Antisemitische Ausfälle, die sich bei einer Vatikan-Konferenz vergangene Woche zugetragen haben sollen, sind laut dem Salzburger Theologen Gregor Maria Hoff keine Einzelfälle. Der Eklat, den der Schweizer Jesuit Mario Imperatori auslöste, als er in seinem Vortrag eine Ähnlichkeit zwischen dem Vorgehen Israels im Gaza-Krieg und dem Genozid an den Juden im Dritten Reich behauptete, sei nur ein Beispiel eines offenkundigen gedankenlosen Umgangs mit antijudaistischen und antisemitischen Relikten in der Theologie, schreibt Hoff in der Wochenzeitung »Die Furche« (online).
Bei der Konferenz hat es laut Hoff einen weiteren Eklat gegeben: Ein Schweizergardist soll in Richtung von Mitgliedern einer jüdischen Delegation gespuckt haben. Beide Vorfälle ereigneten sich demnach im Rahmen der jüngsten Tagung über 60 Jahre Konzilsdokument »Nostra aetate« an der Päpstlichen Universität Gregoriana, die auch eine Begegnung der Teilnehmer mit Papst Leo XIV. beinhaltete. Auf dem Weg dorthin habe ein Gardist zwei Mitglieder der jüdischen Delegation in verächtlichem Ton als »Juifs« (Juden) bezeichnet und in ihre Richtung gespuckt.
Die Päpstliche Schweizergarde bestätigte auf Anfrage der Wiener Nachrichtenagentur Kathpress am Dienstag, dass es einen Vorfall »an einem der offiziellen Eingänge des Vatikan« gegeben habe, der derzeit untersucht werde. »Die Meldung steht in Zusammenhang mit einer Bitte um ein Foto mit dem diensthabenden Gardisten und wird derzeit intern überprüft«, erklärte Garde-Sprecher Eliah Cinotti. Sollte ein Fehlverhalten seitens des Mitarbeiters festgestellt werden, »hätte dies selbstverständlich Konsequenzen«, so der Sprecher.
»Skandal ersten Ranges«
Der Theologe Hoff schrieb, ein solcher Vorfall im Umfeld des Papstes und vor dem Hintergrund der Erinnerung an das Konzilsdokument »Nostra aetate« stelle einen »Skandal ersten Ranges« dar. Auch dies sei eine »Entgleisung einer Einzelperson«. Doch man müsse fragen, »warum sich ausgerechnet in diesem Kontext solche Vorfälle ereignen«.
Die beiden Vorfälle bei der Konferenz zeigten, dass der grundlegende Wechsel der Israel-Theologie, den »Nostra aetate« - gleichsam eine »theologische Grundsatzerklärung« - gebracht habe, noch nicht überall theologisch wie kirchlich rezipiert worden sei, so Hoff weiter. Dabei gehöre die Erinnerung an die eigene jüdische Herkunft zur Identität der Kirche. Diese Erinnerung eröffne »den Raum für einen von Juden und Christen geteilten Glauben an den Gott Israels - in allen Unterschieden, die bleiben«.
»Absichtserklärung mit beschränkter Haftung«
Die kirchenamtlichen Äußerungen seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel vor zwei Jahren hätten indes immer wieder für Irritationen gesorgt, wo sie eine »notwendige Klarheit« in der Benennung der Verantwortung der Hamas vermissen ließen, führt Hoff aus. Die Solidarität mit Israel und dem Judentum habe sich so »als Absichtserklärung mit beschränkter Haftung« erwiesen.
Papst Leo XIV. habe es erfreulicherweise bei der Tagung nicht an Klarheit mangeln lassen und jeder Form von Antisemitismus eine klare Absage erteilt. Doch »theologische Grundsatzerklärungen sind das eine, die gelebte Solidarität der Kirche das andere«, bilanziert der Theologe. Es gelte, »konsequent mit den Relikten des kirchlichen Antijudaismus aufzuräumen«. kna