Großbritannien

Protest gegen antisemitische Tendenzen

Jeremy Corbyn 2018 auf dem Labour-Parteitag Foto: imago

Aus Protest gegen den Führungsstil des britischen Labour-Chefs Jeremy Corbyn sind am Montag sieben prominente Mitglieder aus der Partei ausgetreten. Sie kritisieren vor allem den Umgang mit antisemitischen Tendenzen in der größten Oppositionspartei und den Brexit-Kurs von Labour. Die Abspaltung wird als Symptom für eine größere Krise des britischen Parteien-Systems gewertet.

Besonders hart dürfte die Sozialdemokraten der Rücktritt des charismatischen Abgeordneten Chuka Umunna treffen. Er gilt als Jungstar seiner Partei und führt eine Gruppe an, die ein zweites Brexit-Referendum fordert.

UNABHÄNGIG Die sieben Politiker werden künftig als »unabhängige Gruppe« im Parlament vertreten sein, wie die Abgeordnete Luciana Berger in London auf einer Pressekonferenz bekannt gab.

Bereits seit Jahren werden Antisemitismus-Vorwürfe gegen Corbyn und seine Partei erhoben. Im vergangenen Sommer räumte er öffentlich in einem Video ein, dass Disziplinarverfahren gegen antisemitische Parteimitglieder zu langsam und zaghaft betrieben worden seien. Kritiker werfen dem 69-Jährigen israelfeindliche und teils antisemitische sowie eine einseitige Unterstützung der Palästinenser im Nahostkonflikt vor.

Wegen seiner diversen israelfeindlichen Parolen setzte das Wiesenthal Center Jeremy Corbyn Ende vergangenen Jahres auf Platz vier seiner Liste »2018 Top Ten Worst Global Anti‐Semitic/Anti‐Israel Incidents«.

In einem offenen Brief der wichtigsten jüdischen Vereinigungen im Vereinigten Königreich hieß es im März 2018, dass der Oppositionsführer »immer wieder auf Seiten der Antisemiten und nicht der Juden« gestanden habe. Corbyn gebe sich mit Menschen ab, »die offen antisemitische Ansichten äußern«, lautete ein weiterer Vorwurf.

WARNZEICHEN Um gegen den Antisemitismus in der Labour‐Partei zu protestieren, hatten die drei führenden jüdischen Zeitungen in Großbritannien – der Jewish Chronicle, der Jewish Telegraph und die Jewish News – im vergangenen Sommer unter dem Motto »United we stand« ein identisches Cover veröffentlicht. Das Wiesenthal Center bezeichnet diese Warnzeichen als »alarmierend«.

Schon länger wird befürchtet, dass die Partei auseinanderbrechen könnte – auch vor dem Hintergrund der Brexit-Debatte. Die Meinungen über Corbyn, der auf Neuwahlen setzt, gehen stark auseinander. Viele werfen dem Alt-Linken vor, im Streit um den EU-Austritt zu lange keine klare Position bezogen zu haben. Ihm wird Mangel an Enthusiasmus für die EU vorgeworfen.

Kürzlich stellte Corbyn Premierministerin Theresa May die Unterstützung seiner Partei in Aussicht, falls sie beim Brexit eine Zollunion und eine Anbindung an den EU-Binnenmarkt akzeptiere. May lehnte dies strikt ab. Großbritannien will die Europäische Union in knapp sechs Wochen – am 29. März – verlassen.  dpa/ja

Antisemitismus-Bericht

Schweiz: »Wir haben einen Dammbruch erlebt«

Auch die Eidgenossenschaft erlebte im vergangenen Jahr einen sprunghaften Anstieg judenfeindlicher Vorfälle

von Michael Thaidigsmann  18.03.2025

Russland

Geschichte wird zugemacht

Das Ethnografische Museum in St. Petersburg schließt seine Ausstellung über jüdisches Leben im Zarenreich. Die Gründe sind vielfältiger als gedacht

von Polina Kantor  16.03.2025

Porträt

Klang des Lebens

Sie wurde gehörlos geboren und musste lernen, sich in der Welt der Hörenden zurechtzufinden. Darüber schrieb sie ein Buch, das zum Bestseller wurde. Eine Begegnung mit Fiona Bollag

von Nicole Dreyfus  15.03.2025

Brüssel

Früherer EJC-Chef Kantor von EU-Sanktionsliste gestrichen

Die Streichung des russisch-britischen Geschäftsmanns erfolgte offenbar auf Druck der ungarischen Regierung

 14.03.2025

Dänemark

Jüdin in Kopenhagen attackiert

Die Angreifer beschimpften sie antisemitisch und würgten ihr Opfer

 14.03.2025

Irak

Bericht: Israelisch-russische Geisel Elizabeth Tsurkov möglicherweise im Iran

Nachdem die USA im Fall der entführten Elizabeth Tsurkov den Druck auf den Irak erhöhen, heißt es, die Geisel wurde in den Iran verschleppt

 12.03.2025

Belgien

Fantasien über Mord an Juden fallen unter die Meinungsfreiheit

Entsetzen in der jüdischen Gemeinschaft: Ein Kolumnist wurde vom Vorwurf der Aufstachelung zur Gewalt gegen Juden freigesprochen

von Michael Thaidigsmann  12.03.2025

Österreich

Zwei Wochen lang »Shalom Oida«

Das Jüdische Filmfestival in Wien präsentiert die Realität jüdischen Lebens – von Antisemitismus bis Schidduch

von Stefan Schocher  11.03.2025

Frankreich

»Mach hier nicht auf Jude«

Eine Umfrage unter 2000 Jugendlichen zeigt, wie sich antisemitische Vorurteile auch an französischen Schulen ausbreiten

von Michael Thaidigsmann  10.03.2025