Griechenland

Tragödie sucht Schuldige

Lehnen Hilfe des Internationalen Währungsfonds ab: Demonstranten in Athen Foto: dpa

Die jüdische Bevölkerung Griechenlands steht in diesen Tagen vor einer doppelten Herausforderung. Wie alle Griechen fürchten auch die Juden um ihre wirtschaftliche Existenz im verarmten Hellas. In der Krise jedoch hat die jüdische Gemeinde auch noch eine andere Sorge: Antisemitische und rassistische Tendenzen innerhalb der Bevölkerung nehmen zu.

Der Staatshaushalt des Landes ist ruiniert, die Prüfer des Internationalen Währungsfonds arbeiten zusammen mit Vertretern der EU an Sparmaßnahmen und sozialen Einschnitten, die Griechenland und seinen Bewohnern eine lange Zeit der Arbeitsplatzunsicherheit und soziale Unruhen versprechen.

Hausgemacht Internationale Medien verurteilen in ihren Berichten meist pauschal die gesamte Bevölkerung des Landes als arbeitsscheu, korrupt und verlogen. Die Krise sei hausgemacht, heißt es. Jahrzehntelang hätten die Griechen mithilfe europäischer Unterstützung in Saus und Braus gelebt, lautet der Tenor der meisten Berichte.

Dass dies nicht für alle Bewohner zutrifft, wird im üblichen Schlagzeilenjournalismus der heutigen Zeit meist verschwiegen. Gerade die jüdischen Gemeinden des Landes gehören zu den wenigen staatlichen Organisationen, die kaum Geld vom Staat erhalten haben. Von geringen Zuschüssen, wie zum Beispiel für das jüdische Museum in Athen abgesehen, finanzieren sich die Gemeinden selbst. Sie haben ein System organisiert, dass in Not geratene Menschen unterstützt. Der griechische Staat kennt keine vergleichbare soziale Absicherung. In der aktuellen Krise sind diese beispielhaften Gemeindestrukturen ein weiterer Anlass für Antisemiten, den Neid der übrigen Bevölkerung zu schüren.

Vetternwirtschaft Wie der größte Teil der griechischen Bevölkerung gehörten auch die jüdischen Gemeinden nicht zu den Nutznießern der katastrophalen Vetternwirtschaft. Dennoch leiden auch die griechischen Juden bei Auslandsreisen unter der kollektiven Verurteilung des Landes.

David Saltiel, Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Griechenland, deutete bereits im März in einem Interview mit der Jüdischen Allgemeinen an, dass er in der Krise einen Anstieg des Antisemitismus bemerke. Seitdem hat sich die wirtschaftliche Lage des Landes weiter verschlechtert, und rassistische Übergriffe sowie antisemitische Propaganda nehmen zu. Während Mainstream-Medien dies zum Anlass nehmen, um mit entsprechenden Artikeln oder Rundfunkbeiträgen einen Kontrapunkt zu setzen, nehmen Antisemiten diese Solidarität der Journalisten als weiteren Beleg für krude Verschwörungstheorien und behaupten, dass sich Politik, Journalisten und Juden gegen die Griechen verschworen hätten.

Obwohl kein einziger griechischer Jude in den vergangenen Jahrzehnten in hoher Position in einer Athener Regierung saß und sich nahezu alle namhaften Analysten einig sind, dass fast ausschließlich Fehler der griechischen Politik zum Desaster geführt haben, dient die jüdische Herkunft etlicher internationaler Finanzspekulanten als Beweis für eine Weltverschwörung. Dabei konzentrieren sich die Angriffe der Antisemiten sowohl aus dem rechten als auch aus dem linken politischen Lager hauptsächlich auf den Finanzmagnaten George Soros, der aus einer jüdischen Familie stammt. Die Juden des Landes betonen in diesem Klima noch häufiger als sonst, dass sie sich als patriotische Griechen sehen.

Großbritannien

Aufsicht rügt BBC wegen »schwerwiegender Irreführung«

Eine BBC-Doku aus Gaza drehte sich um den 13-jährigen Sohn eines hochrangigen Hamas-Funktionärs. Doch davon erfuhren die Zuschauer nichts. Jetzt beschloss die Ofcom Sanktionen gegen den Sender

 17.10.2025

Meinung

Das moralische Versagen der Linken

Wenn Antisemitismus offen auf der Straße marschiert, dann hört man aus den linken Reihen: nichts.

von Nicole Dreyfus  17.10.2025

USA

Auf der Suche nach dem »Jewish Glam«

Wie jüdische Fotografinnen und Fotografen Hollywood zu seinem berühmten Glamour verhalfen

von Ute Cohen  17.10.2025

Stockholm

Wirtschaftsnobelpreis geht auch an jüdischen Ökonom

Joel Mokyr, Philippe Aghion und Peter Howitt werden für ihre Forschung zu nachhaltigem Wachstum geehrt

 13.10.2025

Kommentar

Kein Wunder in Bern

Bei gewaltbereiten Demonstrationen in der Schweizer Bundeshauptstadt hat sich ein Teil der Palästina-Solidarität einmal mehr selbst entlarvt: Es ging nie darum, das Leid im Gazastreifen zu beenden oder einen angeblichen Genozid zu stoppen

von Nicole Dreyfus  12.10.2025

Malibu

Kiss-Sänger Gene Simmons bei Unfall verletzt

Der 76-Jährige soll hinter dem Steuer das Bewusstsein verloren haben

 10.10.2025

Meinung

Außen hui, innen pfui: Trumps Umgang mit den Juden

Während sich der US-Präsident um die Juden in Israel verdient macht, leidet die jüdische Gemeinschaft im eigenen Land unter seiner autoritären Innenpolitik. Das sollte bei aller Euphorie über den Gaza-Deal nicht vergessen werden

von Joshua Schultheis  09.10.2025

Literatur

Nobelpreis für Literatur geht an László Krasznahorkai

Die Literaturwelt blickt erneut gebannt nach Stockholm. Dort entscheidet man sich diesmal für einen großen Schriftsteller aus Ungarn - und bleibt einem Muster der vergangenen Jahre treu

von Steffen Trumpf  09.10.2025

Italien

»Mein Sohn will nicht mehr Levy heißen«

Wie ist es in diesen Tagen, Jude in einer europäischen Metropole zu sein? Ein Besuch bei Künstler Gabriele Levy im jüdischen Viertel von Rom

von Nina Schmedding  06.10.2025