USA

Raus aufs Land!

Unter der Corona-Pandemie leiden auch viele Kinder. Oren Kroll-Zeldins sechsjährige Tochter hatte mit Stress und Angstzuständen zu kämpfen, seit vor einem Jahr in Kalifornien der Lockdown ausgerufen wurde und die Schulen schließen mussten. Im November 2020 meldeten ihre Eltern sie beim Nachmittagsprogramm von »Urban Adamah«, einem Bauernhof in der Bay Area bei San Francisco, an.

»Nach der ersten Woche war sie wie ausgewechselt«, beschreibt der Vater die Veränderung seiner Tochter. »Urban Adamah ist der Ort, an dem sie am glücklichsten ist.« Es tue ihr gut, draußen zu sein und mit Freunden in der Erde wühlen zu dürfen. »Dort kann sie wieder richtig Kind sein«, sagt Kroll-Zeldin, Judaistikprofessor an der Universität von San Francisco.

NATUR Adam Berman gründete die mehr als 8000 Quadratmeter umfassende gemeinnützige Einrichtung 2011 mit dem Ziel, Menschen in städtischen Ballungsräumen die Gelegenheit zu bieten, sich gemeinschaftlich und im Einklang mit der Natur zu engagieren.

Die Organisation ruht auf vier Pfeilern: jüdische Traditionen und Rituale, Achtsamkeit, soziale Gerechtigkeit sowie nachhaltige Landwirtschaft und Umweltschutz. »Alles, was wir tun, ist im jüdischen Kalender verwurzelt mit den dazugehörigen Ritualen, Geschichten, Traditionen, Worten und Werten«, sagt Berman.

Als Beispiel führt er an, dass im Juli die Summercamp-Kinder Weizen ernten, ihn danach zu Mehl verarbeiten, um daraus Challa zu backen. »Dadurch entwickeln sie ein viel tieferes Verständnis der Bracha ›HaMotzi Lechem min haAretz‹, des Segens über das Brot«, sagt er.

identität Nachempfunden ist Urban Adamah dem Adamah-Programm am Isabella Freedman Jewish Retreat Center in Connecticut, an der Ostküste der Vereinigten Staaten. Im Jahr 2001 übernahm Berman als damals 30-Jähriger die Leitung des etwas altbackenen Kur- und Tagungszentrums, das nach einer neuen Identität suchte.

Dort erprobte er sein Konzept und erfuhr am eigenen Leib, welchen Einfluss die Integration von Umwelt und Religion auf einen Menschen haben kann. »Da durfte ich zum ersten Mal die Einheit von Spiritualität, Ökologie sowie eines Judentums, das herz- und erdgebunden ist, erfahren«, sagt er. »Das hat mir mein Herz und meinen Verstand geöffnet und meinen beruflichen Werdegang für die nächsten 20 Jahre geprägt.«

Die Farm beliefert Tafeln und Hilfsprogramme in der Umgebung.


Auf der Suche nach einem Stück Land, um seinen Traum zu verwirklichen, gelangte Berman, der in Los Angeles in einer konservativ-jüdischen Familie aufwuchs, in den Norden seines Heimatstaates. Ein befreundeter Unternehmer stellte ihm die ersten 4000 Quadratmeter Ackerfläche mietfrei zur Verfügung.

crowdfunding Einige Jahre später war der Gemeinschaftsbauernhof dem Standort entwachsen. Nach einer Crowdfunding-Kampagne eröffnete 2016 der neue Campus mit Bürogebäuden und Übernachtungsmöglichkeiten für Stipendiaten und Sommercamper.

Auf den Feldern werde alles angebaut, was in einem mediterranen Klima wächst, berichtet Adam Weisberg, der Geschäftsführer von Urban Adamah. Etwa die Hälfte des Areals ist bewirtschaftet. Vor der Pandemie betrieb die Organisation einen Obst- und Gemüsestand, an dem sich Besucher und Bedürftige nehmen konnten, was sie brauchten.

Da seit Beginn der Pandemie die Besucherzahlen stark zurückgegangen sind, hat sich Urban Adamah mit Tafeln und Hilfsprogrammen in der Umgebung zusammengetan, um das Obst und Gemüse zu verteilen, das geerntet wird.

Auf dem Bauernhof finden neben dem Nachmittagsprogramm für Kinder Schulausflüge lokaler städtischer Schulen und Summercamps, jährliche Tagungen sowie mehrmonatige Aufenthalte von Stipendiaten statt. Fast jede Woche gibt es Freitagabend-Gottesdienste, und im vergangenen Jahr wurde ein Tagungshotel mit 50 Zimmern fertiggestellt.

Grundsatz »›Liebe deinen Nächsten wie dich selbst‹ ist eines der biblischen Prinzipien, die unsere Arbeit prägen und leiten«, sagt Weisberg, der seit etwa eineinhalb Jahren seine jetzige Position innehat. Davor saß er für mehrere Jahre im Vorstand von Urban Adamah.

»Für uns sind jüdische Werte universelle Werte, die zwar aus der jüdischen Tradition erwachsen, aber allgemein anwendbar sind«, führt er aus. Einige der leitenden Prinzipien sind sogar in großen hebräischen Lettern auf die Gebäude geschrieben.

Urban Adamah erfülle ein Bedürfnis vieler Menschen, die sich zwar dem Judentum verbunden fühlten, aber ihre Spiritualität nicht im Rahmen einer Synagoge ausleben wollten, analysiert Kroll-Zeldin, der die Arbeit und Wirkung der Einrichtung auch als interessierter Akademiker begleitet.

Corona Die Pandemie stellte das Team von 17 Angestellten vor ungeahnte Herausforderungen. Die Programme und Veranstaltungen seien sehr ortsgebunden und hätten das Ziel, Menschen zusammenzubringen, benennt Weisberg das Problem. »Manches ließ sich ganz gut auf Zoom verlagern, manches leider nicht.«

Eine vierteilige Reihe über urbane Landwirtschaft, bei der 25 Teilnehmer lernen, wie sie ihren eigenen Garten hegen und pflegen können oder ihn winterfest machen, konnte seit über einem Jahr nicht mehr durchgeführt werden.

Auf der anderen Seite erweiterten sich Online-Angebote im Bereich der jüdischen Meditation und musikalische Veranstaltungen. Seit einigen Wochen dürfen auch wieder vermehrt Präsenzveranstaltungen durchgeführt werden, da sich die Coronavirus-Daten in Kalifornien verbessern und der Staat Restriktionen lockert.

angebote »Wenn man mich in den ersten Wochen der Pandemie gefragt hätte, so hätte ich gesagt: ›Nein, nein, nein – wir machen sobald wie möglich auf und machen keine virtuellen Veranstaltungen mehr«, sagt Weisberg. Mittlerweile habe er aber erkannt, dass diese Angebote das Leben von Menschen bereichern, die nicht in der Nähe des Bauernhofs leben.

Das Leben von Kroll-Zeldins kleiner Tochter haben neben ihren menschlichen Spielgefährten im Nachmittagsprogramm vor allem die Ziegen, Hasen und andere Tiere des Hofes bereichert. »Die Kinder bringen jeden Abend die Hühner ins Bett«, berichtet der Vater, »das ist der Höhepunkt!«

www.urbanadamah.org

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