Niederlande

Rettung für »Marcus Slagerij«

Slagerij Marcus in der Jan van Galenstraat im Süden Amsterdams Foto: Marianna Trembovler

Koscheres Fleisch aus den Niederlanden ist ein Exportschlager. Doch wie lange noch? Slagerij Marcus, die einzige Fleischerei im Land, die koscher schlachtet, sieht ihre Existenz gefährdet durch eine Vereinbarung, die der niederländische Staat im Juli mit der muslimischen Gemeinschaft und der Nederlands Israëlitisch Kerkgenootschap (NIK), der jüdischen Dachorganisation des Landes, geschlossen hat.

Laut Marcus’ Anwalt Herman Loonstein läuft das neue Abkommen, das teilweise eine Vereinbarung von 2012 ersetzt, auf ein Exportverbot hinaus. Dies könnte den Bankrott für die Fleischerei bedeuten und damit das Ende des koscheren Schlachtens, des Schächtens, in den Niederlanden.

Das Problem ist nicht nur ein niederländisches. In verschiedenen europäischen Ländern wird seit Jahren immer wieder über das Schächten diskutiert. Vor allem politische Parteien und Gruppen, die sich dem Tierschutz verschrieben haben, wollen es abschaffen. Unter diesem Druck trafen das NIK und der niederländische Staat 2012 eine Vereinbarung, die das Wohlbefinden der Tiere beim koscheren Schlachten gewährleisten soll.

Indikatoren Die Vereinbarung enthält fünf physische Indikatoren, die mithelfen sollen, zu bestimmen, ob ein Rind – es betrifft vor allem Rinder – innerhalb von 40 Sekunden nach dem großen Schnitt quer durch die Halsunterseite bewusstlos ist.

Dieses Abkommen habe bisher gut funktioniert, meint Loonstein. »Aber jetzt sind zwei Punkte ergänzt worden, die es meinem Klienten fast unmöglich machen, noch finanziell lohnend zu schlachten.« Dafür hat Loonstein die NIK haftbar gemacht.

Eine der Ergänzungen, die Loonstein »dramatisch« nennt, beschränkt die fünf Indikatoren auf einen: den induzierten Augenlidreflex. Auf Alltagsdeutsch: Wenn das Tier 40 Sekunden nach dem Halsschnitt auf jemanden reagiert, der es ins Auge zu stechen versucht, dann ist es nicht bewusstlos und muss nachträglich betäubt werden. Das Fleisch wäre dann nicht mehr koscher.

Loonstein hält das für »eine unmögliche Forderung, denn der induzierte Augenreflex allein ist kein Beweis, ob ein Tier bewusstlos ist oder nicht«. Das gehe, so der Anwalt, auch aus Studien der renommierten niederländischen Universität Wageningen hervor. Dort hat man festgestellt, dass 85 Prozent der Rinder, die geschlachtet werden, noch nach 40 Sekunden auf einen Stich in die Augen reagieren, obwohl die Tiere nachweisbar bewusstlos sind. In der Praxis, so Loonstein, würde das bedeuten, dass von 100 Rindern, die zum Schlachten angeboten werden, nur 15 dieser Forderung genügen. Die restlichen 85 Prozent müssten nachträglich betäubt werden. Dann wäre viel weniger koscheres Fleisch für den Verkauf verfügbar. Dies hätte für Marcus große finanzielle Folgen.

Export Noch dramatischer ist die zweite Ergänzung, in der steht, dass Fleischerei Marcus nur noch für den niederländischen Markt schlachten darf. Der dahinter liegende Gedanke sei, so Loonstein, dass die Schechita dann auf jeden Fall für die Niederlande erhalten bleibt. Andere Länder könnten keinen Einspruch mehr erheben gegen koscheres Fleisch aus den Niederlanden, schlichtweg weil es nicht mehr exportiert wird.

Doch »wie hält man einen Betrieb aufrecht, dem 40 Prozent seiner Einkünfte fehlen?«, fragt der Anwalt. Denn bisher produzierte Marcus 40 Prozent des koscheren Fleischs für den Export. »Auf dem Papier würde es die Schechita dann zwar noch geben, aber in der Praxis nicht mehr.« Es wäre das Ende der letzten koscheren Fleischerei in den Niederlanden.

Darauf angesprochen, sagte Caspar Itz, der Sprecher des niederländischen Wirtschaftsministeriums, der Jewish Telegraphic Agency, es könnten »auf Anfrage besondere Umstände in Betracht gezogen werden«.

Das ist inzwischen offenbar geschehen. Denn die Nederlands Israëlitisch Kerkgenootschap erklärte kürzlich: »Die Unruhe über die Schließung der Fleischerei Marcus und damit das Verschwinden des rituellen Schlachtens in den Niederlanden ist unbegründet.« Der Schechitabeauftragte des NIK, Jonathan Soesman, habe ausgehandelt, dass Marcus exportieren darf – sofern dies dem Ziel dient, »den niederländischen Markt auf Gewinn bringende Weise mit koscherem Fleisch zu versorgen«. Damit ist die Schechita in den Niederlanden auf absehbare Zeit gesichert.

USA

Angriff auf Cousin einer ermordeten Geisel

Ariel Yaakov Marciano wurde in Santa Monica angegriffen und geschlagen, weil er Hebräisch sprach

 17.09.2025

Belgien

Gent bleibt hart: Lahav Shani bei Festival weiter unerwünscht

Nach massiver Kritik befasste sich der Verwaltungsrat des Musikfestivals am Montagabend erneut mit der Ausladung der Münchner Philharmoniker. Es blieb bei der Ausladung

von Michael Thaidigsmann  16.09.2025

Bundesamt für Statistik

Dieser hebräische Vorname ist am beliebtesten bei Schweizer Eltern

Auch in der Schweiz wählen Eltern weiterhin häufig biblische Namen für ihr Neugeborenes

von Nicole Dreyfus  16.09.2025 Aktualisiert

Kommentar

Das Geraune von der jüdischen Lobby

Der Zürcher »Tages-Anzeiger« befasst sich kritisch mit dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund, der die Absage einer Veranstaltung mit Francesca Albanese an der Uni Bern gefordert hatte. Dabei war diese Intervention richtig

von Michael Thaidigsmann  15.09.2025

Argentinien

Raubkunst in der Immobilienanzeige

Die Tochter eines Naziverbrechers wollte ihre Villa verkaufen und führte Ermittler auf die Spur einer gestohlenen Kunstsammlung

von Andreas Knobloch  13.09.2025

München/Gent

Charlotte Knobloch spricht von »historischem Echo«

Nach der Ausladung des israelischen Dirigenten Lahav Shani von einem Musikfestival meldet sich Charlotte Knobloch mit deutlichen Worten

 11.09.2025

Italien

Jüdisches Touristen-Paar in Venedig attackiert

Die Täter schrien »Free Palestine«, bevor sie die Ehefrau mit einer Flasche attackierten und ihren Ehemann ohrfeigten

 11.09.2025

Georgien

Sicher und schön

Der Kaukasus-Staat pflegt Erbe und Zukunft der Juden. Und bietet atemberaubende Natur. Ein Besuch

von Michael Khachidze  11.09.2025

Belgien

Argerich, Maisky, Schiff empört über Gent-Festival

Bekannte jüdische und nichtjüdische Musiker haben eine Petition gestartet, um gegen die Ausladung der Münchner Philharmoniker und ihres Dirigenten Lahav Shani zu protestieren

 11.09.2025