Kais Saied

Verwirrung über angebliche antisemitische Äußerung

Tunesiens Präsident gilt als Kritiker Israels, bestreitet aber, sich antisemitisch geäußert zu haben Foto: imago images/photothek

Tunesiens Präsident Kais Saied ist seit einiger Zeit ein erklärter Gegner Israels. Diese Woche machte er aber mit einer - von ihm bestrittenen - Äußerung von sich reden. Das Präsidentenbüro breöffentlichte ein Video auf der Facebook-Seite des Staatschefs, das Saied zeigt, wie er auf der Straße angeregt mit Bürgern über die aktuelle politische Situation diskutiert.

BEDROHUNG Berichten zufolge war er auf dem dreiminütigen Clip der Präsident mit den Worten zu vernehmen, Juden (»Al-Jahud«), seien für die angespannte Lage in Tunesien mitverantwortlich.

Der Präsident der Europäischen Rabbinerkonferenz, Moskaus Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt, gab ein Statement heraus, in dem er das seit 2019 amtierende Staatsoberhaupt scharf kritisiert. »Wir fordern ihn auf, diese Äußerungen, die eine unmittelbare Bedrohung für die Unversehrtheit der jüdischen Bürgerinnen und Bürger in Tunesien darstellt, zurückzunehmen.«

http://facebook.com/watch/?v=457045205475637

Die Regierung müsse »die Sicherheit der jüdischen Gemeinde in Tunesien garantieren und solche antisemitischen Äußerungen sofort einstellen. Solche falschen Anschuldigungen bedrohen die Integrität einer der ältesten jüdischen Gemeinden der Welt«, so Goldschmidt weiter. In dem 11,5 Millionen Einwohner zählenden Land am Mittelmeer leben heute noch rund 1500 Juden, die meisten von ihnen in der Hauptstadt Tunis und auf der Insel Djerba.

DEMENTI Am Mittwoch rief Saied dann den Oberrabbiner von Djerba, Haim Bitan, an. Wenig später folgte eine schriftliche Stellungnahme des Präsidialbüros, in dem der Behauptung, Saied habe sich antisemitisch geäußert, entschieden widersprochen wird. »Wer den Äußerungen des Präsidenten in Mnihla genau zugehört hat, wird feststellen, dass das, was da propagiert wurde, nichts als Lügen sind. Allah, der Allmächtige, sagte: Unter ihnen gibt es einige, die auf dich hören; aber wir haben Schleier auf ihre Herzen geworfen, so dass sie es nicht verstehen, und Taubheit in ihre Ohren«, so das Communiqué des Präsidentenbüros wörtlich.

Auch die tunesische Faktencheck-Plattform Falso erklärte, nach Auswertung des Videomaterials sei man zu dem Schluss gekommen, dass Saied tatsächlich »Hal Jahun« gesagt habe, eine rhetorische Frage, die »Ist das akzeptabel?« bedeutet.

Tunesien begeht aktuell das Jubiläum der friedlichen Revolution von 2010/2011, in der das autoritär regierende Regime des Präsidenten Zine el-Abidine Ben Ali von der Macht vertrieben wurde. Im vergangenen Jahr kam es im Zuge der Corona-Krise und des ausbleibenden Tourismus zu einer Verschärfung der wirtschaftlichen und sozialen Probleme des Landes. Auch politisch wurde die Lage instabiler, nicht zuletzt aufgrund von Spannungen zwischen dem Präsidenten Saied und dem Regierungschef Hichem Mechichi.

ISRAEL Im Vorfeld seiner Wahl zum Präsidenten 2019 hatte der Verfassungsrechtler Saied mehrfach mit dezidiert antiisraelischen Aussagen für Aufsehen gesorgt. Verbindungen mit Israel seien als »Hochverrat« zu werten, Tunesien befände sich im Krieg mit dem jüdischen Staat. Nur Juden ohne »Beziehungen zu den Zionisten« und ohne israelische Pässe sollten künftig die Synagogen in Tunesien besuchen, sagte er damals.

Hunderte Israelis tunesischer Herkunft pilgern alljährlich nach Djerba, um dort die Ghriba-Synagoge zu besuchen. Bei einem Besuch des jüdischen Viertels auf der Insel hatte der Staatspräsident erklärt, die tunesischen Juden seien Bürger mit gleichen Rechten und Pflichten wie alle anderen Tunesier.

Man müsse aber unterscheiden zwischen der jüdischen Religion und der »zionistischen Bewegung«, die die Vertreibung der Palästinenser verursacht habe und sie ihres Landes beraubt habe. »Die Zeit für die gesamte Menschheit ist gekommen, dieses Unrecht zu beenden«, so Saied im März 2020. Auch in der am Mittwoch vom Präsidialbüro veröffentlichten Erklärung unterstrich Saied diese Haltung: »Die Position des Präsidenten der Republik ist in dieser Hinsicht klar, da er zwischen dem Judentum auf der einen und dem Zionismus auf der anderen Seite differenziert.« mth

Bundesamt für Statistik

Dieser hebräische Vorname ist am beliebtesten bei Schweizer Eltern

Auch in der Schweiz wählen Eltern weiterhin häufig biblische Namen für ihr Neugeborenes

von Nicole Dreyfus  09.09.2025 Aktualisiert

Belgien

Aus der Straße des Antisemiten wird die Straße der Gerechten

In Brüssel gibt es jetzt eine Rue Andrée Geulen. Sie ist nach einer Frau benannt, die im 2. Weltkrieg mehr als 300 jüdische Kinder vor den deutschen Besatzern rettete. Doch bei der Einweihung herrschte nicht nur eitel Sonnenschein

von Michael Thaidigsmann  08.09.2025

Vuelta

Spanischer Radprofi Romo stürzt wegen Protestaktion

Die »propalästinensischen« Proteste bei der Spanien-Rundfahrt nehmen kein Ende. Auf der 15. Etappe ist es zu Stürzen gekommen

 07.09.2025

Österreich

Eine Legende feiert den jüdischen Zusammenhalt

Vor genau 100 Jahren wurde der SC Hakoah erster Profi-Fußballmeister. Der Verein hatte damals eine Mannschaft von Weltrang. Es gibt ihn nach wie vor – nur etwas anders

von Stefan Schocher  07.09.2025

London

Heftige Gewalt gegen Beamte bei »propalästinensischem« Protest

Bei »propalästinensischen« Protesten kam es im Herzen Londons zu heftigen Ausschreitungen gegen Polizisten

 07.09.2025

Mallorca

»Die Freitagsgottesdienste sind sehr gut besucht«

Der neue Rabbiner Eliahu Bar-Geva über Gemeinsamkeiten und seine Pläne für die Zukunft der jüdischen Gemeinde auf der Ferieninsel

von Linn Vertein  07.09.2025

Fürth

Ruth Weiss ist gestorben

Sie engagierte sich ihr Leben lang gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit. Nun ist die in Franken geborene Schriftstellerin mit 101 Jahren gestorben

 05.09.2025 Aktualisiert

USA

Aus Prinzip einfach

Wie die Kochbuchautorin Adeena Sussman die jüdische Küche noch populärer macht

von Sarah Thalia Pines  04.09.2025

Der Vorfall ereignete sich vergangene Woche im AZ Zeno Campus-Krankenhaus in Knokke-Heist in Belgien.

Belgien

Antisemitischer Arzt diskriminiert jüdisches Mädchen

Der Radiologe notierte auf dem Diagnoseblatt »jüdisch (Israel)« und teilt in seinen Social-Media-Konten antisemitische Karikaturen

von Nicole Dreyfus  02.09.2025