Aaron Beck

Sein erster Patient war er selbst

Aaron Beck (1921–2021) Foto: Getty Images

Sein erster Patient sei er selbst gewesen, sagte der amerikanische Psychiater Aaron Temkin Beck, der in den 60er-Jahren die Verhaltenstherapie revolutionierte. Er wurde 1921 in Providence, Rhode Island, als jüngstes von drei überlebenden Kindern jüdischer Einwanderer aus Russland geboren. Im Alter von acht Jahren brach er sich den Arm. Weil es zu einer Sepsis kam, musste er einen Monat im Krankenhaus bleiben. Dort entwickelte er eine Blut- und Verletzungsphobie.

Panische Angst stieg in ihm auf, wenn er Äther roch. Doch als sein erster Therapeut brachte er sich selbst bei, die Angst zu überwinden, indem er sich auf andere Dinge konzentrierte und erkannte, dass es eine Verbindung zwischen Gedanken und Gefühlen gab.

forschung Dieses selbsttherapeutische Erlebnis betrachtete Beck als Kern seiner gesamten Forschung. Deren bekanntestes Ergebnis ist die Kognitive Verhaltenstherapie, die bis heute als Revolution im Umgang mit Depressionen gilt. Im Laufe vieler Therapiesitzungen stieß Beck immer wieder auf negative Gedankenmuster bei Depressiven, die er auch als »thoughtless thinking«, gedankenloses Denken, bezeichnete.

Später definierte er diese Denkmuster als »Kognitive Triade«. Ein solch depressiver Dreiklang bezieht sich auf das Selbst (»Ich bin nicht gut genug«, »Ich bin hässlich«), die Welt (»Keiner liebt mich«) und die Zukunft (»Es wird immer so schrecklich bleiben, wie es ist«).

Aus diesen Erfahrungen entwickelte Beck seine Kognitive Verhaltenstherapie, die – im Unterschied zur reinen Freudschen Lehre – die Ursachen von Depressionen nicht ausschließlich in der Kindheit sieht, sondern versucht, die starren Denkstrukturen der Patienten aufzubrechen. Für Beck lagen die Ursachen für jene depressionstypische Angst und die negativen Gefühle seiner Patienten in deren verzerrtem Denken.

Fortan galt in seiner Behandlung von Depressiven der Blick nach vorn.

Fortan galt in seiner Behandlung von Depressiven der Blick nach vorn. Mit konkret definierten Therapiezielen, Arbeitsblättern und Hausaufgaben werden die Patienten gefordert und gefördert, zu ihrer Selbstheilung beizutragen. Für viele war Becks Ansatz eine Offenbarung. Keine jahrelangen, quälenden Psychotherapien mehr – in nur zwölf Sitzungen erzielte Beck große Genesungsfortschritte.

Zweifel an Freuds Kernthese, psychische Störungen könnten durch das Freilegen lang verschütteter Kindheitserinnerungen gelöst werden, hatten Beck schon als junger Psychiater 1954 an der University of Pennsylvania befallen. Er stand der Rolle des Therapeuten skeptisch gegenüber.

ANSATZ Im Laufe der Jahrzehnte passten Therapeuten den grundlegenden Ansatz der kognitiven Verhaltenstherapie an verschiedene Zustände von Depressionen bis hin zu Panikattacken, Essstörungen, Schlaflosigkeit, Sucht und Schmerzen an. Im Laufe seiner 70-jährigen Karriere hat Beck rund 600 Aufsätze und 25 Bücher geschrieben oder als Co-Autor mitgearbeitet und Klassifikationssysteme entwickelt, um Symptome bestimmter Erkrankungen messbar zu machen und deren Suizidrisiko abzuwägen. Sein jüngstes Projekt, an dem er bis weit über 90 Jahre arbeitete, war die »Erholungsorientierte kognitive Therapie«, um Menschen bei der Behandlung von Schizophrenie zu helfen.

1994 gründete Beck gemeinsam mit seiner Tochter Judith das Beck Institute for Cognitive Behavior Therapy in Philadelphia, um Therapeuten auszubilden und die Methode weiterzuentwickeln. Mittlerweile wird sie auch zur Behandlung von Sucht, Essstörungen oder Schmerzen verwendet.

Aaron Beck starb am 1. November im Alter von 100 Jahren. Er hinterlässt seine Frau Phyllis, mit der er mehr als 70 Jahre lang verheiratet war, sowie vier Kinder, zehn Enkel und zehn Urenkel.

Meinung

Der Stolz der australischen Juden ist ungebrochen

Der Terroranschlag von Sydney hat die jüdische Gemeinschaft des Landes erschüttert, aber resigniert oder verbittert ist sie nicht. Es bleibt zu hoffen, dass die Regierung künftig mehr für ihren Schutz tut

von Daniel Botmann  16.12.2025

Österreich

Neue Direktorin für das Jüdische Museum Hohenems

Historikerin Irene Aue-Ben-David übernimmt die Leitung und bringt internationale Erfahrung aus Jerusalem mit

von Nicole Dreyfus  16.12.2025

Basel

Mann wollte Juden während des ESC angreifen

Kurz vor dem »Eurovision Song Contest« in der Schweiz wurde ein 25-Jähriger wegen konkreter Gewaltdrohungen festgenommen und ausgewiesen

von Nicole Dreyfus  16.12.2025

Australien

Wie geht es dem »Helden von Sydney«?

Ahmed al-Ahmed gehe es schlechter als angenommen, sagt sein Anwalt. Der muslimische Familienvater drohe, seinen Arm zu verlieren

 16.12.2025

Sydney

Jüdisches Ehepaar stirbt beim Versuch, einen der Angreifer zu stoppen

Boris und Sofia Gurman versuchten, das Massaker vom Bondi Beach zu verhindern, und bezahlten dafür mit ihrem Leben

 16.12.2025

Attentat in Sydney

»Was würden die Opfer nun von uns wollen?«

Rabbiner Yehuda Teichtal hat bei dem Attentat in Sydney einen Freund verloren und wenige Stunden später in Berlin die Chanukkia entzündet. Ein Gespräch über tiefen Schmerz und den Sieg des Lichts über die Dunkelheit

von Mascha Malburg  16.12.2025

Sydney

Opera House erstrahlt mit Bild von Chanukkia

Es ist ein Zeichen der Solidarität mit der jüdischen Gemeinschaft

 16.12.2025

Australien

Faktencheck zum Terroranschlag in Sydney

Nach dem Blutbad am Bondi Beach ist noch vieles unklar. Solche Situationen nutzen Menschen in sozialen Netzwerken, um Verschwörungsmythen zu verbreiten

 15.12.2025

Faktencheck

Ahmed Al Ahmed hat einen Angreifer am Bondi Beach entwaffnet

Ein Passant verhindert Schlimmeres - und wird im Netz umbenannt. Angeblich soll Edward Crabtree einen der Täter von Sydney entwaffnet haben. Doch die Geschichte stammt von einer Fake-Seite

 15.12.2025