Spanien

Vor dem Plebiszit

Demo für die Unabhängigkeit der Region Foto: imago

»Über den 1. Oktober machen wir uns eigentlich keine Sorgen – aber was wird am Tag nach dem Referendum sein? Wenn schon die Politiker weder ein noch aus wissen, wie sollen dann wir Normalbürger aus alldem schlau werden? Vorerst bewahren wir die Ruhe«, beteuert der junge Journalist Victor Sorenssen, Sprecher der Comunidad Israelita de Barcelona.

Wie die gesamte katalanische Gesellschaft gespalten ist über die Frage, ob die Region unabhängig werden soll oder nicht, sind es auch die jüdischen Einwohner, die zum Großteil in Barcelona und Umgebung leben. Manche befürworten die Unabhängigkeit, andere unterstützen zwar die Volksabstimmung, aber nicht automatisch auch die völlige Souveränität der Region, und eine dritte Gruppe in der Gemeinde ist sowohl gegen das Referendum als auch gegen die Loslösung der autonomen Gemeinschaft Katalonien von Spanien.

Gemeinde In den vergangenen Wochen hat die Gemeindeführung viel unternommen, um die Mitglieder zu informieren. »Wir haben Treffen organisiert, um einiges aufzuarbeiten, und da konnte man sehen, wie zersplittert unsere Gemeinde in der Frage der Unabhängigkeit Kataloniens ist«, sagt Sorenssen. Er meint damit nicht nur die Mitglieder der Comunidad Israelita de Barcelona, der weitaus größten und ältesten Gemeinde in der katalanischen Hauptstadt, sondern auch die der zwei Reformgemeinden Bet Shalom und Atid.

Vorerst gibt es viele Fragen, die unbeantwortet bleiben und daher für Unsicherheit sorgen. Erstens sieht das spanische Grundgesetz keine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit einer der 17 Regionen und zwei autonomen Städte des Landes vor. Das katalanische Plebiszit wäre damit verfassungswidrig.

Zweitens bleibt es bis auf Weiteres unklar, wie sich die Europäische Union verhalten wird. Brüssel hat zwar mehrmals angedeutet, dass ein Alleingang Kataloniens ein wirklicher Alleingang wird: Die Region müsste die EU verlassen und einen Antrag auf Mitgliedschaft stellen. Das könnte Jahre in Anspruch nehmen. Katalonien müsste sich hinten anstellen, denn es gibt viele Anwärter. »Aber ob man den Brei tatsächlich so heiß isst, wie er gekocht wird, steht noch dahin«, sagt Sorenssen.

Anschlag Der in Venezuela gebürtige Sohn skandinavisch-mexikanischer Eltern denkt wie viele andere Juden nicht im Traum daran, seine Stadt zu verlassen. »Man kann hier gut leben. Ich bin schon fast 30 Jahre in Barcelona zu Hause. Daran wird eine etwaige Unabhängigkeit Kataloniens nichts ändern, und daran hat auch das Attentat nichts geändert.«

Im August waren bei einem islamistischen Terroranschlag auf der Flaniermeile La Rambla 15 Passanten getötet und mehr als 100 Personen zum Teil schwer verletzt worden. Wie die meisten Einwohner Barcelonas versucht Sorenssen, genauso weiterzuleben wie vor dem Anschlag. »Wenn ich jetzt meinen Lebensstil ändern würde, dann hätten die Attentäter erreicht, was sie wollten.«

Trotzdem ist die jüdische Gemeinschaft seit dem Anschlag deutlich wachsamer als vorher. »Was den Schutz unserer Einrichtungen betrifft, stehen wir in ständigem Kontakt mit den Behörden.« Aber alle seien der Meinung, dass Barcelona eine offene, multikulturelle Stadt ist, sagt Sorenssen. »Wir sind hier, und wir bleiben hier.«

Schweiz

Das Leben feiern

In diesem Jahr findet der ESC in Basel statt. Israel ist seit 1973 vertreten – ein persönlicher Rückblick

von Jan Feddersen  14.05.2025

Vatikan

Leo XIV. schreibt an Oberrabbiner in Rom

Eine seiner ersten persönlichen Botschaften hat Papst Leo XIV. an die Jüdische Gemeinde Rom geschickt. Und eine gute und enge Zusammenarbeit versprochen

von Anna Mertens  13.05.2025

Tschechien

Auf den Wegen der Prager Juden

Während immer wieder neue Formen des Erinnerns gefordert werden, hat in der Goldenen Stadt die Zukunft bereits begonnen

von Kilian Kirchgeßner  12.05.2025

Meinung

Codewort: Heuchelei

Nemo fordert den Ausschluss Israels beim ESC in Basel. Damit schadet die Siegerperson des vergangenen Jahres der Schweiz und der eigenen Community

von Nicole Dreyfus  11.05.2025

Eurovision Song Contest

Vorjahressieger Nemo gegen Teilnahme Israels am ESC

Für Israel tritt die Sängerin Yuval Raphael an, die die Terroranschläge auf Israel am 7. Oktober 2023 überlebte

 10.05.2025

USA

Juden in den USA wünschen sich Dialog mit neuem Papst

Anders als sein Vorgänger Franziskus hat sich Leo XIV. als Kardinal nicht mit israelkritischen Äußerungen zum Gazakrieg hervorgetan. Jüdische US-Organisationen hoffen auf einen guten Austausch mit dem neuen Papst

von Christoph Schmidt  09.05.2025

USA

Die Magie der Start-ups

Auch Arielle Zuckerberg mischt in der Hightech-Welt mit. Als Investorin ist die Schwester von Mark Zuckerberg derzeit zudem auf jüdischer Mission

von Paul Bentin  08.05.2025

Judenhass

Alarmierende Zahlen

J7 stellt ersten Jahresbericht über Antisemitismus in den sieben größten Diaspora-Gemeinden vo

 07.05.2025

Meinung

Null Toleranz für Gewaltaufrufe

Ein Großereignis wie der Eurovision Song Contest darf keine Sicherheitslöcher zulassen, findet unsere Schweiz-Redakteurin Nicole Dreyfus

von Nicole Dreyfus  07.05.2025