Paris

Urteil: Lebenslang für Mörder von Mireille Knoll

Vor drei Wochen benannte die Stadt Paris im Beisein der beiden Söhne Mireille Knolls eine Straße nach ihr. Foto: picture alliance / abaca

Am 23. März 2018 gegen 19 Uhr alarmierte eine Frau in einem Gebäude im 11. Stadtbezirk von Paris die Feuerwehr, weil aus der Nachbarwohnung Rauch drang. Als die Feuerwehrleute die Wohnung betraten, fanden sie die 85-jährige Mireille Knoll tot in ihrem Bett liegend.

Elf Mal war mit einem Messer auf sie eingestochen worden. Anschließend wurden in der 55 Quadratmeter großen Sozialwohnung mehrere Feuer gelegt und der Gasherd aufgedreht. Zu einer Explosion kam es nur deshalb nicht, weil der Gashahn der Wohnung geschlossen war.

morddrohungen Vor der grausamen Tat hatte Mireille Knoll Berichten zufolge mehrmals bei der Polizei vorgesprochen und von Morddrohungen eines Mannes gegen sie berichtet. Die Ermordung der alten Dame schockierte 2018 ganz Frankreich, nicht nur, weil sie offenbar antisemitisch motiviert war, sondern auch, weil Knoll 1942 als Jüdin nur knapp mit ihrer Mutter der Deportation durch die deutschen Besatzer nach Auschwitz entkommen war.

Zuletzt litt die alte Frau an Parkinson und konnte nur noch im Rollstuhl und in Begleitung ihre Wohnung verlassen. Dennoch galt sie in ihrer Nachbarschaft als freundliche und aufgeschlossene Dame.

Kurz nach dem Verbrechen konnte die Polizei zwei Tatverdächtige festnehmen. Einer der beiden Männer, Yacine Mihoub, kannte das Opfer gut, er hatte Knoll seit seiner Kindheit des Öfteren Besuche abgestattet und sah sie als eine Art Ersatz-Großmutter. Mihoub war Stunden vor dem Mord nachweislich in ihrer Wohnung. Seine Mutter wohnte in demselben Gebäude wie Knoll.

KONTEXT Mihoub war bereits vorbestraft, 2007 saß er wegen sexuellen Missbrauchs an einer Minderjährigen mehrere Monate lang im Gefängnis. Den zweiten Tatverdächtigen für den Mord an Mireille Knoll, Alex Carrimbacus, lernte er dort kennen.

Bei den Vernehmungen und auch während des Strafprozesses schoben die beiden Männer einander die Schuld für das Verbrechen zu. Die Anklage aber war sich sicher, dass Mihoub der Täter war. »Yacine Mihoub ist die einzige treibende Kraft hinter dem Tod von Mireille Knoll«, erklärte Staatsanwalt Jean-Christophe Muller in seinem Schlussplädoyer vor dem Schwurgericht am Dienstag.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Der heute 32-Jährige habe »im Kontext von Antisemitismus« gehandelt, »der ihn in allen Bereichen seines Handelns, seiner Entscheidungen und seiner Interessen kennzeichnet«, so Muller. Er forderte lebenslange Haft für Mihoub, wegen eines antisemitischen Mordes an einer schutzbedürftigen Person.

ÄUSSERUNGEN Der Hauptangeklagte wies die Anschuldigungen zurück. »Wir haben eine gute Zeit mit Frau Knoll verbracht. Es gab Alkohol, Zigaretten, mir ging es gut. Wir haben Portwein getrunken. Ich ging zwischen dem Wohnzimmer und dem Balkon hin und her. Ich habe sie weniger als fünf Minuten lang aus den Augen verloren.« In dieser Zeit, so Mihoub, habe Carrimbacus die Frau ermordet. Er gab aber zu, die Wohnung in Brand gesteckt zu haben – auf Drängen seines Freundes hin.

Den Vorwurf des Antisemitismus wies Mihoub ebenfalls weit von sich. Doch während des Prozesses sorgte er mit fragwürdigen Äußerungen zur Schoa für Aufsehen. »Waren es eine oder zwei Millionen Tote? Wir wissen es nicht. Wir können es nicht beweisen. Wir waren nicht dabei, weder du noch ich.«

ANKLAGE Carrimbacus und andere Zeugen sagten aus, Mihoub habe den Terroristen Amedy Coulibaly als »guten Kerl« bezeichnet. Coulibaly hatte 2015 in einem koscheren Supermarkt mehrere Geiseln genommen und vier Menschen getötet.

