Paris

In Erinnerung an Mireille

Blick auf die Tür, hinter der Mireille Knoll am 23. März 2018 ermordet wurde Foto: dpa

Es war ein Mord, der weltweit für Entsetzen und Fassungslosigkeit gesorgt hatte. Die beiden Täter drangen vor einem Jahr in die Wohnung der 85‐jährigen Holocaust‐Überlebenden Mireille Knoll ein, stachen elfmal auf sie ein und setzten ihre Wohnung in Brand.

Kurz darauf konnten Feuerwehrleute, die den Brand löschten, nur noch die verbrannte Leiche der Französin in ihrer Wohnung in der Avenue Philippe‐Auguste im 11. Arrondissement bergen.

Die beiden Täter – es waren junge Muslime – handelten auch aus dezidiert antisemitischen Gründen.

Später wurde bekannt, das Mireille Knoll zuvor mehrfach bei der Polizei erschienen war, um sich über Morddrohungen eines Mannes aus ihrer Straße zu beschweren, der angekündigt habe, sie »zu verbrennen«.

Die beiden Täter – es waren junge Muslime – handelten am Tag des Mordes, am 23. März 2018, auch aus dezidiert antisemitischen Gründen. Sie wurden kurz nach der Tat festgenommen; die Staatsanwaltschaft beschuldigte sie der vorsätzlichen Tötung. Das Tatmotiv: Ihr Opfer war Jüdin. Den Tätern wurde zudem schwerer Raub und Sachbeschädigung vorgeworfen.

AUSCHWITZ Mireille Knoll war eine der Überlebenden der Razzia vom 16. und 17. Juli 1942, bei der die französische Polizei etwa 13.000 Juden festgenommen und im Velodrom von Paris festgesetzt hatte. Die meisten von ihnen wurden später ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert und ermordet.

Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron reagierte empört auf den Fall, der über die Grenzen Frankreichs hinweg Aufsehen erregte. »Ich bestätige meine uneingeschränkte Entschlossenheit, gegen den Antisemitismus zu kämpfen«, teilte Macron damals mit. Später nahm er auch an dem Gedenkmarsch für  Mireille Knoll teil, bei dem Tausende Menschen am Place de la Nation im Osten der Hauptstadt zusammenkamen.

Knoll war eine der Überlebenden der Razzia vom 16. und 17. Juli 1942, bei der die französische Polizei 13.000 Juden festgesetzt hatte.

TRAUER Mireille Knolls Enkelin Jessica Knoll sagte nach dem Mord dem israelischen Armeesender, ihre Großmutter habe den verdächtigten Nachbarn seit 20 Jahren gekannt. »Sie hat ihn aufwachsen sehen.« Er habe oft bei ihr in der Wohnung gesessen, »sie hat gesagt, er sei ein netter Mensch«.

Mit dem Brand in der Wohnung ihrer Großmutter habe sie einen Großteil ihrer Jugenderinnerungen verloren, sagte die Enkelin. »Ihr Appartement war wie ein Museum, mit unglaublich vielen Bildern, auch von meiner Kindheit, von ihrem ganzen Leben«, erzählte sie. »Als er die Wohnung in Brand steckte, hat er ein ganzes Jahrzehnt meines Lebens ausgelöscht.« Sie habe bei ihrer Großmutter zuhause ihre Wurzeln gehabt. Nun empfinde sie kaum noch eine Verbindung mit Frankreich.

Wie Knoll fühlen sich immer mehr Juden angesichts von Anschlägen und antisemitischen Übergriffen nicht mehr sicher in Frankreich. Die Zahl der Auswanderer nach Israel ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Viele kaufen sich als »Versicherung« Wohnungen in Israel, die sie im Notfall als Rückzugsraum nutzen könnten. Rund 27.000 Juden sind nach Angaben der Jewish Agency in den vergangenen fünf Jahren aus Frankreich nach Israel ausgewandert – in den fünf Jahren davor waren es weniger als 10.000.

Immer mehr Juden fühlen sich angesichts von antisemitischen Übergriffen nicht mehr sicher in Frankreich.

