Schweiz

Walliser Lektion

Absender des Kündigungsschreibens: Norbert Brunner, Bischof von Sitten Foto: dpa

Das katholische Wallis steht vor einem »jüdischen Problem«, das eigentlich gar nichts mit »wirklichen Juden« zu tun hat. Es geht um den Fall einer katholischen Religionslehrerin, die sich nach jahrelanger Beschäftigung mit dem Judentum im katholischen Glauben nicht mehr zu Hause gefühlt hatte und deshalb zu Beginn dieses Jahres aus der Kirche ausgetreten ist. Ein Übertritt zum Judentum sei für sie zwar zurzeit kein Thema, ließ sie die Medien wissen, doch wolle sie einfach »näher an die jüdischen Wurzeln des Christentums« rücken.

Religionsfreiheit Das ist zu viel für einen Kanton, der in seinem Schulgesetz von den Lehrpersonen verlangt, sie müssten ihre Schüler auf ein Leben als »Mensch und Christ« vorbereiten – was eigentlich einen Widerspruch zur Schweizer Bundesverfassung darstellt, denn sie garantiert ausdrücklich die Glaubens- und Gewissensfreiheit.

Kurios an dem Ganzen ist vor allem der Absender dieser Kündigung: Es war nämlich nicht das zuständige Mitglied in der kantonalen Regierung, der SVP-Mann Oskar Freysinger, sondern der Bischof von Sitten, Norbert Brunner. Auch das ist eine Besonderheit dieses katholisch geprägten Kantons: Das Gesetz, das so etwas ermöglicht, stammt noch aus dem Jahr 1962 –
also aus der Zeit vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil mit seiner Neubewertung des Verhältnisses der Kirche zum Judentum.

Die geschasste Lehrerin wandte sich deshalb auch an den Bischof und schrieb ihm, ihr Austritt sei keinesfalls »ein Glaubensabfall« und sie sei zu einem Wiedereintritt in die Kirche bereit, wenn sie »den jüdischen Weg innerhalb dieser Kirche leben könne«. Bis heute hat sie keine Antwort vom Bischof erhalten.

Schulfach ERG Die nächste Walliser Kuriosität ließ dagegen nicht lange auf sich warten: Die Pädagogin darf inzwischen – auf Empfehlung des Bischofs – auch das Fach Ethik-Religionen-Gemeinschaften (ERG) nicht mehr unterrichten. Dieses Fach ist eigentlich religionsneutral, doch Bischof Brunner schrieb, aus seiner Sicht sei es »unerlässlich, dass Lehrpersonen, welche ERG unterrichten, einer der beiden Kirchen angehören«.

Das will sich die Lehrerin nicht gefallen lassen. Und so liegt ihr Fall jetzt doch beim SVP-Mann Freysinger. Dieser warnt in seiner rechten Volkspartei gern vor einem »schleichenden Islamismus« im Land, vertritt andererseits »christliche Werte« – und unterstützt, wie viele in seiner Partei, den Staat Israel. Entscheiden wird am Ende aber wohl die gesamte Kantonsregierung. Vielleicht lässt die sich ja dabei vom Namen des Ortes inspirieren, in dem sie ihre Entscheidung fällt: Sitten heißt auf Französisch nämlich Sion, auf Deutsch also »Zion«.

Spanien

Mallorca als Vorbild

Das Stadtparlament von Palma hat eine Antisemitismus-Resolution verabschiedet – anders als der Rest des Landes

von Sabina Wolf  26.07.2024

Sport

Der Überflieger

Artem Dolgopyat ist in Israel ein Star. Bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio gewann der Turner Gold, 2023 wurde er Weltmeister. Nun tritt er in Paris an

von Martin Krauß  26.07.2024

Europäisches Parlament

»Zittert. Das hier ist nur der Anfang«

Die frisch gebackene französische Abgeordnete Rima Hassan hetzt gegen Israel

von Michael Thaidigsmann  25.07.2024

Ausstellung

Olympioniken im KZ Buchenwald

Auf dem Ettersberg bei Weimar treffen unterschiedlichste Biografien aufeinander

von Matthias Thüsing  25.07.2024

Frankreich

»Man ist schließlich französisch«

Ganz Paris feiert die Olympischen Spiele. Ganz Paris? Nicht alle Juden fühlen sich vom erwünschten »Wir-Effekt« angesprochen. Denn das Land bleibt zerrissen

von Sophie Albers Ben Chamo  25.07.2024

USA

Die zweite Wahl?

Mit dem Rückzug von Joe Biden und der Kandidatur von Kamala Harris könnte das Rennen um die Präsidentschaft noch einmal richtig spannend werden

von Michael Thaidigsmann  24.07.2024

Jüdische Emigration

Die Niederlande - Ein Ort der Zuflucht für Juden?

Die Historikerin Christine Kausch nimmt das Leben jüdischer Flüchtlinge in den Blick

von Christiane Laudage  24.07.2024

Vor 80 Jahren

Von Rhodos nach Auschwitz

1944 wurden 2000 Jüdinnen und Juden von Rhodos nach Auschwitz deportiert. Nur wenige überlebten

von Irene Dänzer-Vanotti  23.07.2024

Jerusalem

Nach Gaza entführter Holocaust-Experte für tot erklärt 

Der Historiker Alex Dancyg ist in der Geiselhaft umgekommen

 22.07.2024