Carrimbacus selbst behauptete in dem Prozess vor dem Schwurgericht, er sei an jenem Tag von Mihoub eingeladen worden, gemeinsam mit ihm Mireille Knoll zu bestehlen. Er sei Zeuge ihrer Ermordung gewesen und habe Mihoub sein Feuerzeug ausgeliehen, um die Wohnung in Brand zu stecken. Auch für den zweiten Angeklagten forderte Jean-Christophe Muller 18 Jahre Gefängnis, wegen »Raubs mit Todesfolge«.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Beide Tatverdächtige äußerten in ihren Schlussworten am Mittwoch ihr Bedauern über den Mord an Mireille Knoll, beteuerten aber ihre eigene Unschuld und deuteten mit dem Finger auf den jeweils anderen.

geschworene Am Mittwochabend, nach zwei Wochen Prozess und mehreren Stunden Beratung, verkündete Richter Frank Zientara das Urteil der Geschworenen. Sie folgten dem Antrag der Staatsanwaltschaft und sahen die Schuld von Yacine Mihoub und auch sein antisemitisches Motiv als erwiesen an. Der 32-Jährige wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Auch Alex Carrimbacus erhielt eine lange Gefängnisstrafe: Er muss für den Raub mit Todesfolge 15 Jahre lang ins Gefängnis. Vom Vorwurf des Mordes sprach ihn das Gericht allerdings frei.

Einer der Enkel Mireille Knolls sagte nach der Verkündung des Urteils, man könne nun endlich die Phase der Trauer um seine Großmutter beginnen.

Sydney

54 Minuten Horror am Bondi Beach

Am 14. Dezember hat sich der schwerste antisemitische Anschlag auf australischem Boden ereignet. Unsere Korrespondentin berichtet über den schlimmsten Tag für die jüdische Gemeinschaft in Down Under

von Amie Liebowitz  17.12.2025

Meinung

Warum ich Sydney nicht verlassen werde

Der Terroranschlag von Bondi Beach wurde auch möglich, weil die Mehrheitsgesellschaft den Antisemitismus im Land ignoriert hat. Unsere Autorin sagt trotzdem: Ihre Heimat als Jüdin ist und bleibt Australien

 17.12.2025

Bulletin

Terrorangriff in Sydney: 20 Verletzte weiter im Krankenhaus

Fünf Patienten befinden sich nach Angaben der Gesundheitsbehörden in kritischem Zustand

 17.12.2025

Bondi Beach

Sydney-Attentäter wegen 15-fachen Mordes angeklagt

15-facher Mord, Terrorismus, Sprengstoffeinsatz - dem überlebenden Sydney-Attentäter werden 59 Tatbestände zur Last gelegt

 17.12.2025

Washington D.C.

Trump ruft zu Vorgehen gegen islamistischen Terror auf

Bei einer Chanukka-Feier im Weißen Haus spricht der Präsident den Hinterbliebenen der Opfer vom Anschlag in Sydney sei Beileid aus

 17.12.2025

Sydney

Trauer um Eli Schlanger: Opfer von Bondi Beach beigesetzt

Angehörige und Gemeindemitglieder trauern am Sarg des Rabbiners. Er ist eines von 15 Opfern des Massakers von Bondi Beach

 17.12.2025

Meinung

Der Stolz der australischen Juden ist ungebrochen

Der Terroranschlag von Sydney hat die jüdische Gemeinschaft des Landes erschüttert, aber resigniert oder verbittert ist sie nicht. Es bleibt zu hoffen, dass die Regierung künftig mehr für ihren Schutz tut

von Daniel Botmann  16.12.2025

Österreich

Neue Direktorin für das Jüdische Museum Hohenems

Historikerin Irene Aue-Ben-David übernimmt die Leitung und bringt internationale Erfahrung aus Jerusalem mit

von Nicole Dreyfus  16.12.2025

Basel

Mann wollte Juden während des ESC angreifen

Kurz vor dem »Eurovision Song Contest« in der Schweiz wurde ein 25-Jähriger wegen konkreter Gewaltdrohungen festgenommen und ausgewiesen

von Nicole Dreyfus  16.12.2025