ISRAEL Knolls zweite Enkelin Noa Goldfarb schrieb vor einem Jahr auf Facebook, kurz nachdem ihre Großmutter ermordet wurde: »Vor 20 Jahren habe ich Paris verlassen, weil ich wusste, dass ich dort keine Zukunft habe – weder ich noch das jüdische Volk.« Sie habe sich aber nicht träumen lassen, »dass ich meine Angehörigen an einem Ort zurücklasse, an dem Terror und Grausamkeit zu einem so traurigen Ende führen würden«.

Für den jüdischen Dachverband CRIF (Conseil représentatif des institutions juives de France) und die Antisemitismus‐Beobachtungsstelle BNVCA (Bureau National de Vigilance Contre l’Antisémitisme) wies der Fall Ähnlichkeiten mit der Ermordung der 66‐jährigen Ärztin Sarah Halimi im April 2017 auf.

Die Ermordung Knolls erinnerte an den Fall Sarah Halimi.

Auch sie wurde von einem Nachbarn ermordet, dem 27‐jährigen Muslim Kobili Traore. Er drang in Halimis Wohnung ein, misshandelte sie und warf sie aus dem dritten Stock. Auch hier waren Drohungen und antisemitische Beschimpfungen vorausgegangen, die von den Behörden nicht ernst genug genommen wurden.

Deshalb hatte der Fall von Sarah Halimi auch starke Kritik an der Justiz ausgelöst, weil die Ermittler zunächst nicht explizit von einem antisemitischen Motiv ausgegangen waren – später stufte die Justiz die Tat aber schließlich als mutmaßlich antisemitisch ein.  ppe/dpa

Tel Aviv

Noa Kirel und Daniel Peretz heiraten mit »kleiner Feier«

Die Sängerin und der HSV-Torwart standen in Jaffa unter großen Sicherheitsvorkehrungen unter der Chuppa

von Nicole Dreyfus  12.11.2025

Kommentar

In Zohran Mamdanis New York werden Juden geduldet, nicht akzeptiert

»Liberale Zionisten« müssen in der Regierung des neuen Bürgermeisters keinen »Lackmustest« fürchten. Was beruhigend klingen soll, zeigt, wie stark der Antisemitismus geworden ist - nicht zuletzt dank Mamdani

von Gunda Trepp  11.11.2025 Aktualisiert

Zürich

Goldmünze von 1629 versteigert

Weltweit existieren nur vier Exemplare dieser »goldenen Giganten«. Ein Millionär versteckte den Schatz jahrzehntelang in seinem Garten.

von Christiane Oelrich  11.11.2025

USA

Mehrgewichtig, zionistisch und stolz

Alexa Lemieux ist Influencerin in den sozialen Medien und zum Vorbild für viele junge jüdische Frauen geworden

von Sarah Thalia Pines  11.11.2025

Prag

Der Golem-Effekt

Seit mehr als fünf Jahrhunderten beflügelt das zum Schutz der Juden geschaffene Wesen aus Staub und Worten die Fantasie. Ein Blick zurück mit Büchern, Filmen und den »Simpsons«

von Sophie Albers Ben Chamo  11.11.2025

Raubkunst

Zukunft der Bührle-Sammlung ungewiss

Die Stiftung Sammlung E. G. Bührle hat ihren Stiftungszweck angepasst und streicht die Stadt Zürich daraus

von Nicole Dreyfus  10.11.2025

Wien

Österreichs Regierung mit neuer Strategie gegen Antisemitismus

KI-gestützte Systeme zum Aufspüren von Hate Speech, eine Erklärung für Integrationskurse, vielleicht auch Errichtung eines Holocaust-Museums: Mit 49 Maßnahmen bis zum Jahr 2030 will Wien gegen Antisemitismus vorgehen

 10.11.2025

Jerusalem

Zerstrittene Zionisten

Der Zionistische Weltkongress tagt zum 39. Mal seit seiner Gründung im Jahr 1897 durch Theodor Herzl. Doch das Treffen droht zum Fiasko für die Organisation zu werden. Die Hintergründe

von Joshua Schultheis  10.11.2025

Medienbericht

Katar soll mutmaßliches Missbrauchsopfer von Karim Khan ausspioniert haben

Das Emirat scheint sich in den Skandal um den Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs eingemischt zu haben, wie Recherchen nun zeigen

 07.11.2025