New York

»Let My People Swim«

Eine chassidische Frau beim Metropolitan Pool in Williamsburg. Foto: dpa

Eine Posse schlägt hohe Wellen in New York. Seit 25 Jahren waren es die Besucher des öffentlichen Metropolitan Pool in der Bedford Avenue in Williamsburg, einem orthodoxen Viertel Brooklyns, gewohnt, dass die Schwimmhalle drei bis vier Mal die Woche für einige Stunden Frauen vorbehalten blieb. Die Regelung trägt den Moralvorstellungen der Anwohner Rechnung. Doch eine anonyme Anzeige brachte den Alltag der Frommen plötzlich durcheinander.

Wie so häufig traute sich derjenige, der die Welle durch seine Anzeige auslöste, nicht, für seine Meinung einzustehen. Aus sicherer Deckung kritisierte er scharf: Die Regelung der Charedim, so die Anzeige, die bei der Commission of Human Rights, der Menschenrechtskommission der Stadt, gestellt wurde, verletze die Menschenwürde. Das zuständige Parks Department ordnete daraufhin Ende Mai an, die nach Geschlechtern getrennten Schwimmzeiten abzuschaffen.

New York Times Das wiederum rief den Demokraten Dov Hikind auf den Plan. Er vertritt Brooklyns Wahlbezirk 48 im Parlament des Bundesstaats New York. Hikind sorgte dafür, dass die Entscheidung zurückgenommen wurde. Alles hätte wieder seinen Gang gehen können in der Bedford Avenue, hätte nicht die New York Times Wind von der Sache bekommen.

Wieder wurden große Geschütze aufgefahren – und wieder anonym, was erstaunlich ist, erschien doch der Text auf der Kommentarseite der Zeitung. Als Autor wird »die Redaktion« angegeben. Sehr ungewöhnlich, offenbaren doch als Meinung gekennzeichnete Artikel immer ihren Verfasser. Nicht so in diesem Fall.

Und so wurde ordentlich vom Leder gezogen. Der Status quo verletze »die Gesetze von New York City, der amerikanischen Verfassung und die allgemein gültigen Gesetze von Fairness und gleichberechtigtem Zugang. Die Gesetze der Stadt schreiben eindeutig vor, dass öffentliche Einrichtungen wie ein Schwimmbad niemanden aufgrund seines Geschlechts ausschließen dürfen«. Der anonyme Verfasser raunte weiter, »es stinkt zum Himmel, dass die Religion in säkulare Bereiche vordringt«. Ultimativ wurde die Stadt aufgefordert, die »religiöse Apartheid« zu beenden. Und schließlich: »Wer sich den Regeln in einem öffentlichen Pool nicht anpassen will, soll in seinem eigenen Becken schwimmen, mit wem auch immer.«

Es dauerte nicht lange, bis der Ton dieses Kommentars für wütenden Widerspruch sorgte. Seth Lipsky, Gründungschefredakteur der New York Sun, schrieb in der New York Post eine geharnischte Antwort: »Let My People Swim – and Damn the New York Times.«

Muslima Für besondere Aufregung sorgte die Tatsache, dass die New York Times erst im Februar lobend über ein öffentliches Wohnprojekt in Toronto berichtet hatte, in dessen Poolanlage eigene Schwimmzeiten für muslimische Frauen angeboten werden. »Wenn es toll ist, dass auf die Wünsche der Frauen in der muslimischen Gemeinschaft eingegangen wird, warum ist es dann ein Problem, wenn das Gleiche bei Frauen aus orthodoxen jüdischen Gemeinden geschieht?«, fragt der Orthodox Jewish Public Affairs Council.

Für Dov Hikind hingegen ist die Sache klar. »Die Rücknahme der Entscheidung ist ein großer Sieg für die Menschenrechte«, sagte er der Jüdischen Allgemeinen. Es sei damit »sichergestellt, dass für ganz Williamsburg weiterhin die Möglichkeit geboten wird, nach Geschlechtern getrennt zu schwimmen. Es geht darum, die Rechte aller zu respektieren – unabhängig von deren Religion.«

Angesprochen auf den Artikel in der New York Times sagt Hikind: »Die Berichterstattung empfinde ich wie einen Orden für mich. Mit Verlaub: Die Frauen-Schwimmstunden stehen allen Frauen aus der Umgebung offen, nicht nur den orthodoxen. Ich bin entsetzt darüber, dass daraus eine religiöse Angelegenheit gemacht wurde. Es ist ein Gebot der Fairness, sich als fortschrittlicher Mensch für den Respekt vor unterschiedlichen Kulturen einzusetzen.«

Also alles nur ein Sturm im Wasserglas? Nicht ganz. Das Parks Department, so heißt es, überprüfe die Regelung weiterhin.

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