Zürich

Weggli aus der Schimmelstraße

Im Ladenlokal im Stadtteil Wiedikon Foto: Peter Bollag

Es ist Donnerstagnachmittag, in dem kleinen Ladenlokal an der Züricher Schimmelstraße herrscht Hochbetrieb. Bei »Ma’adan«, der einzigen koscheren Bäckerei in der Schweiz, hat man alle Hände voll zu tun. Einige Männer in kurzen Hosen und Kippot verpacken Hunderte frisch duftender Challot und Kuchen in Kartons und verladen sie in Lieferautos.

Zwar steht kein jüdischer Feiertag an, doch es ist trotzdem Hochsaison. Denn im August verbringen zahlreiche orthodoxe jüdische Gäste aus der ganzen Welt ihre Ferienzeit in den Schweizer Bergen. Und egal, wo sie sind, sie möchten auf ihrem Schabbattisch frische Challot und anderes Gebäck vorfinden.

»Das bieten wir ihnen natürlich gerne an«, sagt Jizchak Schächter. Er ist Mitglied der Geschäftsleitung und hatte einst die Idee für den Firmennamen: »Ma’adan« bedeutet im Hebräischen so viel wie »Köstlichkeit«.

Ursprünglich kommt Schächter aus der Finanzbranche. Gemeinsam mit einigen anderen sprang er vor einigen Jahren finanziell in die Bresche, als es in der größten Schweizer Stadt, in der auch die meisten Juden des Landes leben, nach diversen Geschäftsaufgaben auf einmal keine koschere Bäckerei mehr gab. Heute schaut Schächter häufig im Laden vorbei, wo in den unteren Räumen gleichzeitig gebacken und im Ladenlokal verkauft wird. Seit einigen Monaten gibt es hier sogar ein kleines Café.

bestellungen Zu besprechen hat Schächter auch in diesen Sommertagen viel: Gibt es schon Vorbestellungen für die nächsten Ferienwochenenden? Laufen die Vorbereitungen für die Hohen Feiertage? Über solche und andere Dinge redet Schächter gerne mit Andy Beer.

Heute steht Beer in kurzen Hosen und mit T-Shirt im Laden und trinkt Eistee. Die meisten Kunden kennen ihn nur in weißer Bäckerkleidung; so steht er im Laden und unterstützt die Verkäuferinnen, wenn nötig.

Andy Beer ist der Sohn der früheren Besitzerin. Seit 1936 führte die Familie die nicht ausschließlich koschere Bäckerei im Stadtteil Wiedikon, in dem bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs nur wenige Juden lebten. Seitdem sind vor allem orthodoxe Familien zugezogen und verstärken die Nachfrage nach koscheren Lebensmitteln. Für die alten Besitzer wurde es jedoch zunehmend schwierig, das Geschäft zu halten. Es fehlte vor allem an Nachwuchs, denn nicht viele Lehrlinge sind bereit, so früh am Morgen aufzustehen. Gleichzeitig war nicht genügend Geld vorhanden, um einen neuen Backofen zu kaufen.

So kam die Idee auf, die Quartiersbäckerei in ein koscheres Geschäft umzuwandeln. »Das kam nicht bei allen Kunden gut an«, erinnert sich Andy Beer. Doch: »Inzwischen kommen auch wieder viele nichtjüdische Leute aus dem Viertel zu uns, die anfangs skeptisch waren.«

Rezepte Manche Rezepte hat Beer »Ma’adan« verraten, etwa das für Fruchtwähen (Früchtekuchen). Aber auch die Kreativität, neues Gebäck zu erfinden und nicht nur die koschere Variante eines Croissants anzubieten, lockt nichtjüdische Kunden wieder in die Schimmelstraße.

»Rund 30 Prozent unserer Kundschaft ist nicht jüdisch«, sagt Jizchak Schächter stolz, und die Tendenz sei steigend. So steht manchmal der Angestellte mit Anzug, Krawatte und Aktentasche zwischen jüdischen Touristen aus England, die sich hier Sandwiches für ihr Abendessen besorgen, und der Frau mit Scheitel, die ihren Kindern ein »Schoggiweggli« kauft.

Die Einhaltung der Kaschrut wird von der orthodoxen Israelitischen Religionsgesellschaft Zürich (IRG) garantiert. Ihr Hechscher (Koscherzertifikat) gilt als einer der besten überhaupt. Die Aufsichtspersonen des Rabbinats, die Maschgichim, benutzen dabei modernste Technik: Zum Teil überwachen sie die Backstube von »Ma’adan« bereits heute elektronisch.

Chile

Backlash nach Boykott

Mit israelfeindlichem Aktionismus schadet das südamerikanische Land vor allem sich selbst

von Andreas Knobloch  16.04.2024

Kiew

Ukraine bittet um gleichen Schutz wie für Israel

Warum schützt der Westen die Ukraine nicht so wie Israel? Diese Frage stellt der ukrainische Staatschef Selenskyj in den Raum

von Günther Chalupa  16.04.2024

Statement

J7 Condemn Iranian Attack on Israel

The organization expressed its »unwavering support for Israel and the Israeli people«

von Imanuel Marcus  15.04.2024

«Library of Lost Books»

Mehr als 4000 verschollene jüdische Bücher aus Berlin in Prag gefunden

Eine Rückkehr der Bücher ist »derzeit nicht geplant«

 12.04.2024

Antisemitismus

»Strudel absurder Verschwörungstheorien«

Der Schweizer Regisseur Samir unterstellt Israel, die Massaker des 7. Oktober mit verursacht zu haben

 11.04.2024

Schweiz

Können Judenwitze lustig sein?

Ein Muslim und ein Jude scheren sich nicht um Political Correctness – und haben damit Riesenerfolg. Kein Witz

von Nicole Dreyfus  11.04.2024

USA

Heimatlos und kämpferisch

Wie der Hamas-Terror in Israel die Identität jüdischer Amerikaner verändert. Ein Ortsbesuch in Atlanta

von Katja Ridderbusch  10.04.2024

Russland

Nach den Toten kommt die Hetze

Als Reaktion auf den Terroranschlag auf die Crocus City Hall nahe Moskau grassieren antisemitische Verschwörungstheorien

von Alexander Friedman  09.04.2024

Argentinien

Was von der Mileimanía übrig bleibt

Nach 100 Tagen im Amt ist der Israel-affine, libertäre Präsident Javier Milei umstrittener denn je

von Victoria Eglau  09.04.2024