Glosse

Putzen bis der Arzt kommt

Geputzt: sauber wie im Katalog Foto: ikea.com

Sie sind schon ermüdend – diese inbrünstigen Putzaktionen, die meine Freundinnen alljährlich vor Pessach durchführen. Gerade musste ich mir am Telefon den dritten Nervenzusammenbruch anhören. Habe dabei glatt das Ende von »The Bold and the Beautiful« verpasst.

Und das geht schon den ganzen Vormittag so: Immer wenn ich es mir mit der Fernbedienung und ein paar Eclairs auf dem Sofa gemütlich mache, klingelt das Telefon, und wieder heult mir jemand eine Jeremiade über kaputte Staubsauger und putzresistente Backöfen vor.

Sicherlich werden Sie sich wundern, warum die alljährlich wiederkehrende Pessach-Hysterie bei mir nur ein desinteressiertes Gähnen hervorruft. Aber ich bin an Pessach nicht zu Hause. Bin weg! Hasta la vista, Baby! Ich verbringe das Fest ganz dekadent im Hotel. Ich habe meine ungeputzten Schränke und Möbel fein säuberlich mit Tesa zugeklebt und die ganze Wohnung vor Pessach an den örtlichen Rabbiner verkauft – und Bingo!

Traube Ich kann verstehen, dass Sie vor Neid ganz grün werden, meiner Umgebung geht es genauso. Bissige Bemerkungen und Sticheleien zu diesem Thema bin ich gewohnt, aber dieses Jahr sind die anderen ganz besonders sauer auf mich. Gestern haben sogar einige meiner sogenannten Freundinnen die Straßenseite gewechselt, als sie mich kommen sahen. Und in der Schule drängt sich stets eine wütend zischelnde Traube von putzwütigen Müttern in der mir gegenüberliegenden Ecke zusammen. Unangenehm ist das!

So hat mich gestern die schuleigene Chabad-Rebbetzin, Mora Batsheva, beiseite genommen und mit mir ein ernstes Gespräch geführt. Ich könne mich dem gemeinschaftlichen Spirit des Putzens nicht entziehen, mahnte sie eindrücklich.

Wenn alle anderen schrubben und spülen, während ich mich auf dem Sofa fläze, sei das nicht gut für die allgemeine Moral. Ich müsse in mich gehen. Gerne könne sie mir einige Putz-Tipps geben, ihre Tür stehe immer offen, und so weiter und so weiter. Geknickt machte ich mich danach auf den Heimweg.

Inzwischen habe ich schon mal unter der Spüle nachgeschaut, ob dort zufällig irgendwelches Putzmaterial steckt. Aber nichts, nur gähnende Leere und ein paar rosa Plastikhandschuhe, die meine Putzfrau Latifa vergessen hat. Oh weh, nun wird mein schmähliches, seit Jahren gehütetes Geheimnis bald ruchbar: Ich kann nämlich überhaupt nicht putzen, besitze nicht mal einen Schrubber. Wenn das ans Licht kommt, kann ich einpacken.

Spaß Während ich mir das ausmale, stoße ich auf eine Anzeige in der religiösen Frauenzeitschrift Neshama: »Pessach-Putz-Motivations-Coach«, steht da, »für alle, die sich nicht zum Pessach-Putz aufraffen können. Ganz neu aus den USA. Ruchama kommt zu Ihnen nach Hause und mischt sie auf! So macht Putzen richtig Spaß!« Mit zitternden Fingern wähle ich Ruchamas Nummer und buche eine Putz-Session bei ihr.

Als es tags darauf an der Tür klingelt, pralle ich erschrocken zurück: Ruchama wirbelt herein. Sie trägt hautenge neonfarbene Leggins und ein Leoparden-T-Shirt, unter dem Arm einen Ghettoblaster. Hinter ihr steht ein Putztrupp in ähnlichem neonfarbenen Outfit.

Die Putz-Babes drängeln sich in meine Wohnung, nehmen eine keilförmige Formation ein, Ruchama drückt mir einen knallrosa Glitter-Staubwedel in die Hand, schmeißt die Musik an, und dann wirbelt der Putztrupp juchzend durch meine Wohnung.

