Schweiz

Streitpunkt Organspende

Modell kranker Nieren Foto: imago images/Science Photo Library

Es ist ein heiß diskutiertes Thema in vielen Ländern: Dürfen Mediziner einer verstorbenen Person Organe, Gewebe oder Zellen entnehmen? Sie wollen damit einerseits der Wissenschaft dienen und andererseits auch Leben retten, indem Organe an Menschen, die diese benötigen, abgegeben werden.

Wie viele westeuropäische Länder, darunter auch Deutschland, kennt die Schweiz bis jetzt die sogenannte Zustimmungslösung. Das heißt: Die Entnahme von Organen darf nur dann erfolgen, wenn die verstorbene Person dem zu ihren Lebzeiten ausdrücklich schriftlich zugestimmt hat oder – falls dies nicht der Fall ist – eine solche Zustimmung bei den Angehörigen eingeholt wird.

KOMPROMISS Am Sonntag wird in der Schweiz über diese schwierige Frage abgestimmt. Die Vorlage, die den Stimmberechtigten vorgelegt wird, ist ein typisch gutschweizerischer Kompromiss: Es handelt sich um den Gegenvorschlag der Berner Regierung zu einer Initiative, welche die Zustimmungslösung ebenfalls aufheben wollte – allerdings ohne dass die Angehörigen kontaktiert werden müssten, falls der Verstorbene keine Willensäußerung hinterlassen hat. Diese Initiative ging vielen Politikern, die grundsätzlich auch eine Änderung der geltenden Regelung anstreben, jedoch zu weit, und so entstand der aktuelle Kompromissvorschlag.

Die meisten Religionsgemeinschaften lehnen die Widerspruchslösung aus ethischen Gründen ab.

Die meisten Religionsgemeinschaften lehnen die Widerspruchslösung aus ethischen Gründen ab. Doch die jüdische Gemeinschaft ist in dieser Frage anders positioniert: Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG), die jüdische Dachorganisation des Landes, hat Stimmfreigabe beschlossen.

In der Schweiz geben Parteien und Verbände zu den Abstimmungsvorlagen Leitsätze heraus, die von den Stimmenden mehr oder weniger befolgt werden.

Dass sich der SIG in dieser Frage im Vergleich zu christlichen und muslimischen Organisationen anders positioniert, hat auch halachische Gründe: »Im Judentum steht der Schutz des Lebens über allem«, sagt Jonathan Kreutner, Generalsekretär des SIG zur Stimmfreigabe. Und selbstverständlich gehe man davon aus, dass eine Entnahme von Organen ausschließlich dazu diene, anderen Personen, die auf ein solches Organ angewiesen sind, zu helfen und deren Leben zu verlängern.

HIRNTOD Entscheidend ist die Feststellung des Hirntods. »Dieser genügt nach Ansicht vieler jüdischer Gelehrter als halachische Grundlage, damit eine Organentnahme erfolgen kann«, sagt Rabbiner Mosche Baumel von der Israelitischen Gemeinde Basel, der sich mit der Vorlage befasst hat und die Organspende gutheißt.

Bedingung sei jedoch, dass durch die Organentnahme tatsächlich ein konkretes Leben gerettet werden kann, betont Baumel. Ob die Person, die das Organ bekommt, jüdisch ist oder nicht, spiele keine Rolle. Eine Organspende für nur allgemein definierte Zwecke wie »für die Wissenschaft« sei halachisch dagegen klar verboten.

Wichtig sei aber auch, so betont Rabbiner Baumel weiter, dass die Familie des Verstorbenen und der behandelnde Arzt in engem Kontakt mit einem Rabbiner sind, der ihnen nahesteht. »Eine Organentnahme, ohne dass die Angehörigen konsultiert worden sind, verbietet die Halacha«, so Baumel.

vorgaben Trotz dieser Vorgaben lehnt Doktor A., der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, die Kompromisslösung ab. Der praktizierende Arzt ist Mitglied einer jüdischen Gemeinde und werde auf jeden Fall mit »Nein« stimmen, sagt er im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen. Er selbst sei persönlich bereit, nach seinem Tod Organe einem anderen Menschen zu spenden, »aber ich finde, einem so großen Eingriff muss der Verstorbene zu Lebzeiten ausdrücklich zugestimmt haben«.

Eine Mehrheitshaltung scheint dies jedoch nicht zu sein. Laut Prognosen wird die Vorlage am Sonntag an der Urne durchkommen.

Kommentar

Müssen immer erst Juden sterben?

Der Anschlag von Sydney sollte auch für Deutschland ein Weckruf sein. Wer weiter zulässt, dass auf Straßen und Plätzen zur globalen Intifada aufgerufen wird, sollte sich nicht wundern, wenn der Terror auch zu uns kommt

von Michael Thaidigsmann  14.12.2025

Meinung

Blut statt Licht

Das Abwarten, Abwiegeln, das Aber, mit dem die westlichen Gesellschaften auf den rasenden Antisemitismus reagieren, machen das nächste Massaker nur zu einer Frage der Zeit. Nun war es also wieder so weit

von Sophie Albers Ben Chamo  14.12.2025 Aktualisiert

Anschlag in Sydney

Felix Klein: »Von Terror und Hass nicht einschüchtern lassen«

Zwei Männer töten und verletzen in Sydney zahlreiche Teilnehmer einer Chanukka-Feier. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung äußert sich zu der Tat

 14.12.2025

Terror in Sydney

Zivilist entwaffnet Angreifer und wird als »Held« gefeiert

Zwei Männer schießen auf Teilnehmer einer Chanukka-Feier in Sydney: Es gibt Tote und Verletzte. Ein Video soll nun den mutigen Einsatz eines Passanten zeigen

 14.12.2025

Australien

Merz: »Angriff auf unsere gemeinsamen Werte«

Bei einem Anschlag auf eine Chanukka-Feier in der australischen Metropole gab es viele Tote und Verletzte. Der Bundeskanzler und die Minister Wadephul und Prien äußern sich zu der Tat

 14.12.2025 Aktualisiert

Terror in Sydney

Zentralrat der Juden: »In Gedanken bei den Betroffenen«

Der Zentralrat der Juden und weitere jüdische Organisationen aus Deutschland äußern sich zu dem Anschlag auf eine Chanukka-Feier im australischen Sydney

 14.12.2025 Aktualisiert

Australien

16 Tote bei antisemitischem Massaker in Sydney

Australien ist im Schockzustand: Zwei Attentäter schossen am Sonntag auf Juden, die sich in Bondi Beach zu einer Chanukka-Feier versammelt hatten

von Michael Thaidigsmann  14.12.2025 Aktualisiert

Australien

Judenfeindlicher Terroranschlag in Sydney: Zwei Personen in Polizeigewahrsam

Die Polizei ruft nach dem Angriff in Sydney dazu auf, das Gebiet des Angriffs weiter zu meiden. Der Einsatz dauere an

 14.12.2025

Terror

Medienberichte: Terroranschlag in Australien bei Chanukka-Feier

Die Polizei warnt vor einem »sich entwickelnden Vorfall« am Bondi Beach. Ersten Berichten zufolge soll das Ziel ein Chanukka-Fest gewesen sein. Australische Medien berichten von mehreren Opfern

von Denise Sternberg  14.12.2025 Aktualisiert