Österreich

Mehr Freiheit durch die Grenze

Seit Mitte des Monats mit Schabbatgrenze: die Wiener Innenstadt Foto: JA

Es war ein langer Weg. Vor neun Jahren wurde das Projekt eines Wiener Eruv, einer Schabbatgrenze, in Angriff genommen. Kurz vor Rosch Haschana kam dann, ganz salopp via Facebook, die nach langem Warten überraschende Nachricht: Er ist fertig, der Eruv. »Schauen Sie sich die Frauen an, die jetzt überglücklich sind, dass sie mit ihren Babys am Schabbat in die Synagoge gehen können«, sagt Ariel Muzicant, heute Ehrenpräsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG), stolz. Unter seiner Gemeindeführung hatte der Wiener Eruv langsam Kontur angenommen.

Es sind an den ersten Samstagen nach der Bekanntgabe tatsächlich viele Kinderwagen zu den Synagogen geschoben worden. Allerdings nicht nur von Müttern. Auch auf dem Weg zu den ganz orthodoxen Bethäusern sah man erstaunlich viele Väter mit Kinderwagen. Bisher waren sie allein oder mit den älteren Söhnen und Töchtern zum Beten gegangen. Nun ist die ganze Familie dabei. »Was für eine Erleichterung, dass ich nicht mehr jeden Samstag in unserer Wohnung verbringen muss«, sagt eine junge Mutter.

Es waren vor allem orthodoxe Frauen, die sich für das Projekt starkgemacht hatten. Vor fünf Jahren sammelten sie sogar Unterschriften. Damals wurde auch erstmals in den Medien ausführlicher über das Vorhaben berichtet. Nach Drohungen gegen den Eruv verhängte die IKG jedoch einen Nachrichtenstopp. Zur Geheimhaltung sieht man sich nach wie vor verpflichtet. Um Vandalismus vorzubeugen, werden Details zur Konstruktion und die exakte Streckenführung nicht bekannt gegeben, betont IKG-Präsident Oskar Deutsch.

donau Auf www.eruv.at kann man sich aber ansehen, welches Areal hier umschlossen wird: Es sind die Wiener Bezirke eins bis neun (wobei kleine Teile des dritten Bezirks nicht eingeschlossen sind) sowie große Teile des 20. Bezirks. Insgesamt handelt es sich um eine Strecke von rund 25 Kilometern. Es wurden auch natürliche Begrenzungen genutzt wie etwa die Donau entlang des 2. und des 20. Bezirks. Die Webseite gibt immer freitags darüber Auskunft, ob der Eruv intakt und damit koscher ist. Ein Mitarbeiter der IKG kontrolliert den Eruv jede Woche. Entdeckt er eine Lücke, wird dies sofort online bekannt gegeben sowie in den Synagogen und Bethäusern ausgehängt.

Die Errichtung des Eruvs sei ausschließlich aus Spenden bestritten worden, betont Deutsch. Gleiches gelte künftig für die Instandhaltung. Genaue Angaben zu den Kosten will der Gemeindechef nicht machen. Es wird allerdings noch Geld gesammelt: Weitere 100.000 Euro müssten aufgebracht werden, sagt Deutsch.

zynismus Die Reaktionen der Wiener Bevölkerung, vor allem nachzulesen in diversen Tageszeitungsforen, reichten von Zynismus (»Sündenvermeidung«) über grundsätzliche Religionskritik bis hin zu wohlwollenden Reaktionen wie etwa dieser: »Juden spannen Schnüre, Muslime stürmen Botschaften. Ich weiß, was mir lieber ist.«

Unter den Frauen der orthodoxen Community wird dieser Tage vor allem erörtert, welche Handtasche man nun am Schabbat nutzen kann, ob es eine andere als wochentags sein muss, wie groß – oder eher klein – sie zu sein hat, und was mitgenommen werden darf. Wie man den Eruv korrekt nutzt, darüber scheint es generell Informationsbedarf zu geben. Das Rabbinat hat daher kurzfristig zu einem Abend in die Gemeinde eingeladen.

Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg gab in seinem Rosch-Haschana-Newsletter schon einmal die grobe Linie vor: Der Eruv sei »eine technische Einrichtung, die innerhalb des Gürtels (eines Wiener Straßenzugs) das Tragen von Objekten auch am Schabbat ermöglicht. Die Idee an der Sache ist, dass man dieses Gebiet durch Einzäunungen quasi zu einem großen Privatgebiet deklariert«. Eisenberg fügt allerdings hinzu: »Wir sollten dies nicht nur als ›Tragehilfe‹ sehen, sondern auch als ein Symbol, das uns vereint.«

Antisemitismus

Angriff auf Synagoge und Restaurant in Melbourne

Während etwa 20 Menschen Schabbat feierten, setzte ein Mann die Tür des Gebäudes in Brand. Kurz darauf wurde ein koscheres Restaurant gestürmt. Nun hat die Polizei einen Verdächtigen festgenommen

 06.07.2025 Aktualisiert

Belgien

»Gaza gleich Auschwitz«-Karikatur gewinnt Wettbewerb

Der erste Preis des Press-Cartoon-Belgium-Wettbewerbs ging in diesem Jahr an eine Zeichnung einer Landkarte, in der die Umrisse des Eingangstores von Birkenau auf die des Gazastreifens gelegt sind

von Michael Thaidigsmann  04.07.2025

Kommentar

Zürich sollte Francesca Albanese keine Bühne bieten

Die antisemitische UN-Sonderberichterstatterin tritt am Freitag in der Zürcher Zentralwäscherei auf - subventioniert durch die Steuerzahler der Stadt

von Ronny Siev  03.07.2025

Großbritannien

Unterhaus: Palestine Action als Terrororganisation eingestuft

Mitglieder der radikalen Anti-Israel-Gruppe waren im Juni auf einen britischen Luftwaffenstützpunkt eingedrungen und hatten dort Flugzeuge beschädigt

 03.07.2025

Ukraine

Putins Krieg und Trumps Frieden

Während sich die Medienaufmerksamkeit auf Nahost konzentriert, bombardiert Russland weiterhin das Land. Nun schlägt sogar der US-Präsident neue Töne an

von Michael Gold  03.07.2025

Australien

Zwei Krankenpfleger, die damit drohten, jüdische Patienten zu töten, haben Arbeitsverbot

Im Februar sorgte ein TikTok-Video für Abscheu und Empörung, in dem zwei Krankenpfleger ihrem blanken Judenhass freien Lauf ließen. Nun stehen sie vor Gericht

 02.07.2025

Großbritannien

Warten auf »Bridgerton«

Die Sehnsucht nach der vierten Staffel des Netflix-Hits ist groß. Aber wie war eigentlich das reale jüdische Leben in der Regency?

von Nicole Dreyfus  29.06.2025

Glastonbury Festival

Kritik an antiisraelischen Parolen

Neben der Musik sorgt Hetze gegen Israel für Aufsehen – mit Folgen für die BBC, die alles live übertragen hat

 29.06.2025

Glastonbury

Bob Vylan ruft »Death, death to the IDF« – BBC überträgt es

Beim größten Open Air Festival Großbritanniens rufen Musiker antiisraelische Parolen

 28.06.2025