Schweiz

Spätes Erinnern

Ein möglicher Standort des Mahnmals: der Platz vor dem Bundeshaus in Bern Foto: imago images/Andreas Haas

Ein Schoa-Denkmal mitten im Zentrum der Hauptstadt: Wer von der Idee hört, dass auch die Schweiz endlich ein nationales Denkmal erhalten soll und die Dimension des Berliner Holocaust-Mahnmals im Hinterkopf hat, liegt falsch.

Zwar ist Bern, die Hauptstadt, als Standort eines solchen Mahnmals ziemlich unumstritten, aber damit hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf. Denn die eidgenössische Variante einer solchen Gedenkstätte kommt deutlich bescheidener und leichtgewichtiger daher als ähnliche Monumente in anderen Ländern.

Initiatoren »Ein Gedenkort im öffentlichen Raum« soll es nach dem Willen der Initiatoren sein und dies »in Form einer künstlerischen Intervention«, ergänzt durch einen weiteren Ort, der mit Dauer- und Wechselausstellungen Wissen über die Zeit des Nationalsozialismus vermittelt.

Zu den 50 Initiatoren gehört in erster Linie die Organisation der Auslandsschweizer, unterstützt von zahlreichen weiteren Vereinigungen wie dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund (SIG) oder der Christlich-Jüdischen Arbeitsgemeinschaft der Schweiz.

Dass sich die Vertretung der Auslandsschweizer zuerst des Themas angenommen hat, ist kein Zufall: Denn die Organisation fühlt sich jenen rund 1000 Menschen verpflichtet, die zwischen 1933 und 1945 trotz des roten Passes mit dem weißen Kreuz in ein KZ deportiert wurden. Die Hälfte von ihnen kam ums Leben.

Dass sich die Vertretung der Auslandsschweizer zuerst des Themas angenommen hat, ist kein Zufall.

Die Auslandsschweizer engagieren sich auch deshalb, weil die offizielle Schweiz fast nichts unternahm, um diese Gefährdeten aus den Klauen der Nazis zu befreien – wozu sie eigentlich verpflichtet gewesen wäre. An die Schweizer Opfer des Nationalsozialismus erinnert auch SIG-Präsident Ralph Lewin: »Sie wurden verfolgt, interniert und deportiert, weil sie Juden oder Sinti und Roma, behindert oder homo­sexuell waren oder weil sie die ›falsche‹ politische Gesinnung hatten.«

Desinteresse Die Behörden interessierte dies kaum. »Kein Land in Westeuropa zeigte ein so großes Desinteresse gegenüber den eigenen NS-Opfern wie die Schweiz«, schreibt der Journalist Benno Tuchschmid, einer der Autoren des Buches Die Schweizer KZ-Häftlinge, auch über den Umgang mit dem Thema nach dem Zweiten Weltkrieg. Das Buch erschien 2019 und sorgte dafür, dass sich dies nun änderte und die Idee eines Schoa-Mahnmals auf die politische Tagesordnung der Eidgenossenschaft gesetzt wurde.

Rund die Hälfte aller Schweizer National­räte, also der Großen Kammer in Bern, unterschrieb im Mai einen entsprechenden Antrag. Dieser war unter anderem von dem Sozialdemokraten Daniel Jositsch, einem der wenigen jüdischen Parlamentarier der Schweiz, eingebracht worden. Mit diesem Vorstoß ist nun die Schweizer Regierung am Zug: Sie muss prüfen, wie das Anliegen am besten umgesetzt werden kann.

Geschaffen werden soll dabei auch eine Opferdatenbank, die es in der Schweiz in dieser Form bisher nicht gibt. Darin sollen unter anderem auch bereits bestehende Gedenkorte, die meist auf private Initiative hin geschaffen wurden, miteinander vernetzt werden.

selbstverständnis Dass die Idee, ein nationales Holocaust-Mahnmal zu errichten, erst jetzt aufkommt, hat auch mit dem Selbstverständnis der Schweiz zu tun, die sich lange als »neutral« verstand und erst in den 90er-Jahren von außen durch die Diskussion über die Rolle des Landes während der Schoa zu einer Standortbestimmung gezwungen wurde.

Daniel Jositsch zeigt dafür ein gewisses Verständnis: »Es ist in der Schweiz Tradition, dass historische Ereignisse erst nach einer gewissen Zeit behandelt werden. Das ist auch gut so.«

Manche befürchten jedoch, dass sich dies bei der Umsetzung des Projekts als Hürde erweisen könnte, denn ein solcher Ort sollte dem Land auch den Weg in die Zukunft, etwa im Umgang mit den eigenen Minderheiten, weisen.

Brüssel

Kurswechsel in Belgien?

Am Montag vereidigte König Philippe die neue Föderalregierung unter Führung des flämischen Nationalisten Bart De Wever. Nicht nur im Hinblick auf Nahost dürfte sich einiges ändern

von Michael Thaidigsmann  04.02.2025

Rom

Achtjähriger getreten, geschlagen und bedroht, weil er eine Kippa trug

Der Täter zückte einen abgebrochenen Flaschenhals, als die Mutter und eine Ladeninhaberin ihn aufhalten wollten

 04.02.2025

Angouleme

Charlie-Hebdo-Karikaturist für Comic über Nazi-Raubkunst geehrt

Nach der Terrorattacke auf sein Satire-Blatt vor zehn Jahren wurde Renald Luzier Comic-Buch-Autor

 03.02.2025

Berlin

Friedman: Totalitäre Regime verbreiten Fantasiegeschichten

Der Publizist sieht die westlichen Demokratien zunehmend unter Druck

 03.02.2025

Andorra

Kleiner, sicherer Hafen?

Die Toleranz hat Geschichte im Zwergstaat zwischen Frankreich und Spanien. Aber die jüdische Gemeinschaft darf keine erkennbare Synagoge haben

von Mark Feldon  02.02.2025

Italien

Kaffeeklatsch in Cinecittà

In den 50er- und 60er-Jahren kam Hollywood in die Ewige Stadt. Stars wie Marlon Brando, Audrey Hepburn und Charlie Chaplin zogen nach Rom. Ein neues Buch liefert den Tratsch dazu

von Sarah Thalia Pines  02.02.2025

Großbritannien

Lady Berger und Lord Katz

Zwei jüdische Labour-Abgeordnete wurden zu Mitgliedern des Oberhauses ernannt

von Daniel Zylbersztajn-Lewandowski  29.01.2025

Australien

Sydney: Polizei vereitelt Sprengstoffanschlag auf Synagoge

In Sydney wurde ein mit Powergel beladener Wohnwagen sichergestellt - zu den Hintergründen wird noch ermittelt

 29.01.2025

Berlin

Wie ein Holocaust-Überlebender aus der Ukraine auf Deutschland blickt

Er überlebte den Holocaust - und muss nun erleben, wie seine Heimatstadt Odessa von Russland bombardiert wird. An diesem Mittwoch hat Roman Schwarzman die Chance, im Bundestag einen Appell an den Westen zu richten

von Bernhard Clasen  29.01.2025