Frankreich

Le populiste

Umstritten: Jean-François Copé Foto: dpa

Kaum etwas erregt die Gemüter in Frankreich so sehr wie das Essen. Darauf muss Jean-François Copé, frisch gekürter Vorsitzender der konservativen Partei UMP, spekuliert haben, als er just ein Schokocroissant zum Dreh- und Angelpunkt eines Aufschreis gegen den »anti-weißen Rassismus« machte, der in Frankreich angeblich auf dem Vormarsch sei: Während des Fastenmonats Ramadan hätten sich an einer Schule muslimische Jugendliche zusammengefunden, um ihren Klassenkameraden »in der Manier iranischer Tugendwächter« ebenjenes Gebäck wegzunehmen.

Programm Diese Begebenheit findet sich in Copés neuem Buch Le Manifeste pour une droite décomplexée (Für eine Rechte ohne Komplexe), das mal wieder in Aussicht stellt, zum ersten Mal und ohne politisch korrekte Tabus die Nöte der anständigen Franzosen aufs Tapet zu bringen. Copés Programm ist tatsächlich frei von Komplexen, ebenso frei aber auch von Komplexität: Soziale Fragen werden mit Fragen der Identität und der Sicherheit verschmolzen, wobei recht schamlos Anleihen bei der Rechtsaußen-Konkurrentin Marine Le Pen genommen werden.

Aufschluss über Copés Ansichten und seinen Rückhalt bei den Konservativen geben womöglich seine Biografie sowie sein zielstrebig verfolgter Weg in der Politik. Schon mit zehn Jahren soll er davon geträumt haben, französischer Präsident zu werden. Dabei stammt er nicht aus der alten französischen Ämteraristokratie, die bei den Konservativen lange den Ton angab.

Herkunft Copés Eltern sind beide jüdischer Herkunft. Die Mutter wanderte in Folge des Krieges in Algerien nach Frankreich aus, die Wurzeln der Familie seines Vaters, die ursprünglich Copelovici hieß, liegen in Rumänien. Sein Großvater überlebte die deutsche Besatzung in Frankreich dank eines »Gerechten«, der ihn und seine Familie während einer Razzia versteckte.

Wo andere aus dem Nationalsozialismus eine Sensibilität gegenüber verschiedenen Formen der Diskriminierung ableiten, steht für Copé die Rettung seiner Familie im Vordergrund. Aus ihr sei ihm eine flammende Liebe zur französischen Nation erwachsen, sagte er in einem Radiointerview. Zur jüdischen Gemeinde pflegt er keine besondere Nähe, als erklärter Laizist und Kommunitarismusgegner fühle er sich nur der »nationalen Community« angehörig.

Ursprünglich Finanz- und Managementexperte, holte ihn der ehemalige Präsident Jacques Chirac in die Politik. Vom Provinzbürgermeister bis zum Staatssekretär sammelte er dort Posten um Posten – aber verzichtete auf Ministerämter. Geschickterweise, wie man heute weiß: Als Generalsekretär und Fraktionsvorsitzender festigte er lieber seine Macht innerhalb der Partei und überlebte so, frei von Kratzern, den Niedergang Sarkozys und seiner Truppe.

Le Pen So kann er seinen Kampf für die Rechte »ohne Komplexe« weiterführen. Ob seine Familiengeschichte ihn dabei schützt, gemeinsame Sache mit dem rechten Rand zu machen, wie Parteifreunde attestieren, ist fraglich. Zu diesem Schluss kommt Claude Askolovitch, früherer Chefredakteur der jüdischen Zeitschrift »Arche«: »Vielleicht unterscheidet sich Copé wirklich durch seine Herkunft von Marine Le Pen. Aber selbst wenn das der Fall sein sollte, wäre das schrecklich wenig.«

Kommentar

In Zohran Mamdanis New York werden Juden geduldet, nicht akzeptiert

»Liberale Zionisten« müssen in der Regierung des neuen Bürgermeisters keinen »Lackmustest« fürchten. Was beruhigend klingen soll, zeigt, wie stark der Antisemitismus geworden ist - nicht zuletzt dank Mamdani

von Gunda Trepp  05.11.2025 Aktualisiert

New York

ADL will Mamdani unter Beobachtung stellen

Die Anti-Defamation League erwartet vom neugewählten New York Bürgermeister nichts Gutes. Jetzt hat die jüdische Organisation angekündigt, man werde genau hinschauen

 05.11.2025

Amsterdam

Wegen IDF-Kantor: Concertgebouw sagt Chanukka-Konzert ab

Die renommierte Musikhalle hat wegen des geplanten Auftritts von IDF-Chefkantor Shai Abramson das alljährliche Konzert abgesagt. Die jüdische Gemeinschaft ist empört und will gegen den Entscheid klagen

von Michael Thaidigsmann  05.11.2025 Aktualisiert

Kommentar

Mamdanis demokratische Steigbügelhalter

Führende Politiker der Demokraten haben aus Opportunismus die Wahl des Israel-Hassers Zohran Mamdani zum New Yorker Bürgermeister ermöglicht - und so in Kauf genommen, dass aus Worten gegen Israel wieder Gewalt gegen Juden werden könnte

von Menachem Z. Rosensaft  05.11.2025

Vatikan

Theologe: Antisemitismus bei Vatikan-Konferenz kein Einzelfall

Der Salzburger Theologe Hoff berichtet über Eklats bei einer jüngsten Vatikan-Konferenz. Ein Schweizergardist soll sich verächtlich über Mitglieder einer jüdischen Delegation geäußert und in ihre Richtung gespuckt haben

 04.11.2025

Spanien

Francos Erbe

Das Land, das den Sefardim einst ihren Namen gab, verlangt seinen Juden heute einiges ab

von Valentin Suckut  03.11.2025

»Nobody Wants This«

Alle wollen Esther

Einer der Gründe, die Netflix-Serie zu sehen, ist Jackie Tohn. Die Schauspielerin mit dem Blick, der Stahl schmelzen kann, tanzt gern auf vielen Hochzeiten

von Sarah Thalia Pines  03.11.2025

Slowakei

Neues Leuchten in Trenčín

Eine restaurierte Synagoge wird zum Herzstück der Kulturhauptstadt 2026 – und zum Zeichen jüdischer Erneuerung

von Kilian Kirchgeßner  03.11.2025

USA

Unsicher in New York

Zohran Mamdani ist der mögliche nächste Bürgermeister der Metropole – und für viele Juden ein Problem

von Mark Feldon  30.10.2025