Nachruf

Immer mit einem Bagel in der Hand

Colin Powell (1937-2021) Foto: imago images/ZUMA Wire

Mit einem Bagel in der Hand bestieg ich mittags den Paternoster. Hinter mir bemerkte ich einen Schatten. Als ich mich umdrehte, erkannte ich die Person. Es war General Colin Powell höchstpersönlich. »A Bagel!« bemerkte er mit einem breiten Grinsen, und fügte gleich hinzu: »I love Bagels

FRANKFURT Daraufhin bot ich ihn den Bagel an. Man konnte den Paternoster langsam hochfahren hören, als er den Bagel anschaute, um ihn mir nach einer langen Sekunde endlich aus der Hand zu nehmen. Er biss einmal rein, schloss die Augen beim genüsslichen Kauen, drückte mir den angebissenen Bagel wieder in die Hand und stieg in aller Ruhe aus dem Paternoster aus.

Es war meine erste Begegnung mit Colin Powell. Sie ist bereits ein halbes Leben her. Er war damals Chef des fünften Armeekorps in Frankfurt, ich arbeitete dort als Übersetzer. Unser Arbeitsplatz war der »Abrams Complex«, das Gebäude mit dem langgezogenen ehemaligen IG-Farben-Haus in der Mitte.

Er kam danach regelmäßig in das Übersetzerbüro – immer mit einem frischen Bagel, den wir dann miteinander teilten. Ich hatte ihm nämlich verraten, wo es die gab: in der Jewish Chapel auf dem Gelände gleich hinter dem »Abrams«. Wir unterhielten uns viel über unsere eigene Geschichte, unsere gemeinsame Heimat New York, aber auch über die Zeichenbretter, an denen die Pläne zum KZ Auschwitz-Monowitz entstanden waren – in eben jenem Gebäude, in dem wir da gerade saßen.

FEIERTAGE Colin Powell war immer dafür bekannt, sich für sein Umfeld zu interessieren. Auch dafür, Berichte direkt beim Verfasser anzuschauen anstatt bei dem jeweiligen Vorgesetzten, der sie in Auftrag gegeben hatte. So kam es, dass er eben auch bei uns Übersetzern öfter mal vorbeischaute, um die Berichte zu besprechen. Das geschah immer mit einem Bagel in der Hand.

Eine Einladung in die Chapel (ich war damals auch in der Militärseelsorge tätig) nahm er gerne an und wurde dort ein gern gesehener Gast. Einmal kam er zu den Hohen Feiertagen, setzte sich eine Kippa auf und nahm ganz hinten Platz. Als die anwesenden Soldaten ihn erkannten, standen sie vor ihm auf. Einer von ihnen berichtete mir, wie er reagiert hat: »Beim Gebet hat man sich nur vor Gott zu erheben«, bemerkte er, und so möge man doch bitte wieder Platz nehmen.

Beim Kiddusch mischte er sich unter die Menschen und spielte mit den Kindern. Als gebürtiger New Yorker waren ihm die jüdischen Feiertage bestens vertraut, und jiddische Ausdrücke gehörten für ihn zum Alltag. Man sah es ihm an, dass er sich in der Chapel wohlfühlte. Auch umgekehrt fühlte man sich in seiner Gegenwart auch wohl.

RATSCHLAG Einmal nahm er mich bei einem Kiddusch beiseite und lobte mich für meine Predigt. Ob ich nicht Rabbiner werden wolle? Übersetzer gäbe es schließlich genug. Dann nahm er ein Bagel, schaute mich beim genüsslichen Kauen freundlich an und salutierte zum Abschied.

Diesen Salut erwidere ich nun traurig. Er war ein Vorbild und ein prima Vorgesetzter. Mehr noch: Ohne ihn wäre ich nicht, was ich heute bin.

Übersetzer gibt es schließlich genug.

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  17.11.2025

TV-Tipp

Ein Skandal ist ein Skandal

Arte widmet den 56 Jahre alten Schock-Roman von Philip Roth eine neue Doku

von Friederike Ostermeyer  17.11.2025

Mexiko

Antisemitisches Graffiti gegen Claudia Sheinbaum sorgt für Empörung

Die Worte »puta judía« wurden auf Gebäude des Obersten Gerichtshofs geschmiert. Die jüdische Gemeinschaft des lateinamerikanischen Landes verurteilt den sich immer wieder äußernden Judenhass

 17.11.2025

USA

6500 Rabbiner auf einem Foto

»Kinus Hashluchim«: Das jährliche Treffen der weltweiten Gesandten von Chabad Lubawitsch endete am Sonntag in New York

 17.11.2025

"Stiller & Meara"

Abschied von den Eltern

Leinwandstar Ben Stiller hat eine erstaunlich persönliche Doku über seine berühmte Familie gedreht

von Patrick Heidmann  16.11.2025

Jerusalem

Nach Streit: Zionistischer Weltkongress einigt sich

Zwei Wochen lang zogen sich die Verhandlungen in dem globalen jüdischen Gremium hin. Nun gibt es ein Abkommen, das der Mitte-links-Block als Sieg für sich wertet

von Joshua Schultheis  16.11.2025

Kiew

Bargeldberge, Geschäfte und Liebschaften auf Russisch 

Eingeschweißtes Bargeld aus US-Notenbanken, Liebe unter Ministern, heimlicher Hauskauf im Ausland und alles in der falschen Sprache. Die Korruption in der Ukraine bietet Stoff für einen Thriller

von Andreas Stein  14.11.2025

Award

Sarah Jessica Parker erhält Golden-Globe-Ehrenpreis

Die Schauspielerin soll für besondere Verdienste um das Fernsehen ausgezeichnet werden

 14.11.2025

Tel Aviv

Noa Kirel und Daniel Peretz heiraten mit »kleiner Feier«

Die Sängerin und der HSV-Torwart standen in Jaffa unter großen Sicherheitsvorkehrungen unter der Chuppa

von Nicole Dreyfus  13.11.2025