Oberrabbinat

Sechs deutsche Rabbis auf umstrittener Liste

Das Oberrabbinat in Jerusalem Foto: Flash 90

Die Diskussion um die sogenannte Schwarze Liste aus dem israelischen Oberrabbinat geht weiter: Auf dem Papier, das die israelische Organisation »Itim« erlangt hat und das israelische und jüdische Medien veröffentlicht haben, stehen etwa 160 liberale, konservative und orthodoxe Rabbiner aus 24 Ländern. Deren Bescheinigungen der jüdischen Identität von Juden aus der Diaspora, die in Israel heiraten wollen, wurden vom ultraorthodox dominierten Oberrabbinat in Jerusalem in jüngster Zeit nicht anerkannt.

Klarstellung Die Liste war von Rabbiner Itamar Tubul herausgegeben worden, dem Leiter der Abteilung für persönliche Statusangelegenheiten des Oberrabbinats. Am Dienstag schrieb der Generaldirektor der Behörde, Moshe Dagan, in einem Brief an den Orthodoxen Rabbinischen Rat (ORC) in den USA, es handele sich nicht um eine Schwarze Liste »unautorisierter oder nicht anerkannter Rabbiner«, vielmehr seien die von den Rabbinern ausgestellten Dokumente in der Vergangenheit nicht akzeptiert worden, »aus welchen Gründen auch immer«.

Der Brief lag der Nachrichtenagentur Jewish Telegraphic Agency (JTA) vor. Zuvor hatte der aschkenasisch-ultraorthodoxe israelische Oberrabbiner David Lau die Veröffentlichung der Liste als »überflüssig« bezeichnet und Rabbiner Tubul zu einem Gespräch einbestellt.

liberale Laut der israelischen Zeitung »Haaretz« stehen auch sechs Rabbiner aus Deutschland auf der Liste: der Vorsitzende der Allgemeinen Rabbinerkonferenz (ARK) und Rabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde Schwaben-Augsburg, Henry G. Brandt, der Berliner Gemeinderabbiner Jonah Sievers und die liberalen Rabbiner Walter Rothschild und Salomon Almekias-Siegl.

Außerdem sind der orthodoxe Rabbiner Dov Levi Barsilay verzeichnet sowie der 2014 verstorbene Rabbiner Isaac Neumann, der für kurze Zeit in Ost-Berlin in der DDR amtiert hatte. Aus Argentinien ist laut »Haaretz« zudem Rabbiner Abraham Skorka gelistet.

Orthodoxe Ferner sind laut »Haaretz« aufgeführt: Rabbiner Baruch Goodman, Direktor des Chabad-Hauses an der Rutgers-Universität in New Jersey, USA, und die modern-orthodoxen Rabbiner Avi Weiss und Daniel Kraus. Letzterer ist Direktor eines pädagogischen Zentrums der Gemeinde Kehilat Jeshurun in Manhattan. Bei dem Rabbiner dieser orthodoxen Gemeinde, Haskel Lookstein, war die Tochter von US-Präsident Donald Trump, Ivanka, vor ihrer Hochzeit mit Jared Kushner zum Judentum konvertiert.

Abraham Lehrer, Kultusdezernent des Zentralrats der Juden in Deutschland, sagte der Jüdischen Allgemeinen, er teile die Ansicht des israelischen Oberrabbiners David Lau, »dass das Veröffentlichen einer Namensliste überflüssig war«.

ORD Zsolt Balla, orthodoxer Gemeinderabbiner in Leipzig und Vorstandsmitglied der Orthodoxen Rabbinerkonferenz (ORD), erklärte am Mittwoch: »Nach meinem Wissen gibt es keine Schwarze Liste. Wie ich es weiß, stehen in diesem Papier die Namen von Rabbinern, deren Bescheinigungen in der Vergangenheit –möglicherweise auch nur ein einziges Mal – vom Oberrabbinat nicht anerkannt wurden. Die Gründe für die Nichtanerkennung können auch wohl technisch sein.«

Weiter sagte Balla: »Der hoch geschätzte und langjährige Rabbiner und Landesrabbiner von Hamburg und Schleswig-Holstein ist durch das Papier nicht disqualifiziert. Er bleibt Mitglied der ORD.«

ARK Der Vorsitzende der Allgemeinen Rabbinerkonferenz, Henry G. Brandt, sagte: »Ich bin in der Sache nicht überrascht, denn eine Anerkennung durch das Oberrabbinat in Israel habe ich niemals gesucht, gewünscht oder erwartet. In gewisser Weise fühle ich mich geadelt durch diese Aufmerksamkeit.« Nicht nur die Veröffentlichung, sondern auch die Existenz einer solchen Liste sei beschämend: »Wäre es möglich, den Ruf des Oberrabbinats in Israel noch weiter zu ramponieren, als er bereits ist, wäre dies solch ein Anlass.«

