein »Verräter«.

Disneyland Zuvor hatte die Gruppe bereits das ehemalige Vernichtungslager Treblinka bei Warschau besichtigt. Treblinka war das größte nationalsozialistische KZ im deutschen Generalgouvernement des besetzten Polen. Die Gesamtzahl der Todesopfer in Treblinka liegt deutlich über 700.000 und wird auf bis zu 1,1 Millionen Menschen aus ganz Europa geschätzt. Anders als in Auschwitz gelang es hier den Nazis, alle Spuren zu verwischen. Zu sehen sind nur ein großes Denkmal und Hunderte symbolische Grabsteine. Für Irving ist Treblinka tatsächlich ein Todeslager, Auschwitz hingegen nur eine »Touristenattraktion im Stile von Disneyland«, wie der Historiker der britischen Daily Mail noch vor seiner Abreise nach Polen sagte.

Die in Genf geborene Schweizer Schriftstellerin und Philosophin Jeanne Hersch aufgenommen im März 1999

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