Polen

Katholiken im Cheder

Weder Alicja noch Elzbieta hätten sich träumen lassen, einmal in einem Cheder das kleine Abc des Judentums zu erlernen. Vor ein paar Wochen wussten die polnischen Teenager nicht einmal, dass mit dem hebräischen Wort Cheder eine jüdisch-religiöse Schule für drei- bis sechsjährige Jungen bezeichnet wird.

Doch seit im oberschlesischen Kohlerevier die Stiftungen »Brama Cukermana« (Zuckermann-Tor) und »Kontrasty« auf jüdische Spurensuche gehen und im Bildungsprojekt »Cheder« jüdische Lokalgeschichte vermitteln, wächst das Interesse. »Ich hatte keine Ahnung, dass hier in Bytom früher einmal Juden lebten«, bekennt Alicja nach dem ersten thematischen Rundgang durch ihre Heimatstadt.

Stiftung Bis 1945 hieß Bytom Beuthen und lag an der damaligen deutsch-polnischen Grenze. Die Synagoge am repräsentativen Friedrich-Wilhelm-Ring zeugte vom Respekt, den die rund 3000 Beuthener Juden in der Stadt genossen. Doch das ist Geschichte und im heute polnischen Bytom vergessen. Die Stiftung Brama Cukermana mit Sitz im benachbarten Bedzin hat es sich zur Aufgabe gemacht, Kindern und Erwachsenen im oberschlesischen Kohlerevier die jüdische Lokalgeschichte näherzubringen.

»In den Schulen gibt es kaum Heimat- und Regionalunterricht. Die Kinder lernen zwar, dass Polen einst ein Vielvölkerstaat war, aber sie haben keine Ahnung, dass sie selbst in einem Ort leben, in dem ›Multikulti‹ einmal ganz normal war«, erklärt die Kulturwissenschaftlerin Karolina Jakowenko, die Vorsitzende der Stiftung. Vor fünf Jahren hat sie gemeinsam mit ihrem Mann Piotr die Stiftung gegründet. Der Name »Zuckermann-Tor« geht auf die von Nuchim Cukerman gestiftete Privatsynagoge in einem großen Bedziner Wohn- und Handelshaus zurück. Hier hat heute die Stiftung ihren Sitz. Neben der Synagoge war in diesem Haus auch eine »Israelitische Grundschule für Jungen« untergebracht – der Cheder.

»Der Anfang war schwer«, sagt Jakowenko. Denn die Idee, in Oberschlesien und dem Dombrowaer Kohlebecken an das jüdische Leben zu erinnern, sei zwar allgemein positiv aufgenommen worden, doch für einen mehrwöchigen Kurs hätten die wenigsten Zeit gehabt. »Nach der Schule gehen viele Kinder zum Tennis oder Judo, nehmen Klavierstunden oder lernen Französisch.«

Schulen »Wir haben dann Schulen und Lehrer gefunden, die unser Projekt unterstützen und uns dafür acht Unterrichtsstunden abgaben«, erzählt Jakowenko, die zuvor selbst an der Jerusalemer Schoa-Gedenkstätte Yad Vashem eine Lehrer-Fortbildung absolviert hat. »Acht Stunden – das reicht für einen Minikurs Judentum.« Dazu kämen Stadtrundgänge in Bytom und Gliwice auf den Spuren der deutschen und in Bedzin auf den Spuren der polnischen Juden, eine Exkursion in die Gedenkstätte Auschwitz und ein Treffen mit dem Rabbiner in Katowice.

»Danach sind die meisten wie ausgewechselt«, sagt die engagierte junge Frau. »Uns geht es darum, bei den Leuten Interesse zu wecken, sie aus ihrer Alltagsgleichgültigkeit zu wecken.« Manche engagierten sich dann auch in anderen Projekten der Stiftung. Zwar sei den Einwohnern von Bytom oder Gliwice bewusst, dass diese Städte früher zum Deutschen Reich gehörten, aber dass hier auch viele deutsche Juden lebten, sei vielen neu. »Mich wundert es immer wieder, dass Leute jeden Tag an einer Mauer vorbeigehen, ohne sich dafür zu interessieren, was dahinter ist, zum Beispiel ein alter jüdischer Friedhof.«

haskala Auf den Grabsteinen könne man dann die hebräischen, deutschen und polnischen Inschriften zeigen. »Das gibt vielen zu denken«, erläutert Jakowenko. »Doch die acht Stunden in der Schule sind einfach zu wenig, um den 15-Jährigen die Unterschiede zwischen deutschen und polnischen Juden zu erklären, ihnen etwas über die Haskala, die jüdische Aufklärung, oder den Chassidismus zu erzählen.«

Elzbieta, eine der Schülerinnen des Cheder, war als »sehr gläubige Katholikin zunächst skeptisch«, wie sie am Ende des Kurses bekennt. »Wozu sollte ich das Judentum kennenlernen? Aber dann entdeckte ich, wie faszinierend die jüdische Kultur und Geschichte ist. Es ist doch gut, dass ich in den Cheder gegangen bin.«

"Stiller & Meara"

Abschied von den Eltern

Leinwandstar Ben Stiller hat eine erstaunlich persönliche Doku über seine berühmte Familie gedreht

von Patrick Heidmann  16.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  16.11.2025

Jerusalem

Nach Streit: Zionistischer Weltkongress einigt sich

Zwei Wochen lang zogen sich die Verhandlungen in dem globalen jüdischen Gremium hin. Nun gibt es ein Abkommen, das der Mitte-links-Block als Sieg für sich wertet

von Joshua Schultheis  16.11.2025

Kiew

Bargeldberge, Geschäfte und Liebschaften auf Russisch 

Eingeschweißtes Bargeld aus US-Notenbanken, Liebe unter Ministern, heimlicher Hauskauf im Ausland und alles in der falschen Sprache. Die Korruption in der Ukraine bietet Stoff für einen Thriller

von Andreas Stein  14.11.2025

Award

Sarah Jessica Parker erhält Golden-Globe-Ehrenpreis

Die Schauspielerin soll für besondere Verdienste um das Fernsehen ausgezeichnet werden

 14.11.2025

Tel Aviv

Noa Kirel und Daniel Peretz heiraten mit »kleiner Feier«

Die Sängerin und der HSV-Torwart standen in Jaffa unter großen Sicherheitsvorkehrungen unter der Chuppa

von Nicole Dreyfus  13.11.2025

Ausstellung

Avantgardistin der Avantgarde

Berthe Weill förderte nicht nur die moderne Kunst der Jahrhundertwende, als Galeristin war sie selbst eine Schlüsselfigur. Eine Ausstellung in Paris ehrt die Pionierin

von Sabine Schereck  13.11.2025

Amsterdam

Chanukka-Konzert im Concertgebouw kann doch stattfinden

Der israelische Kantor Shai Abramson kann doch am 14. Dezember im Amsterdamer Konzerthaus auftreten - allerdings nur bei zusätzlich anberaumten Konzerten für geladene Gäste

 13.11.2025

Kommentar

In Zohran Mamdanis New York werden Juden geduldet, nicht akzeptiert

»Liberale Zionisten« müssen in der Regierung des neuen Bürgermeisters keinen »Lackmustest« fürchten. Was beruhigend klingen soll, zeigt, wie stark der Antisemitismus geworden ist - nicht zuletzt dank Mamdani

von Gunda Trepp  11.11.2025 Aktualisiert