Paris

Spielfrei an Jom Kippur

Seine größte Sorge vor den French Open sei der erste Corona-Test gewesen. Dies sagte Diego Schwartzman, einer der besten jüdischen Tennisspieler aller Zeiten, vor dem dritten Grand-Slam-Turnier des Jahres. Wegen der Corona-Pandemie fand der Wettkampf in Paris dieses Jahr nicht wie üblich im Frühsommer statt, sondern hat erst vergangenen Sonntag begonnen und geht bis zum 11. Oktober.

Warum er so besorgt war vor dem Test zu Turnierbeginn, erklärte Schwartzman nach der Siegerehrung des Vorbereitungsturniers in Rom. Er bemängelte, dabei mit so vielen Leuten von außerhalb der »Turnierblase« in Kontakt gekommen zu sein. »Es gibt Menschen, die dich umarmen – die Spieler haben Panik. … Aber was dich am meisten erschreckt, ist der erste Test bei Turnieren. Du wartest auf diese Mail und öffnest sie mit einer schrecklichen Angst.«

finale In Rom war Schwartzman erst im Finale dem Weltranglistenersten Novak Djokovic unterlegen. Auf dem Weg dahin hatte er unter anderem Rafael Nadal besiegt, den besten Sandplatzspieler der Welt. Vor allem diese Partie (»Ganz sicher mein bestes Match ever!«) gibt dem 28-Jährigen viel Selbstvertrauen für die French Open.

Das Tennisspielen erlernte »el Peque«, der Kleine, wie Schwartzman auch genannt wird, im Club Náutico Hacoaj, einem in den 30er-Jahren von und für Juden gegründeten Klub in Buenos Aires, als Juden von anderen Klubs in der argentinischen Hauptstadt ausgeschlossen waren.

Mit nur 1,68 Meter Körpergröße ist Schwartzman der mit Abstand kleinste Spieler in den Top 100. Zum Tennis kam er durch seine Mutter Silvana, die selbst auf Amateurniveau gespielt hat.

familie Als jüngstes von vier Geschwistern wuchs Schwartzman in einer jüdischen Familie in Buenos Aires auf. Die Vorfahren stammen aus Deutschland, Polen und Russland und waren vor der Schoa nach Südamerika geflüchtet. Über die Holocaust-Geschichte seiner Familie hat er ein Buch geschrieben. Jahrelang war Schwartzman, derzeit Nummer 14 auf der Weltrangliste, der beste jüdische Tennisspieler der Welt.

Jahrelang war Schwartzman, derzeit Nummer 14 auf der Weltrangliste, der beste jüdische Tennisspieler der Welt.

Derzeit aber ist ein anderer noch besser platziert: Der 21-jährige Kanadier Denis Shapovalov steht nach seiner Viertelfinal-Teilnahme bei den US Open auf Rang elf, drei Plätze vor Schwartzman. Beide gehören zu den Geheimfavoriten in Paris.

ISRAEL Shapovalov wurde in Tel Aviv geboren. Seine Mutter, Tessa Shapovalova, ist eine frühere sowjetische Mannschaftsmeiste­rin im Tennis. Nach dem Zusammenbruch der UdSSR emigrierten sie und ihr nichtjüdischer Mann zunächst nach Israel.

Als Denis neun Monate alt war, verließ die Familie Israel und ging nach Kanada. In Toronto arbeitete Tessa zunächst als Tennislehrerin; später gründete sie eine Tennis-Akademie, in der sie auch ihrem Sohn die mächtige einhändige Rückhand und seinen gewaltigen Aufschlag beibrachte, die ihn in die Weltspitze führten.

Obwohl in Tel Aviv geboren, ist unklar, wie eng Denis Shapovalov mit Israel und dem Judentum verbunden ist. »Meine Eltern hatten ein hartes Leben, und ich res­pektiere, was sie getan haben. Ich liebe es, für Kanada zu spielen, aber ich bin mit israelischen Tennisspielern befreundet«, so Shapovalov. Bei seinen Matches trägt er ein Kreuz um den Hals. »Denis identifiziert sich mit der Religion seines Vaters, aber für mich ist er jüdisch«, sagt seine Mutter.

rücksicht Zu Jom Kippur, am Montag, hatten sowohl Schwartzman als auch Shapovalov bei den French Open spielfrei. Ob man die beiden aus Rücksicht auf das Versöhnungsfest nicht angesetzt hatte, teilte die Turnierleitung auf Anfrage der Jüdischen Allgemeinen nicht mit.

Während Shapovalov sich am Dienstagabend in seiner Erstrundenpartie gegen Lokalmatador Gilles Simon dreieinhalb Stunden lang bei trübem Herbstwetter zum Erfolg mühte (6:2, 7:5, 5:7, 6:3), steht Schwartzman bereits in Runde drei und zeigte bei seinen beiden souveränen Siegen gegen den Serben Miomir Kecmanovic (6:0, 6:1, 6:3) sowie den Italiener Lorenzo Giustino (6:1, 7:5, 6:0), dass man ihn auf der Rechnung haben sollte. Und seine größte Sorge, den ersten Corona-Test, ist Schwartzman nun auch los.

Schweiz

Antisemitische Hetze in Zürich

In den Stadtvierteln Enge und Wollishofen, wo viele Juden leben, sind israelfeindliche Plakate an öffentlichen Orten aufgetaucht

 29.08.2025

Würdigung

Tapfer, klar, integer: Maram Stern wird 70

Er ist Diplomat, Menschenfreund, Opernliebhaber und der geschäftsführende Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses. Zum Geburtstag eines Unermüdlichen

von Evelyn Finger  29.08.2025

Russland

Die Angst vor den Worten

Alla Gerber ist mit 93 Jahren immer noch eine gewichtige Gegenstimme in Putins Reich. Ein Besuch bei der Moskauer Journalistin und Publizistin

von Polina Kantor  28.08.2025

Shlomo Graber anlässlich eines Vortrags in einer Schule in Rosenheim im Jahr 2017.

Nachruf

Der Junge mit der Nummer 42649

Mit Shlomo Graber ist einer der letzten Holocaust-Überlebenden der Schweiz im Alter von 99 Jahren verstorben

von Nicole Dreyfus  27.08.2025

Atlanta

Woody Allen verteidigt Auftritt bei Moskauer Filmfestival

In einem CNN-Interview legt der Regisseur und Schauspieler dar, warum er an dem russischen Event teilnahm

 27.08.2025

Cerro Pachón

Vera Rubin Observatory startet wissenschaftliche Mission  

Die nach einer jüdischen Wissenschaftlerin benannte Sternwarte auf einem Berg in Chile läutet eine neue Ära der Astronomie ein

von Imanuel Marcus  27.08.2025

Paris

Wegen Brief zu Antisemitismus: Frankreich bestellt US-Botschafter ein

Weil er den französischen Behörden Versäumnisse im Vorgehen gegen Judenhass vorgeworfen habe, soll Charles Kushner heute im Außenministerium erscheinen

 25.08.2025

Frankreich

Freizeitpark-Chef verwehrt israelischen Kindern den Zutritt

Der Betreiber des Parks hatte 150 israelische Kinder weggeschickt. Nun wurde er wegen Diskriminierung angeklagt. Ihm drohen bis zu fünf Jahre Haft

 24.08.2025

Literatur

Vitaler Verteidiger der Freiheit

Zu seinem 96. Geburtstag beschenkt der wachsame Jahrhundertzeuge Paul Lendvai seine Leser mit einem neuen Buch

von Marko Martin  24.08.2025