Biografie

»Mutig bis zur Verrücktheit«

Das Cover des Buches »Die Heldin von Auschwitz. Leben und Widerstand der Mala Zimetbaum« von Barbara Beuys Foto: picture alliance/dpa/Suhrkamp Verlag

Biografie

»Mutig bis zur Verrücktheit«

Mala Zimetbaum symbolisiert den jüdischen Widerstand in Auschwitz

von Sibylle Peine  12.12.2023 08:19 Uhr

Mala Zimetbaums Leben ist die Geschichte einer Heldin. Wie kann es dann sein, dass kaum jemand mehr diese mutige Jüdin kennt? Zwar gibt es in Antwerpen eine Gedenktafel an ihrem einstigen Wohnhaus und es wurden auch schon Bücher über die in Auschwitz ermordete junge Frau geschrieben. Doch keines von ihnen hatte eine große Resonanz.

Die Biografie einer italienischen Autorin fand vor einigen Jahren nicht einmal einen deutschen Verlag. Jetzt unternimmt die Historikerin und Journalistin Barbara Beuys einen neuen Versuch, die Heldin von Auschwitz dem Vergessen zu entreißen.

Mala Zimetbaum hat wenig eigene Zeugnisse hinterlassen. Doch es gibt zahlreiche Auschwitz-Überlebende, die ihr mutiges Handeln im Todeslager dokumentieren. »Jeder im Lager kannte Mala«, erzählt eine Augenzeugin. »Durch ihr Geschick und ihre Risikobereitschaft hat sie vielen Frauen das Leben gerettet.« Eine andere hielt sie für »mutig bis zur Verrücktheit«. Es habe keine Aktion gegeben, die ihr zu schwierig gewesen sei.

Viele Sprachen

Fest steht, dass die Frau ihre etwas privilegierte Position im Frauenlager Auschwitz-Birkenau dazu nutzte, sich auf vielfältige Weise für die geschundenen Gefangenen einzusetzen und ihnen unter unmenschlichen Bedingungen so etwas wie Würde zuteil werden zu lassen.

Mala Zimetbaum wird 1918 in der Kleinstadt Brzesko östlich von Krakau geboren. Ihre Eltern sind Juden, die in einfachen Verhältnissen leben. Aus wirtschaftlichen Gründen wechselt die Familie häufig den Wohnort: von Brzesko nach Mainz, von dort zurück nach Polen, dann erneut nach Westen, nach Ludwigshafen, und schließlich nach Antwerpen, wo die Familie eine endgültige Heimat findet. Wegen dieser häufigen Wohnortwechsel spricht Mala viele Sprachen: neben Polnisch und Deutsch auch Jiddisch, Flämisch und Französisch.

Vor allem diese Sprachkompetenz wird ihr unter der Nazi-Herrschaft sehr nützlich sein. So wird sie bei der Einrichtung eines SS-Sammellagers in Mechelen bei der Registrierung jüdischer Häftlinge eingesetzt. In Auschwitz, wohin man sie 1942 nach einer Razzia deportiert, macht man sie zur Laufbotin. In dieser Funktion kann sie sich relativ frei im Lager bewegen, die Abläufe und Hierarchien erkunden, Nachrichten und Gegenstände unter den Gefangenen austauschen.

Zusätzliches Essen

Mala, die das Vertrauen der grausamen KZ-Aufseherinnen genießt, organisiert heimlich zusätzliches Essen, Kleidung oder Medikamente für die gefangenen Frauen. Auch Todgeweihte sollen auf ihre Intervention hin von der Selektionsliste gestrichen worden sein.

Zum Verhängnis wird ihr eine Liebesgeschichte mit einem polnischen Gefangenen, dessen gefährlicher Flucht sie sich im Sommer 1943 anschließt. Ist es wahr, dass diese Aktion dazu diente, der Welt die Verbrechen von Auschwitz zu offenbaren? Einige ihrer Bewunderinnen behaupten dies. Beweisen lässt es sich nicht mehr.

