Mexiko

Stadt der Tora

Auf 50 Hektar Land soll die Stadt entstehen. Foto: Ciudad de la Torah

Mit einem mehrstündigen Festakt und dem Auftritt von vier bekannten Interpreten jüdisch-orthodoxer Musik, Yaakov Shwekey, Mordechai Ben David, Avraham Fried und Motty Steinmetz, in Begleitung der mexikanischen Philharmoniker und eines großen Kinderchores, wurde kürzlich in Mexiko die Grundsteinlegung der ersten »Stadt der Tora« (Ciudad de la Torá) gefeiert. In der Nähe der Kleinstadt Ixtapan de la Sal, rund 135 Kilometer südwestlich von Mexiko-Stadt, im Bundesstaat Estado de México, soll in den kommenden Jahren die erste fast ausschließlich von Ultraorthodoxen bewohnte Ortschaft Lateinamerikas entstehen.

»Wir wollen etwas Ähnliches wie Lakewood etablieren, mit noch besseren materiellen Bedingungen«, sagt Moises Shemaria, einer der Initiatoren des Projekts, gegenüber dem mexikanischen Onlineportal Diario Judío.
Lakewood ist eine Gemeinde im US-Bundesstaat New Jersey mit einem hohen Anteil an Charedim. »Die Talmudstudenten werden in der Lage sein, ihr Leben der Tora zu widmen und an dem besten Ort zu leben, um dieses Ziel zu erreichen. Sie werden auch die besten Möglichkeiten für jüdische Bildung und jüdisches Leben haben«, entwirft der 54-jährige Geschäftsmann und Philanthrop aus Mexiko-Stadt eine Zukunftsvision.

gründungsmythos Wie bei Projekten solcher Art üblich, gibt es auch einen Gründungsmythos. Laut Diario Judío suchte die jüdische Kinderbildungseinrichtung Derej Emes während der Pandemie einen Studienort für ihre Schüler in einer isolierten Umgebung mit maximalen Hygienemaßnahmen. Sie fand ihn nahe der prähistorischen Ruinenstadt Teotihuacán nördlich von Mexiko-Stadt.

Daraus entstand die Idee, nicht nur eine Schule, sondern eine ganze Stadt zu haben, die es auch orthodoxen Paaren ermöglichen würde, leichter ein Leben unter Beachtung aller Regeln der Halacha zu führen. Also wurde für die »Stadt der Tora« ein 50 Hektar großes Landstück in der Nähe von Ixtapan de la Sal erworben. Die fertige Stadt soll einmal ein dreimal so großes Gebiet umfassen.

Es entstand die Idee, nicht nur eine Schule, sondern eine ganze Stadt zu haben, die es auch orthodoxen Paaren ermöglichen würde, leichter ein Leben unter Beachtung aller Regeln der Halacha zu führen.

»Die Tora-Stadt, die wir errichten, wird die schönste der Welt sein«, verspricht Shemaria, der sein Geld als Immobilienunternehmer und Besitzer einer bekannten Restaurantkette gemacht hat. »Es wird eine grüne und ökologische Stadt sein. Jedes Haus wird seinen eigenen Hof haben.« Dies sei für ihn und seine Projektpartner von grundlegender Bedeutung. Ein am Reißbrett entworfenes jüdisch-orthodoxes Utopia.

etappen Der Bau werde in Etappen erfolgen. Los geht es mit 40 Häusern; in drei Jahren sollen die ersten 120 Familien einziehen. »Wir planen den Bau von Synagogen (sowohl sefardische als auch aschkenasische), einer Jeschiwa, von Kindergärten, einer Grundschule und einigen Kolelim (Einrichtungen für Talmudgelehrsamkeit). Und das alles bereits in der ersten Stufe«, sagt Shemaria. »Auch hier verpflichten wir uns im Voraus: Jedes Kolel, das sich entschließt, eine Zweigstelle in unserer Stadt zu gründen, erhält von uns die notwendige Fläche – und zwar völlig kostenlos.« Später sollen Mikwe, Gesundheitszentren, Läden, ein Auditorium, Veranstaltungssäle, ein Sportzentrum und öffentliche Parks hinzukommen.

»Wir machen keine Spielchen oder Witze«, sagt der Geschäftsmann und verspricht günstige Konditionen, in der Hoffnung, Charedim aus Mexiko und ganz Lateinamerika anzuziehen. »Unsere Brüder aus Argentinien, Venezuela, Panama, Chile und anderen Ländern verdienen es, an einem erstklassigen Ort der Tora zu leben.«

Seine Klientel könne sich vielleicht kein Ein-Millionen-Dollar-Apartment in Lake­wood leisten – in der Ciudad de la Torá aber gebe es Häuser ab 120.000 US-Dollar, so Shemaria. Die ersten seien bereits verkauft, ließ Shemaria in seiner Rede bei der Grundsteinlegung anklingen. In der überwiegend liberalen jüdischen Gemeinde Mexikos mit ihren 40.000 bis 70.000 Mitgliedern – genaue Zahlen gibt es nicht – ist die geplante Tora-Stadt allerdings kein Thema. Viele hören durch die Anfrage der Jüdischen Allgemeinen das erste Mal von den Plänen.

»Ich habe keine Ahnung«, reagiert Mónica Unikel-Fasja, Koordinatorin der Nidjei-Israel-Synagoge im historischen Zentrum von Mexiko-Stadt und sehr aktiv in der Gemeinde, völlig überrascht. Und mit einem Lachen fügt sie hinzu: »Das ist von einer anderen Welt.«

Jom Haschoa

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