Abschließend erklärte Brandt: »Oberrabbinate im Allgemeinen sind sowieso Institutionen ohne wirkliche Wurzeln in der jüdischen Tradition, von fremden Herrschern oft aufoktroyiert oder aufgeschwatzt. Je schneller sie verschwinden, desto scheinender sieht die Zukunft unseres Volkes und unseres Glaubens aus.«

Rabbiner Walter Rothschild äußerte sich ähnlich und sagte, das israelische Oberrabbinat sei seit Langem bekannt für »Arroganz, Inkompetenz, eine brutale und geringschätzige Art, Bewerber wie Bittsteller zu behandeln, und eine kafkaeske Bürokratie«. Er persönlich betrachte es als »Ehre, dass ich auf dieser Liste bin«.

Shaar Hashomayim Ebenso reagierte Rabbiner Adam Scheier von der orthodoxen Gemeinde Shaar Hashomayim aus Montreal, der ältesten traditionellen aschkenasischen Synagoge in Kanada. Scheier sagte der »Times of Israel«, er befinde sich »in guter Gesellschaft«.

Rabbiner Alexander Davis von der konservativen Beth-El-Synagoge in Minneapolis, Minnesota, schrieb in einem Offenen Brief an Oberrabbiner Lau in »Haaretz:« »Dass ein orthodoxer Rabbiner meine Bezeugung nicht anerkennt, akzeptiere ich und bin traurig darüber. Aber es ist tragisch, dass der jüdische Staat, der das gesamte jüdische Volk repräsentiert, nur die eine enge Version des Judentums unterstützt, indem er eine Schwarze Liste herausgibt. Und dass der jüdische Staat in einer solchen Art und Weise die Mehrheit des Judentums in der Diaspora vor den Kopf stößt, ist herzzerreißend.«

Die in Genf geborene Schweizer Schriftstellerin und Philosophin Jeanne Hersch aufgenommen im März 1999

Philosophie

Der Moment des Staunens

Am 13. Juli jährt sich der Geburtstag von Jeanne Hersch zum 115. Mal. Lange wurde die Existentialistin ausgerechnet von der akademischen Forschung marginalisiert – und kaum als jüdische Philosophin wahrgenommen

von Richard Blättel  11.07.2025

Spanien

»Haut ab, ihr Hurensöhne« - Wirt vertreibt Israelis

Ein Gastwirt rastet gegenüber einer Gruppe israelischer Touristen aus, beschimpft sie und verweist sie des Lokals

von Michael Thaidigsmann  11.07.2025

Nachruf

Er bleibt eine Inspiration für uns alle

Der langjährige Zürcher Gemeinderabbiner Marcel Ebel ist verstorben. Eine Würdigung von seinem Nachfolger

von Rabbiner Noam Hertig  10.07.2025

Australien

Judenhass in Down Under

Mit unerwarteter Brutalität und Hemmungslosigkeit breitet sich der Antisemitismus im Land aus. Doch die jüdische Gemeinschaft gibt nicht auf

von Amie Liebowitz  10.07.2025

Großbritannien

BeTe’avon!

Das Jewish Museum London bittet britische Juden um Rezepte fürs Schabbatessen. Auf der Suche nach dem, was schmeckt

von Sophie Albers Ben Chamo  10.07.2025

USA

Die US-Regierung, Trump und der Fall Jeffrey Epstein

Trump wollte die Akten zum Sexualstraftäter Epstein veröffentlichen, seine Mitarbeiter verbreiteten Verschwörungstheorien. Nun wollen sie davon nichts mehr wissen - das macht einige Trump-Fans wütend

von Benno Schwinghammer  09.07.2025

Spanien

Mallorca hat einen neuen Rabbiner

Rund 1000 Juden leben auf der bei deutschen Touristen beliebten Baleareninsel

 09.07.2025

Österreich

»Geschichte wurde schon immer politisiert«

Die US-Historikerin Sarah Abrevaya Stein über Gier, Künstliche Intelligenz und den Baron-Wissenschaftspreis

von Stefan Schocher  09.07.2025

Iran

Esthers Kinder

Wie die älteste Diaspora-Gemeinschaft 2700 Jahre überlebte – und heute erneut um ihre Existenz kämpft

von Stephen Tree  09.07.2025