Großbritannien

Protest an der Downing Street

Wie jüdische Briten und Auslands-Israelis den Besuch von Premierminister Benjamin Netanjahu in London begleiteten

von Daniel Zylbersztajn-Lewandowski  30.03.2023 13:26 Uhr

Der britische Premier Rishi Sunak (l.) begrüßt seinen israelischen Kollegen Netanjahu. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Wie jüdische Briten und Auslands-Israelis den Besuch von Premierminister Benjamin Netanjahu in London begleiteten

von Daniel Zylbersztajn-Lewandowski  30.03.2023 13:26 Uhr

Vergangenen Freitag in London: Hunderte Israelis und britische Juden haben sich vor der Einfahrt zum Amtssitz von Premier Rishi Sunak in Downing Street versammelt. Viele schwenken die israelische Fahne und skandieren auf Hebräisch und Englisch die Wörter für »Schande« und »Demokratie«, unterstützt von rhythmischem Trommeln.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ist zu Besuch in Großbritannien und wird von Premier Sunak zu einem Gespräch empfangen. Auf der Tagesordnung stehen gemeinsame Sicherheitsinteressen, die Gefahr der nuklearen Bedrohung durch den Iran, die Herausforderungen durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine sowie ein gemeinsames Dossier zu den britisch-israelischen Beziehungen.

Den Versammelten auf der Straße geht es jedoch vor allem darum, gegen den, wie sie es nennen, Versuch der israelischen Regierung, die demokratische Balance im Land aus dem Gleichgewicht zu bringen, zu protestieren. Auch eine kleinere Gruppe von propalästinensischen und antizionistischen Demonstranten ist gekommen, doch kann sie mit der viel größeren und lauteren Gruppe pro-israelischer Protestierender nicht mithalten.

HASHTAG An der Demonstration nehmen auch zahlreiche Vertreter jüdischer Gemeinden und Verbände teil, darunter aus dem Masorti-, dem liberalen und dem Reformjudentum. In der Menge wollen einige auch den bekannten Musiker Erran Baron Cohen entdeckt haben sowie die Gründerin der Ini­tiative »Mitzvah Day«, Laura Marks. Unter dem Hashtag #RishiSaveIsrael (Rishi rette Israel) rufen die Demonstranten den britischen Premier auch im Internet auf, seinen Kollegen aus Jerusalem für dessen Pläne zu rügen, die Unabhängigkeit des israelischen Justizsystems zu beschneiden.

Von einer gemeinsamen Pressekonferenz, wie es bei solchen Besuchen sonst üblich ist, hatte man abgesehen.

In einer Presseerklärung aus Sunaks Büro heißt es, der Premierminister habe seine Solidarität mit Israel bezüglich der terroristischen Angriffe der letzten Monate ausgesprochen, jedoch vor einer Eskalation der Spannungen im Westjordanland gewarnt sowie vor Risiken, die die Zweistaatenlösung unterminierten. Angesichts der geplanten Justizreformen in Israel unterstreicht Sunak, dass es wichtig sei, demokratische Werte beizubehalten. Sie seien »die Basis der gemeinsamen Beziehung zwischen dem Vereinigten Königreich und Israel«.

Beide Regierungschefs wollten außerdem rasche Fortschritte machen bei der Ausarbeitung eines »gegenseitigen modernen freien Handelsabkommens mit den allerneuesten Dienstleistungsangeboten«, heißt es in einer Erklärung. Zudem gab Sunak an, er wolle Israel bei nächstmöglicher Gelegenheit besuchen. Von einer gemeinsamen Pressekonferenz, wie es bei solchen Besuchen sonst üblich ist, hatte man abgesehen – Gründe dafür wurden offiziell nicht genannt.

GEFAHR Zahlreiche britische Politiker äußerten sich kritisch über Netanjahus Besuch in London. Die konservative Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses, Alicia Kearns, merkte an, es bestünde derzeit die Gefahr einer dritten Intifada, ein Besuch Netanjahus in London könne da »nicht weise« sein. Die Politik der neuen israelischen Regierung führe zu großem Unbehagen, sagte sie.

Der Labour-Abgeordnete Alex Sobel, dessen Eltern aus Israel kommen, twitterte, dass eine unabhängige Justiz eine zentrale Säule der Demokratie sei. Netanjahu beabsichtige, das höchste israelische Gericht in seine Marionette zu verwandeln. Liberaldemokratische Parlamentsabgeordnete forderten Premier Sunak auf, sich mit Netanjahu hinsichtlich der Gefahren der Unabhängigkeit der israelischen Justiz zu unterhalten.

Vor dem Besuch hatte der britische Oberrabbiner Ephraim Mirvis mit Bezug auf die Krise in Israel und der Möglichkeit eines Bürgerkriegs zur jüdischen Einigkeit aufgerufen und eine »heilige Verantwortung« beschworen. In der Wochenzeitung »Jewish Chronicle« rief die Präsidentin des britisch-jüdischen Dachverbands Board of Deputies, Marie van der Zyl, zum Blick auf das Gemeinsame auf.

Spanien

Mallorca als Vorbild

Das Stadtparlament von Palma hat eine Antisemitismus-Resolution verabschiedet – anders als der Rest des Landes

von Sabina Wolf  26.07.2024

Sport

Der Überflieger

Artem Dolgopyat ist in Israel ein Star. Bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio gewann der Turner Gold, 2023 wurde er Weltmeister. Nun tritt er in Paris an

von Martin Krauß  26.07.2024

Europäisches Parlament

»Zittert. Das hier ist nur der Anfang«

Die frisch gebackene französische Abgeordnete Rima Hassan hetzt gegen Israel

von Michael Thaidigsmann  25.07.2024

Ausstellung

Olympioniken im KZ Buchenwald

Auf dem Ettersberg bei Weimar treffen unterschiedlichste Biografien aufeinander

von Matthias Thüsing  25.07.2024

Frankreich

»Man ist schließlich französisch«

Ganz Paris feiert die Olympischen Spiele. Ganz Paris? Nicht alle Juden fühlen sich vom erwünschten »Wir-Effekt« angesprochen. Denn das Land bleibt zerrissen

von Sophie Albers Ben Chamo  25.07.2024

USA

Die zweite Wahl?

Mit dem Rückzug von Joe Biden und der Kandidatur von Kamala Harris könnte das Rennen um die Präsidentschaft noch einmal richtig spannend werden

von Michael Thaidigsmann  24.07.2024

Jüdische Emigration

Die Niederlande - Ein Ort der Zuflucht für Juden?

Die Historikerin Christine Kausch nimmt das Leben jüdischer Flüchtlinge in den Blick

von Christiane Laudage  24.07.2024

Vor 80 Jahren

Von Rhodos nach Auschwitz

1944 wurden 2000 Jüdinnen und Juden von Rhodos nach Auschwitz deportiert. Nur wenige überlebten

von Irene Dänzer-Vanotti  23.07.2024

Jerusalem

Nach Gaza entführter Holocaust-Experte für tot erklärt 

Der Historiker Alex Dancyg ist in der Geiselhaft umgekommen

 22.07.2024