Österreich

Urnengang mit Bauchschmerzen

Wahlplakate der ÖVP zur bevorstehenden Nationalratswahl Foto: dpa

Es ist nicht Martin Engelbergs erster Wahlkampf. Der Unternehmensberater, Psychoanalytiker und Publizist kämpfte vor fünf Jahren um Stimmen bei der Wahl der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG). Doch dieser Wahlkampf jetzt ist anders.

Engelberg drückt Unbekannten in U-Bahn-Stationen türkisfarbene Broschüren in die Hand und zieht von Tür zu Tür, um sich vorzustellen. »In der Früh ist man froh, wenn man nicht angeschnauzt wird«, sagt er. Wahlkämpfen ist ein harter Job, doch die Öffentlichkeit muss Engelberg kennenlernen. Denn diesmal kämpft der Mittfünfziger um einen Sitz im österreichischen Parlament. Am 15. Oktober ist Nationalratswahl. Engelberg steht auf Platz elf der »Liste Sebastian Kurz«, wie sich die Österreichische Volkspartei (ÖVP) neuerdings nennt.

Engelberg ist kein Parteimitglied, aber er unterstützt die Konservativen nicht zum ersten Mal. Schon 1983 stimmte er für die Christlich-Sozialen »als Protest gegen Bruno Kreisky«, wie er bei einer Abendveranstaltung im kleinen Rahmen in einem Wiener Traditionslokal erzählt. Kreiskys SPÖ war es, die 1983 eine Koalition mit der rechtspopulistischen FPÖ einging.

konservative Dass Engelberg nun den Einstieg in die österreichische Politik wagt, liegt an Österreichs Außenminister Sebastian Kurz, der seit Anfang Juli auch Chef der Konservativen ist. »Die Frage, wer aus jüdischer Perspektive wählbar ist, halte ich heute nicht mehr für angebracht«, meint Engelberg. Im Kreis der Unterstützer wird die rechte Koalition bei einem Glas Wein relativ ideologiebefreit diskutiert. Hier zählen die Prozentpunkte: Ein möglichst gutes Abschneiden der Konservativen sei die beste Waffe gegen eine einflussreiche FPÖ, ist sich die Runde sicher.

Nach Jahren einer zusehends gelähmten Großen Koalition gilt als ziemlich sicher, dass der Sieger mit der FPÖ koalieren wird. Die ÖVP macht aus ihrer Präferenz keinen Hehl; auch der amtierende sozialdemokratische Kanzler Christian Kern hat eine Kooperation nicht ausgeschlossen.

Antisemitismus Für die Sozialdemokraten sieht es derzeit jedoch gar nicht gut aus: Am vergangenen Wochenende wurde publik, dass ihr früherer Wahlkampfstratege, der mittlerweile in Israel unter anderem wegen des Verdachts der Geldwäsche verhaftete Tal Silberstein, Facebook-Seiten betrieb, die mit antisemitischer und rassistischer Hetze potenzielle Wähler der Konservativen vergraulen sollten.

Eine SPÖ, die mit Hassrede ihr Ansehen verbessern will; eine ÖVP, die gegen Muslime hetzt und zeitgleich das »jüdisch-christliche Erbe« beschwört: Die Parlamentswahl sorgt für Unruhe in der jüdischen Gemeinschaft. Unter den mehr als 8000 Juden in Österreich – die große Mehrheit lebt in Wien – galt die SPÖ lange als bevorzugte Partei. Doch ebenso wie in der Gesamtgesellschaft weichen auch in der Community die Lager auf.

Lesen Sie mehr dazu in unserer nächsten Printausgabe am 11. Oktober.

TV-Tipp

Ein Skandal ist ein Skandal

Arte widmet den 56 Jahre alten Schock-Roman von Philip Roth eine neue Doku

von Friederike Ostermeyer  21.11.2025

TV-Kritik

Allzu glatt

»Denken ist gefährlich«, so heißt eine neue Doku über Hannah Arendt auf Deutsch. Aber Fernsehen, könnte man ergänzen, macht es bequem - zu bequem. Der Film erklärt mehr als dass er zu begeistern vermag

von Ulrich Kriest  21.11.2025

Judenhass

»Wir wollen keine Zionisten«: Mamdani reagiert auf antisemitische Kundgebung vor Synagoge

Die Teilnehmer schrien unter anderem »Tod den IDF!« und »Globalisiert die Intifada!«

von Imanuel Marcus  21.11.2025 Aktualisiert

New York

Neonazi wollte als Weihnachtsmann jüdische Kinder mit Süßigkeiten vergiften

Der Antisemit soll zudem »Interesse an einem Massengewaltakt« gezeigt und Anleitungen zum Bau von Bomben geteilt haben. Nun wird er angeklagt

 21.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  20.11.2025

Philosophie

Hannah Arendt und die Freiheit des Denkens

Die politischen Katastrophen des 20. Jahrhunderts waren ihr Lebensthema. Sie sah ihre Aufgabe als politische Denkerin darin, die Welt und die Menschen zu verstehen. Die politische Theoretikerin starb vor 50 Jahren

von Jürgen Prause  20.11.2025

Russland

Der Vater der israelischen Rüstungsindustrie

Emanuel Goldberg war ein genialer Erfinder in der Weimarer Republik. Die Nazis sorgten dafür, dass er in Europa vergessen wurde. Doch bis heute macht der Mann aus Moskau Israel sicherer

von Leif Allendorf  20.11.2025

New York

Rekordpreis für »Bildnis Elisabeth Lederer« bei Auktion

Bei den New Yorker Herbstauktion ist wieder ein Rekord gepurzelt: Ein Klimt-Gemälde wird zum zweitteuersten je versteigerten Kunstwerk – und auch ein goldenes Klo wird für einen hohen Preis verkauft

von Christina Horsten  19.11.2025

Mexiko

Antisemitisches Graffiti gegen Claudia Sheinbaum sorgt für Empörung

Die Worte »puta judía« wurden auf Gebäude des Obersten Gerichtshofs geschmiert. Die jüdische Gemeinschaft des lateinamerikanischen Landes verurteilt den sich immer wieder äußernden Judenhass

 17.11.2025