Geschichte

Rache in Paris

Scholem Schwarzbard, Aufnahme aus dem Jahr 1926 Foto: pd

Vor 90 Jahren, am 25. Mai 1926, wurde im Pariser Quartier Latin auf offener Straße ein Mann erschossen. Ohne Widerstand zu leisten, ergab sich der Täter der Polizei. Er erklärte, er habe mit dem Mord die zahllosen jüdischen Opfer der Pogrome in der Ukraine während des Bürgerkriegs gerächt.

Bei dem Schützen handelte es sich um den aus der Südukraine stammenden jüdischen Anarchisten Scholem Schwarzbard. Sein Opfer war Symon Petljura, Oberbefehlshaber der Armee der Ukrainischen Volksrepublik (UNR), die für einen Nationalstaat gekämpft hatte. Petljura war faktisches Staatsoberhaupt der Ukraine.

Ukraine Heute fällt es schwer, sich vorzustellen, dass man vor der Schoa die schlimmsten Judenverfolgungen mit der Ukraine assoziierte. Als nach der Oktoberrevolution 1917 der Russische Bürgerkrieg ausbrach und die Ukraine erfasste, wurde die jüdische Bevölkerung der Ukraine vor allem 1919 von einer Welle der Gewalt überrollt. Ein Pogrom jagte das andere, viele dauerten mehrere Tage oder gar Wochen. Am Ende wusste niemand, wie viele Menschen dabei ums Leben gekommen waren. Schätzungen gehen von 100.000 oder mehr Opfern aus.

Etwa 40 Prozent der Pogrome wurden von den Truppen der UNR verübt, mehr als die Hälfte aller Morde ging auf ihr Konto. Gleichzeitig gab es in der UNR aber ein Ministerium, das den Aufbau jüdischen Lebens koordinieren sollte. Doch es beschäftigte sich – so ironisch das klingen mag – mit der Zuweisung von Hilfsmitteln an Pogromopfer.

Offen antisemitische Aufrufe Petljuras sind nicht bekannt. Er war also anscheinend kein Antisemit. Doch sein lautes Schweigen angesichts endlosen Blutvergießens machte ihn in den Augen der jüdischen Bevölkerung zum Hauptschuldigen.

Held Der Attentäter Scholem Schwarzbard hingegen wurde in der jüdischen Welt als Held gefeiert, als Rächer der Verfolgten. Die Solidarität mit ihm kannte keine Grenzen. Als vor Gericht die Pogrome zur Sprache kamen, hatten auch die Geschworenen Verständnis für den Angeklagten und sprachen ihn frei.

Die damaligen ukrainischen Emigranten empfanden den Freispruch des Attentäters als Affront. Ebenso sieht es der moderne ukrainische Staat, der Petljura als Nationalhelden verehrt. Die offizielle Würdigung bezieht sich dabei allerdings ausschließlich auf den Kampf um die Selbstständigkeit der Ukraine. Die Pogrome werden bedauert, man verweist auf die Wirren des Krieges.

Historiker und Politiker wenden beträchtliche Mühe auf, um Symon Petljura von allen Vorwürfen reinzuwaschen. Eine kritische Auseinandersetzung mit ihm fehlt bis heute.

USA

Berufungsgericht hebt Urteil gegen Harvey Weinstein auf

Die Entscheidung ist ein Paukenschlag vier Jahre nach der Verurteilung des ehemaligen Filmmoguls

 25.04.2024

Mexiko

Präsidentschaftskandidatin von Bewaffneten aufgehalten

Steckt ein Drogenkartell hinter dem bedrohlichen Zwischenfall?

 22.04.2024

Meinung

Der Fall Samir

Antisemitische Verschwörungen, Holocaust-Relativierung, Täter-Opfer-Umkehr: Der Schweizer Regisseur möchte öffentlich über seine wirren Thesen diskutieren. Doch bei Menschenhass hört der Dialog auf

von Philipp Peyman Engel  22.04.2024

USA/Israel

Biden: Pessach-Fest ist besonders hart für Familien der Geiseln

Die abscheulichen Gräueltaten der Hamas dürften niemals vergessen werden, sagt der Präsident

 22.04.2024

Ukraine

Mazze trotz Krieg

Kyivs älteste Synagogen-Bäckerei produziert seit Jahrzehnten, und nun auch bei Raketenbeschuss

von Michael Gold  22.04.2024

Pessach

Der eigene Exodus

Wie erlangt der Mensch persönliche Freiheit? Wir haben sechs Jüdinnen und Juden gefragt

von Nicole Dreyfus  22.04.2024

London

Initiative gegen Antisemitismus: Polizeichef soll zurücktreten

Hintergrund ist ein Vorfall bei einer antiisraelischen Demonstration

 22.04.2024

Columbia University

Nach judenfeindlichen Demos: Rabbiner warnt eindringlich

Jüdische Studierende sind auf dem Campus nicht mehr sicher, sagt Elie Buechler

 22.04.2024

London

Polizeichef steht in der Kritik

Die »Initiative Campaign Against Antisemitism« fordert den Rücktritt von Sir Mark Rowley

 21.04.2024