Die beiden Flüchtigen werden jedenfalls gefasst, ihr Freund hingerichtet. Sie selbst widersetzt sich in einer letzten mutigen Aktion, schneidet sich die Pulsadern auf und schlägt einem SS-Mann vor den versammelten Lagerinsassen mit der blutigen Hand ins Gesicht. Sie stirbt.

Neue Quellen

Die Autorin hat sehr gründlich recherchiert und dabei neue Quellen erschlossen, so etwa über Malas Wurzeln im polnischen Brzesko. Darüber hinaus bietet sie wichtige Informationen über das Judentum und die Nazi-Besatzung in Belgien.

Zu intensiv allerdings breitet sich Beuys über die allgemeine Organisation des Holocausts aus. Da erinnert ihre Erzählung zu sehr an ein Geschichtslehrbuch, noch verstärkt durch die endlose Aufzählung von Todestransporten nach Auschwitz. Mala Zimetbaums Geschichte braucht diese Verdeutlichung des Grauens gar nicht, sie wirkt ganz von selbst.

Trotzdem ist dies ein wichtiges Buch über eine fast unbekannte Heldin, dem viele Leser und Leserinnen zu wünschen sind.

Barbara Beuys: Die Heldin von Auschwitz. Leben und Widerstand der Mala Zimetbaum, Suhrkamp Verlag, Berlin 333 Seiten, 26,00 Euro, ISBN 978-3-458-64386-9

Kommentar

In Zohran Mamdanis New York werden Juden geduldet, nicht akzeptiert

»Liberale Zionisten« müssen in der Regierung des neuen Bürgermeisters keinen »Lackmustest« fürchten. Was beruhigend klingen soll, zeigt, wie stark der Antisemitismus geworden ist - nicht zuletzt dank Mamdani

von Gunda Trepp  05.11.2025 Aktualisiert

New York

ADL will Mamdani unter Beobachtung stellen

Die Anti-Defamation League erwartet vom neugewählten New York Bürgermeister nichts Gutes. Jetzt hat die jüdische Organisation angekündigt, man werde genau hinschauen

 05.11.2025

Amsterdam

Wegen IDF-Kantor: Concertgebouw sagt Chanukka-Konzert ab

Die renommierte Musikhalle hat wegen des geplanten Auftritts von IDF-Chefkantor Shai Abramson das alljährliche Konzert abgesagt. Die jüdische Gemeinschaft ist empört und will gegen den Entscheid klagen

von Michael Thaidigsmann  05.11.2025 Aktualisiert

Kommentar

Mamdanis demokratische Steigbügelhalter

Führende Politiker der Demokraten haben aus Opportunismus die Wahl des Israel-Hassers Zohran Mamdani zum New Yorker Bürgermeister ermöglicht - und so in Kauf genommen, dass aus Worten gegen Israel wieder Gewalt gegen Juden werden könnte

von Menachem Z. Rosensaft  05.11.2025

Vatikan

Theologe: Antisemitismus bei Vatikan-Konferenz kein Einzelfall

Der Salzburger Theologe Hoff berichtet über Eklats bei einer jüngsten Vatikan-Konferenz. Ein Schweizergardist soll sich verächtlich über Mitglieder einer jüdischen Delegation geäußert und in ihre Richtung gespuckt haben

 04.11.2025

Spanien

Francos Erbe

Das Land, das den Sefardim einst ihren Namen gab, verlangt seinen Juden heute einiges ab

von Valentin Suckut  03.11.2025

»Nobody Wants This«

Alle wollen Esther

Einer der Gründe, die Netflix-Serie zu sehen, ist Jackie Tohn. Die Schauspielerin mit dem Blick, der Stahl schmelzen kann, tanzt gern auf vielen Hochzeiten

von Sarah Thalia Pines  03.11.2025

Slowakei

Neues Leuchten in Trenčín

Eine restaurierte Synagoge wird zum Herzstück der Kulturhauptstadt 2026 – und zum Zeichen jüdischer Erneuerung

von Kilian Kirchgeßner  03.11.2025

USA

Unsicher in New York

Zohran Mamdani ist der mögliche nächste Bürgermeister der Metropole – und für viele Juden ein Problem

von Mark Feldon  30.10.2025