Niederlande/Deutschland

Roadtrip zum Gedenken

Der Journalist Tobias Müller (l.) und der Filmemacher Ruben Gischler

On the road, das 1957 erschienene Werk des amerikanischen Schriftstellers Jack Kerouac, ist wohl der Roadtrip-Roman schlechthin. Doch der Amerikaner war nicht der Erste in der Weltgeschichte, der eine längere Spritztour machte. Das war Bertha Benz, die Frau des Automobilpioniers Karl Benz. Sie fuhr 1888 von Mannheim nach Pforzheim und zurück. Sie vertraute ihre Erfahrung nicht dem Papier an, sondern mündlich ihrem Mann.

Die beiden Amsterdamer Tobias Müller, Journalist und Autor dieser Zeitung, und der Regisseur und Filmemacher Ruben Gischler haben für ihren Roadtrip einen ganz anderen Träger gewählt: die Kamera. Müller, gebürtiger Lüdenscheider, der seit 15 Jahren in Amsterdam lebt, und sein Nachbar, der jüdische Niederländer Gischler, wollten einer drängenden Frage auf den Grund gehen: Wie kann man dem wachsenden Antisemitismus entgegenwirken, und welche Rolle spielt die Erinnerungskultur?

antisemitismus Die beiden Männer fragten sich, inwiefern sich die Erinnerungskultur in den Niederlanden von der in Deutschland unterscheidet und ob sie überhaupt eine Zukunft hat. Und so gaben sie ihrem Dokumentarfilm den Titel »Wieder gut?«. »Ruben und ich sind Nachbarn. Wir sind nicht immer derselben Meinung, aber wir machen uns beide zunehmend Sorgen über den wachsenden Antisemitismus. Von da aus landet man schnell bei der Lage der Erinnerungskultur. So entstand die Idee zu dem Film.«

Mit Gischlers roter Ente haben die beiden Männer auf beiden Seiten der deutsch-niederländischen Grenze Städte und Gemeinden besucht und dort recherchiert: von Emden in Ostfriesland, wo sie sich mit Schülern eines Gymnasiums über die Erinnerungskultur unterhielten, bis hinunter nach Kleve, wo der Künstler Gunter Demnig Stolpersteine verlegte, und nach Xanten, wo die beiden Doku-Filmer an einer skurrilen Führung zu jüdischen Themen rund um die Kathedrale teilnahmen.

Jenseits der Grenze, in den Niederlanden, waren sie in Städten wie Deventer, wo ein Schreibprojekt Schüler in Kontakt mit Holocaust-Überlebenden bringt, und Nimwegen, wo an der Hochschule zukünftige Lehrer ausgebildet werden, die auch über Antisemitismus und die Schoa unterrichten sollen, was wegen des engen Zeitplans an den Schulen aber offenbar nicht einfach ist. Außerdem standen unter anderem Daniel Libeskinds Amsterdamer Holocaust-Mahnmal und die Berliner Wannsee-Villa auf dem Programm.

Täterland »In Deutschland hat man viel früher mit dem Erinnern begonnen – wahrscheinlich, weil es Täterland war. Anders als in den Niederlanden konnte man diesem Thema auf Dauer nicht ausweichen.« So hat der niederländische Premierminister Mark Rutte erst vor ein paar Jahren, während einer Auschwitz-Gedenkfeier in Amsterdam, für das Versagen des niederländischen Staates während des Zweiten Weltkriegs um Entschuldigung gebeten.

Die Doku macht deutlich, dass sich Deutschland in Sachen Erinnerungskultur aber keineswegs zurücklehnen kann. Müller und Gischler haben sich auch mit dem Berliner Antisemitismus-Experten Ahmad Mansour unterhalten, der sich vor allem mit islamisch begründetem Judenhass auseinandersetzt. Er glaubt, dass die Erinnerungskultur in Deutschland nur Zukunft hat, wenn sich auch Deutsche mit Migrationshintergrund ihr annehmen und sich mit ihr auseinandersetzen. Nur so gebe es auf Dauer eine solide Basis, um dem Antisemitismus entgegenzuwirken.

Die Doku zeigt, wie wichtig die Aufklärung ist, an Schulen und anderswo. Das Allerwichtigste ist jedoch der persönliche Kontakt. Dies habe auch er erlebt, erzählt Mansour. Der in Israel geborene und aufgewachsene Experte mit arabischen Wurzeln war in seiner Jugend überzeugter Antisemit – bis er in Tel Aviv zu studieren begann und zum ersten Mal seine jüdischen Landsleute persönlich kennenlernte. Da wendete sich das Blatt.

New York

Rekordpreis für »Bildnis Elisabeth Lederer« bei Auktion

Bei den New Yorker Herbstauktion ist wieder ein Rekord gepurzelt: Ein Klimt-Gemälde wird zum zweitteuersten je versteigerten Kunstwerk – und auch ein goldenes Klo wird für einen hohen Preis verkauft

von Christina Horsten  19.11.2025

TV-Tipp

Ein Skandal ist ein Skandal

Arte widmet den 56 Jahre alten Schock-Roman von Philip Roth eine neue Doku

von Friederike Ostermeyer  18.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  18.11.2025

Philosophie

Hannah Arendt und die Freiheit des Denkens

Die politischen Katastrophen des 20. Jahrhunderts waren ihr Lebensthema. Sie sah ihre Aufgabe als politische Denkerin darin, die Welt und die Menschen zu verstehen. Die politische Theoretikerin starb vor 50 Jahren

von Jürgen Prause  18.11.2025

Mexiko

Antisemitisches Graffiti gegen Claudia Sheinbaum sorgt für Empörung

Die Worte »puta judía« wurden auf Gebäude des Obersten Gerichtshofs geschmiert. Die jüdische Gemeinschaft des lateinamerikanischen Landes verurteilt den sich immer wieder äußernden Judenhass

 17.11.2025

USA

6500 Rabbiner auf einem Foto

»Kinus Hashluchim«: Das jährliche Treffen der weltweiten Gesandten von Chabad Lubawitsch endete am Sonntag in New York

 17.11.2025

"Stiller & Meara"

Abschied von den Eltern

Leinwandstar Ben Stiller hat eine erstaunlich persönliche Doku über seine berühmte Familie gedreht

von Patrick Heidmann  16.11.2025

Jerusalem

Nach Streit: Zionistischer Weltkongress einigt sich

Zwei Wochen lang zogen sich die Verhandlungen in dem globalen jüdischen Gremium hin. Nun gibt es ein Abkommen, das der Mitte-links-Block als Sieg für sich wertet

von Joshua Schultheis  16.11.2025

Kiew

Bargeldberge, Geschäfte und Liebschaften auf Russisch 

Eingeschweißtes Bargeld aus US-Notenbanken, Liebe unter Ministern, heimlicher Hauskauf im Ausland und alles in der falschen Sprache. Die Korruption in der Ukraine bietet Stoff für einen Thriller

von Andreas Stein  14.11.2025