USA

Klimawandel

Alltag in Brighton Beach: Vielleicht wird sich bei der anstehenden Gesundheitsreform der Obama-Faktor bemerkbar machen. Foto: Daniel Rosenthal

Als Barack Obama vor einem Jahr vereidigt wurde, galt der neue Präsident als Hoffnungsträger. Heute fragen sich viele, ob er die hochgesteckten Erwartungen jemals erfüllen wird. Das gilt auch für viele Juden, die den demokratischen Präsidentschaftskandidaten mit solider Mehrheit gewählt haben. Denn Obama konnte, je nach Umfrage, zwischen 74 und 77 Prozent der jüdischen Stimmen auf sich vereinen. Mehr Sympathien hatte nur Hillary Clinton. Hingegen schaffte es der Republikaner John McCain nicht, substanzielle jüdische Wählerzahlen zu erreichen, obwohl der langjährige Senator Joe Lieberman, ein orthodoxer Jude, für ihn Wahlkampf machte.

Das ist kein Wunder: Traditionell wählen amerikanische Juden eher demokratisch, und von den 13 jüdischen Senatoren gehören elf den Demokraten an (die übrigen beiden sind parteilos). Obama selbst hat mehrere prominente jüdische Berater, vornehmlich David Axelrod und Rahm Emanuel, seinen Stabschef, der im ersten Golfkrieg in der israelischen Armee kämpfte. Deshalb hat er noch heute viele Fans in der jüdischen Gemeinde Amerikas. »Obama hat weltweit die Luft von Antiamerikanismus gereinigt«, schrieb Leslie Gelb, New York-Times-Journalist und früherer Präsident des Council on Foreign Relations.

abgekühlt Obama gibt sich Mühe, seiner »Fan Base« durch Gesten verbunden zu bleiben. So grüßte er die Juden in aller Welt an Chanukka auf Hebräisch. Aber generell ist die Begeisterung der Amerikaner ein wenig abgekühlt. Nur noch 53 Prozent Zustimmung hat der Präsident insgesamt, 15 Prozent weniger als bei seinem Amtsantritt. Denn Gesten reichen den meisten Menschen nicht mehr. Die Arbeitslosigkeit ist unverändert hoch bei zehn Prozent, die Selbstbedienungsmentalität der mit Steuergeldern geretteten Wall Street verärgert viele. Und bei der Gesundheitsreform – ein Wahlversprechen, das vielen Juden, vor allem älteren Menschen, die in Florida oder in Kalifornien leben, sehr wichtig ist – blieb es bisher bei einem Kompromiss, der niemanden wirklich zufrieden stellt.

Guantanamo ist noch offen – gegen Proteste von Bürgerrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und der American Civil Liberties Union (ACLU), die viele jüdische Mitglieder haben –, US-Truppen stehen nach wie vor im Irak und in Afghanistan, und Obama will sogar noch mehr Soldaten nach Afghanistan schicken. Vermutlich wird sich der Krieg im Mittleren Osten noch ausweiten, nach Pakistan und in den Jemen, auch der Iran steht auf der Tagesordnung. Allgemein herrscht Skepsis, ob der Präsident dafür stark genug ist. Es blieb nicht unbemerkt, dass Obamas Versuche, die Türkei im jüngsten Streit zum Einlenken gegenüber Israel zu bewegen, fruchtlos blieben.

Israel ist natürlich die wichtigste Frage, die amerikanische Juden bewegt. Steht Obama, fragen sich viele, treu zu dem Verbündeten? Der Präsident tritt für die Zwei-Staaten-Lösung ein und gegen neue Siedlungen, vor allem in Ost-Jerusalem. Deshalb wurde er von der israelischen Rechten von Anfang an kritisch beäugt. Obama übe auf die Palästinenser weniger Druck aus als auf Israel, meinen viele. Konservative Israelis beschimpften Obamas Berater Emanuel und Axelrod gar als »selbsthassende Juden«.

Allerdings sind viele liberale amerikanische Juden mit der konservativen Regierung Benjamin Netanjahus auch nicht gerade glücklich. Mit Obama hat sich eine linke Israellobby in Washington konsolidiert: J-Street, gegründet von zwei Demokraten, MJ Rosenberg und Jeremy Ben-Amy. Die wollen Einfluss gewinnen neben den alteingesessenen Lobbyisten von AIPAC, das jedoch über sehr viel mehr Mittel verfügt als die liberale Alternative. Viele sagen, J-Street sei auch deshalb dringend nötig, weil mit der Wahl von Ronald S. Lauder zum Präsidenten des Jüdischen Weltkongresses die letzte liberale Bastion des amerikanischen Judentums von einem Republikaner übernommen worden sei.

iran Auch, dass Obama gegenüber Teheran nicht hart genug sei, ist eine oft gehörte Kritik. Tatsächlich haben die Dialogangebote des eloquenten Präsidenten bisher nicht gefruchtet. Ein Krieg gegen den Iran wäre allerdings sehr unpopulär. Außerdem hat die Opposition im Iran auch unter amerikanischen Juden Sympathisanten. Viele hoffen, dass sich die Atombombe erledigt hat, wenn sich die Bürgerrechtsbewegung durchsetzt.

Die eigentliche Umwälzung durch Obama findet nicht in der Außenpolitik statt, sondern darin, was ein afroamerikanischer Präsident für den Zusammenhalt des Landes bedeutet. Obamas Präsidentschaft hat schwarze Künstler, Politiker und Aktivisten ermuntert, die Öffentlichkeit zu suchen, und das gilt auch für jüdische Schwarze, die immerhin zwei Prozent der rund acht Millionen Juden Amerikas stellen. Die meisten davon sind Immigranten aus Äthiopien, einige aber auch Abkömmlinge schwarzer Sklavinnen und weißer jüdischer Sklavenhalter.

Deren sichtbarstes Zeichen ist Rabbi Capers Funnye, »Obamas Rabbi«, wie er genannt wird. Funnye ist Amerikas einziger schwarzer Rabbiner, er leitet die Beth Shalom B›nai Zaken Ethiopian Hebrew Congregation in Chicago, die dem Reformjudentum angehört. »Früher wurde ich von weißen Juden ignoriert«, sagte er der New York Times. Mit Obamas Inauguration durfte er als erster schwarzer Rabbi in der Stephen Wise Synagoge an Manhattans Upper West Side predigen. Kein Wunder: Michelle Obama ist seine Cousine.

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