Frankreich

Israel, Islam, Sicherheit

Jean-Luc Mélenchon Foto: Sabina Paries

Vor der Präsidentschaftswahl streben alle zur Mitte, zumindest all jene, die meinen, in und mit ihren Lagern auf verlorenem Posten zu stehen. Dort, in der politischen Mitte Frankreichs, hat sich Emmanuel Macron eingerichtet, und mit ihm mittlerweile ein illustrer Kreis von Vertretern aus Parteien, die sich traditionell links oder rechts verorten.

François Bayrou von der Partei Modem und einstiger Platzhirsch der Mitte schloss sich schon früh Macron an und brachte seinen Stimmenanteil von fünf Prozent mit. Der Grüne Daniel Cohn-Bendit folgte. Als sich dann die Scheinbeschäftigungsaffäre um François Fillon zuspitzte, wechselten hochrangige Vertreter seiner konservativen Republikaner in das Lager des Ex-Ministers. Und mit den sinkenden Umfragewerten für den offiziellen Kandidaten der Sozialisten, Benoît Hamon, kam auch noch dessen einstiger Chef hinzu, Ex-Premier Manuel Valls.

Élysée-Palast Der Zug, auf den sie alle aufgesprungen sind, scheint unaufhaltsam in Richtung Élysée-Palast zu rollen und damit jenen Kandidaten in das Präsidentenamt zu befördern, der auch von vielen Juden bevorzugt wird. Das zeigte sich vor einigen Wochen beim »Dîner du CRIF«, dem Jahresempfang der französisch-jüdischen Dachorganisation.

Neben Amtsinhaber François Hollande waren damals drei der Anwärter auf das Präsidentenamt geladen. Emmanuel Macron galt der größte Applaus, als er betonte, dass seine Anwesenheit Zeugnis ablege für seine enge Verbundenheit mit der jüdischen Gemeinde. »Ich habe immer eine klare Haltung bewiesen«, so Macron über Macron.

Der Gastgeber, CRIF-Präsident Francis Kalifat, präsentierte den Kandidaten eine Themenliste seiner Organisation, auf der auch die Nahostpolitik und die Ablehnung der Delegitimierung Israels stehen. Alle drei bekennen sich zur Zweistaatenlösung und sprechen sich gegen die einseitige Anerkennung eines palästinensischen Staates aus. Doch keiner geht so weit wie Macron, der es einen »schweren historischen Fehler« nannte, dass sich Frankreich im Oktober 2016 bei der UNESCO-Abstimmung enthielt.

Wenig ist derzeit unter Juden über den angeschlagenen Kandidaten der Republikaner, François Fillon, und über den Sozialisten Benoît Hamon zu hören, obwohl dessen Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen durchaus der, wie es Frankreichs Oberrabbiner Gilles Bernheim formuliert, »jüdischen Ethik einer selbstbestimmten Arbeit« nahekommt. Das aber gilt selbst in der eigenen Partei als zu links, um noch Mitte zu sein.

Extreme Der extrem linke Jean-Luc Mélenchon sowie die extrem rechte Marine Le Pen wurden zum Dîner du CRIF gar nicht erst eingeladen – obwohl sie Prognosen zufolge zusammen rund 40 Prozent der Wählerstimmen bekommen werden. Zu keinem von beiden unterhält der jüdische Dachverband einen offiziellen Kontakt.

Mélenchon, der in jüngsten Umfragen deutlich zugelegt hat, ist für Juden nicht wählbar, denn er gilt als Unterstützer eines Boykotts israelischer Waren als Mittel des Protests gegen Besatzung und Siedlungspolitik. Bei den Linken gebe es »eine Faszination für den revolutionären und antizionistischen Islam, weil man in den Muslimen den neuen Proletarier zu erkennen meint«, so CRIF-Chef Francis Kalifat.

Dem Vorwurf, sie sympathisiere mit den muslimischen oder gar islamistischen Einwanderern aus den Vorstädten, muss sich Marine Le Pen nicht aussetzen. Wenn sie allerdings gegen die Technokraten der EU, die politischen Eliten und Emmanuel Macron als Kandidaten der Hochfinanz wettert, dann klingt das nicht nur in jüdischen Ohren wie die alte Weltverschwörungsrhetorik. Francis Kalifat jedenfalls schließt jeglichen Kontakt mit der 48-Jährigen aus, die laut Prognosen neben Macron die erste Wahlrunde gewinnen wird.

Mehr dazu in unserer Printausgabe am Freitag

Argentinien

Raubkunst in der Immobilienanzeige

Die Tochter eines Naziverbrechers wollte ihre Villa verkaufen und führte Ermittler auf die Spur einer gestohlenen Kunstsammlung

von Andreas Knobloch  13.09.2025

München/Gent

Charlotte Knobloch spricht von »historischem Echo«

Nach der Ausladung des israelischen Dirigenten Lahav Shani von einem Musikfestival meldet sich Charlotte Knobloch mit deutlichen Worten

 11.09.2025

Italien

Jüdisches Touristen-Paar in Venedig attackiert

Die Täter schrien »Free Palestine«, bevor sie die Ehefrau mit einer Flasche attackierten und ihren Ehemann ohrfeigten

 11.09.2025

Georgien

Sicher und schön

Der Kaukasus-Staat pflegt Erbe und Zukunft der Juden. Und bietet atemberaubende Natur. Ein Besuch

von Michael Khachidze  11.09.2025

Belgien

Argerich, Maisky, Schiff empört über Gent-Festival

Bekannte jüdische und nichtjüdische Musiker haben eine Petition gestartet, um gegen die Ausladung der Münchner Philharmoniker und ihres Dirigenten Lahav Shani zu protestieren

 11.09.2025

Imanuels Interpreten (13)

Herb Alpert: Der Universalkünstler

Vom Trompeter zum Philantropen: Der Sohn jüdischer Einwanderer aus Kalifornien erreichte in den 90 Jahren seines bisherigen Lebens viel

von Imanuel Marcus  10.09.2025

Bundesamt für Statistik

Dieser hebräische Vorname ist am beliebtesten bei Schweizer Eltern

Auch in der Schweiz wählen Eltern weiterhin häufig biblische Namen für ihr Neugeborenes

von Nicole Dreyfus  10.09.2025 Aktualisiert

Südafrika

Unvergessliche Stimme

Die Schoa-Überlebende Ruth Weiss hat sich als Journalistin, Schriftstellerin und Kämpferin für Menschenrechte einen Namen gemacht. Sie wurde 101 Jahre alt. Ein Nachruf

von Katrin Richter  10.09.2025

Belgien

Aus der Straße des Antisemiten wird die Straße der Gerechten

In Brüssel gibt es jetzt eine Rue Andrée Geulen. Sie ist nach einer Frau benannt, die im 2. Weltkrieg mehr als 300 jüdische Kinder vor den deutschen Besatzern rettete. Doch bei der Einweihung herrschte nicht nur eitel Sonnenschein

von Michael Thaidigsmann  08.09.2025