Grossbritannien

»Nützliche Idioten«

Schulterschluss: Rabbi Shifren (M.) marschiert mit der English Defence League. Foto: AP

Ein seltsames Bild bot sich Ende Oktober vor der israelischen Botschaft in London: 300 meist kurzhaarige englische Patrioten mit Flaggen und Transparenten intonieren Sprechchöre wie »England till I die«, die geradewegs aus der Fußball-Fankurve zu kommen schienen. Ganz vorn steht ein bärtiger Mann mit Kippa, Sonnenbrille und regungsloser Miene: Nachum Shifren, bekannt als Surfing Rabbi, doziert gerne über Wellenreiten als »kabbalistische Suche nach der Seele«. Doch an diesem Tag ist er in anderer Mission unterwegs: Er nimmt an einer Solidaritätskundgebung für Israel teil – auf Einladung der anti-islamischen English Defence League (EDL).

Als Shifren, umgeben von Davidsternen und Georgskreuzen der englischen Fahne, zum Mikrofon greift, wendet er sich nicht nur gegen den militanten Islam. Der streitbare Kalifornier, der am Dienstag für die Republikaner bei der US-Senatswahl antrat, richtet auch ein Wort an »meine jüdischen Brüder, die mich einen Nazi genannt haben. Sie haben nicht den Mut, hier zu stehen und sich um die Dinge zu kümmern«. Dass Shifren sich just dazu berufen fühlt, sorgt in britisch-jüdischen Kreisen für Aufregung. »Sehr verwirrt« nannte Jonathan Freedland, renommierter Kolumnist des Guardian, Shifrens Allianz mit der »ultra-nationalistischen, borderline-rassisistischen EDL«.

Gewalt Die Gründe für die Empörung sind zahlreich: Bei den Demonstrationen der 2009 gegründeten EDL kommt es regelmäßig zu Gewalt gegen die Polizei, manchmal auch gegen Migranten, sowie zu Auseinandersetzungen mit linken Gegendemonstranten. Auch lassen sich EDL-Anhänger gelegentlich beim Grüßen mit gestrecktem Arm filmen. Personelle Verbindungen zur rechtsextremen British National Party und Parolen wie »our streets Arab-free« stehen den Beteuerungen der EDL-Leitung entgegen, man sei nicht rassistisch und keineswegs gegen Muslime, sondern nur gegen den Islam.

Die Episode mit Nachum Shifren indes ist nur die Zuspitzung eines Konflikts, der seit Monaten schwelt: Im Sommer nämlich lancierte die EDL, die in regionale Abteilungen untergliedert ist, eine »Jewish Division«, die nach eigenen Angaben um die 100 Mitglieder hat. Die brasilianisch- stämmige Roberta Moore, Sprecherin der Jewish Division, ist inzwischen eine der bekanntesten EDL-Aktivisten. Auch sie wehrt sich gegen das Bild einer faschistoiden Schlägerbande: »Wenn wir uns selbst verteidigen – ist das Hooliganismus? Die jüdische Gemeinschaft sitzt in ihren Häusern und tut nichts. Dabei profitiert sie von unseren Aktionen.«

Hooligans Bislang jedoch erfährt die Jewish Division von englischen Juden vor allem Ablehnung. Die landesweite jüdische Sicherheitsorganisation Community Security Trust (CST) nennt die EDL »gewalttätig und einschüchternd«, da sie in der gesamten muslimischen Bevölkerung Furcht verbreite. Der jüdische Zweig, so CST-Sprecher Mark Gardner, sei nur ein winziger Teil einer Bewegung, deren Aktivisten früher mehrheitlich der National Front oder Hooligangans angehört hätten. Juden, die glaubten, die EDL formen oder dort Schutz finden zu können, erlägen daher einer Täuschung. Kürzer fasst sich Telegraph-Redakteur Julian Kossoff: Er sieht die Jewish Division lediglich als »nützliche Idioten« der EDL.

USA

Angriff auf Cousin einer ermordeten Geisel

Ariel Yaakov Marciano wurde in Santa Monica angegriffen und geschlagen, weil er Hebräisch sprach

 17.09.2025

Belgien

Gent bleibt hart: Lahav Shani bei Festival weiter unerwünscht

Nach massiver Kritik befasste sich der Verwaltungsrat des Musikfestivals am Montagabend erneut mit der Ausladung der Münchner Philharmoniker. Es blieb bei der Ausladung

von Michael Thaidigsmann  16.09.2025

Bundesamt für Statistik

Dieser hebräische Vorname ist am beliebtesten bei Schweizer Eltern

Auch in der Schweiz wählen Eltern weiterhin häufig biblische Namen für ihr Neugeborenes

von Nicole Dreyfus  16.09.2025 Aktualisiert

Kommentar

Das Geraune von der jüdischen Lobby

Der Zürcher »Tages-Anzeiger« befasst sich kritisch mit dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund, der die Absage einer Veranstaltung mit Francesca Albanese an der Uni Bern gefordert hatte. Dabei war diese Intervention richtig

von Michael Thaidigsmann  15.09.2025

Argentinien

Raubkunst in der Immobilienanzeige

Die Tochter eines Naziverbrechers wollte ihre Villa verkaufen und führte Ermittler auf die Spur einer gestohlenen Kunstsammlung

von Andreas Knobloch  13.09.2025

München/Gent

Charlotte Knobloch spricht von »historischem Echo«

Nach der Ausladung des israelischen Dirigenten Lahav Shani von einem Musikfestival meldet sich Charlotte Knobloch mit deutlichen Worten

 11.09.2025

Italien

Jüdisches Touristen-Paar in Venedig attackiert

Die Täter schrien »Free Palestine«, bevor sie die Ehefrau mit einer Flasche attackierten und ihren Ehemann ohrfeigten

 11.09.2025

Georgien

Sicher und schön

Der Kaukasus-Staat pflegt Erbe und Zukunft der Juden. Und bietet atemberaubende Natur. Ein Besuch

von Michael Khachidze  11.09.2025

Belgien

Argerich, Maisky, Schiff empört über Gent-Festival

Bekannte jüdische und nichtjüdische Musiker haben eine Petition gestartet, um gegen die Ausladung der Münchner Philharmoniker und ihres Dirigenten Lahav Shani zu protestieren

 11.09.2025