Budapest

Kulturfunktionär zieht »Gaskammer«-Äußerung zu Soros zurück

Projektionsfläche des Antisemitismus: der amerikanische Milliardär George Soros, 1930 als György Schwartz in Budapest geboren Foto: imago images/Metodi Popow

Der Leiter des Budapester Petöfi-Literaturmuseums, Szilard Demeter, hat am Samstag dem US-Investor und Philanthropen George Soros vorgeworfen, Europa zu seiner »Gaskammer« gemacht zu haben. »Aus den Fässern der multi-kulturellen offenen Gesellschaft entströmt das Giftgas, das für die europäische Lebensform tödlich ist«, schrieb Demeter in einem Kommentar für das regierungsnahe Internet-Portal »origo.hu«.

Ungarn und Polen seien »die neuen Juden«, führte er weiter aus. Demeter äußerte sich zum EU-Haushaltsstreit, bei dem Ungarn und Polen wichtige Budgetbeschlüsse im Umfang von 1,8 Billionen Euro mit ihrem Veto blockieren. Die beiden ost-mitteleuropäischen Länder wollen auf diese Weise verhindern, dass ein neuer Rechtsstaatsmechanismus wirksam wird. Dieser droht Ländern, deren Regierungen in die Unabhängigkeit der Justiz eingreifen, mit dem Entzug von EU-Hilfen.

Hetzkampagnen Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán hat in der Vergangenheit immer wieder Hetzkampagnen gegen den aus Ungarn stammenden Holocaust-Überlebenden Soros gestartet. Diese unterstellen ihm, dass er Europa mit muslimischen Migranten überfluten wolle, um die christliche und nationale Identität der europäischen Völker auszulöschen. Beweise dafür wurden nicht vorgelegt. Soros, der mit Investment-Spekulationen reich wurde, fördert weltweit Akteure der Zivilgesellschaft und Kämpfer für die Menschenrechte.

Auch den Rechtsstaatsmechanismus verknüpft Orbán in seiner Argumentation mit dem angeblichen Bestreben der – von Soros »finanzierten – «Brüsseler Bürokraten», den Mitgliedsländern die Souveränität wegzunehmen. Ungarn und Polen stehen allerdings mit dieser Auffassung isoliert in der EU da.

Kommentar Demeter stieß in seinem Kommentar in ein ähnliches Horn. «Die ›Liberal-Arier‹ (Liberalen) wollen jetzt die Ungarn und die Polen aus jener politischen Gemeinschaft hinauswerfen, als deren Angehörige sie Rechte haben», schrieb er weiter. «Wir sind die neuen Juden.»

Der Literaturfunktionär genießt in Fragen der Kulturpolitik das unbedingte Vertrauen Orbáns. Der 44-Jährige leitet nicht nur seit Ende 2018 das Petöfi-Museum, sondern sitzt auch mit gewichtiger Stimme in zahlreichen Gremien, die über die Vergabe von Subventionen an den Literaturbetrieb und die Musik-Branche entscheiden. Über sich selbst sagte Demeter einmal, er sei ein «fanatischer Orbánist».

Kritik Der Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, verurteilte die Einlassungen. «Nicht nur in Ungarn sind Holocaust-Überlebende angesichts dieser bizarren und hasserfüllten Hetze angewidert und entsetzt.» In Ungarn protestierten unter anderem die israelische Botschaft und der jüdische Dachverband Mazsihisz.

Am Sonntag zog Demeter den Kommentar zurück. «Meinen Kritiker gebe ich insofern recht, als dass Nazi-Zuschreibungen heutzutage eine Relativierung bedeuten und Nazi-Vergleiche selbst unwillkürlich das Andenken der Opfer verletzen», schrieb er in einer Erklärung, die das regierungsnahe Portal index.hu veröffentlichte.

Der 44-jährige Literaturfunktionär genießt in Fragen der Kulturpolitik das uneingeschränkte Vertrauen des rechtsnationalen Ministerpräsidenten Viktor Orbán. dpa

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