Von heißen Rhythmen begleitet, schrubben, polieren und wienern Ruchama und ihre Mädels sich von meinem Bad durch Kinderzimmer und Küche bis ins Wohnzimmer.

Ich immer hinterher, am Anfang noch etwas unmotiviert und steif, doch zunehmend werde ich von einer Art Putz-Wahn ergriffen: Ich kann überhaupt nicht mehr aufhören zu schrubben und zu wienern. Ich nehme mir das Besteck vor, poliere sämtliche Wasserhähne auf Hochglanz und rubbele hingebungsvoll alle Lichtschalter und Steckdosen ab.

Nirwana Als nach sechs Stunden die Putz-Orgie vorbei ist, sieht meine Wohnung wie ein Musterapartment aus dem IKEA-Katalog aus – und ich habe ungefähr drei Kilo abgenommen. Und als Ruchama ihren Scheck längst einkassiert hat und abgezogen ist, putze ich, wie von einer irren Macht getrieben, immer weiter.

Mit zitternden Händen entkalke ich den Wasserkocher, schäume die Teppiche ein, poliere alle Mantel- und Stiefelknöpfe sowie Türgriffe, die sich mir in den Weg stellen – bis sich eine große rosa Wattewolke auf mich senkt und ich ins Nirwana abtauche.

Als ich wieder zu mir komme, liege ich in einem hübschen Einzelzimmer des Antwerpener Müttergenesungsheimes »Menucha«, hänge am Tropf und werde mit Valium vollgepumpt. Wollen Sie meinen gut gemeinten Rat hören? Verbringen Sie Pessach lieber im Hotel – und checken Sie am besten so früh wie möglich ein!

Toronto

20 Mesuot aus Seniorenheim gestohlen

Die Polizei geht von einem Hassverbrechen aus

 09.12.2025

Frankreich

Aus Judenhass Gift ins Essen gemischt?

In Nanterre läuft der Prozess gegen eine 42-jährige Algerierin. Sie wird beschuldigt, während ihrer Tätigkeit als Kindermädchen bei einer jüdischen Familie Lebensmittel und Kosmetika absichtlich mit Seife und Haushaltsreiniger vermischt zu haben

 09.12.2025

Social Media

Jüdischer Politiker im Iran warnt seine Gemeinde         

Der einzige jüdische Abgeordnete im Iran rät seiner Gemeinde, Social-Media-Kanälen mit Israel-Bezug zu entfolgen. Was hinter seiner Warnung steckt

 09.12.2025

Noëmi van Gelder wurde mit deutlicher Mehrheit zur neuen Präsidentin der ICZ gewählt.

Zürich

Israelitische Cultusgemeinde hat neue Präsidentin

Die größte jüdische Gemeinde der Schweiz hat gewählt: Mit Noëmi van Gelder will die Gemeinde ein klares Signal setzen

von Nicole Dreyfus  08.12.2025

Alan Shatter

»Dieses Vorgehen ist nun wirklich idiotisch«

Irlands ehemaliger Justizminister nimmt kein Blatt vor den Mund: Im Interview kritisiert Alan Shatter nicht nur den Boykott des Eurovision Song Contest durch sein Land. Er macht die irische Regierung auch für wachsenden Judenhass verantwortlich

von Michael Thaidigsmann  08.12.2025

Dänemark

Männer sollen 760.000 Euro für die Hamas gesammelt haben

Am Dienstagmorgen nahm die Polizei einen 28-Jährigen fest. Sein mutmaßlicher Komplize sitzt bereits in U-Haft

 05.12.2025

Antisemitismus

Litauen: Chef von Regierungspartei wegen Antisemitismus verurteilt

In Litauen ist der Chef einer Regierungspartei mehrfach durch antisemitische Aussagen aufgefallen. Dafür musste er sich vor Gericht verantworten. Nun haben die Richter ihr Urteil gefällt

 04.12.2025

Ukraine

Alles eine Frage der Herkunft

Wie ein Korruptionsskandal den antisemitischen Narrativen in Russland Vorschub leistet

von Alexander Friedman  04.12.2025

Europa

»Yid Army« im Stadion

Ein neues Buch erklärt, warum Fußballvereine wie Tottenham Hotspur, Austria Wien und Ajax Amsterdam zu »Judenklubs« wurden

von Monty Ott  04.12.2025