Österreich

»Herbert Kickl hätte uns deportiert«

FPÖ-Parteichef Herbert Kickl Foto: picture alliance / Roman Zach-Kiesling (Roman Zach-Kieslng) / First Look / picturedesk.com

Liederbücher mit deutschnationalem oder offen antisemitischem Inhalt, verbale Andeutungen, Hinweise, Wortspiele: Im österreichischen Volksmund werden einschlägige Entgleisungen der FPÖ bereits ironisch »Einzelfälle« genannt. Sei es, dass Parteichef Herbert Kickl die SS verharmlost, oder dass bei einer Hausdurchsuchung beim Ex-FPÖ-Abgeordneten Hans-Jörg Jenewein ein Schlagring, Munition und Handyfotos mit NS-Bezug gefunden werden.

Sei es, dass Niederösterreichs FPÖ-Landeschef und Vize-Landeshauptmann Udo Landbauer Menschenrechte mit der Staatsbürgerschaft verknüpft, oder dass ein Kandidat für den Gemeinderat Waidhofen in einem Interview angibt, dass das letzte Buch, das er gelesen habe, Mein Kampf gewesen sei.

»Systempresse«, »Systemparteien« und »Volksverräter«

Diese Liste ließe sich um das neonazistische Vokabular der FPÖ erweitern: Kickl sieht sich als »Volkskanzler«, der gegen »Bevölkerungsaustausch« steht und »Remigration« fordert, der gegen »Systempresse«, »Systemparteien« und »Volksverräter« ankämpft und »Ketten brechen« will. Allesamt Begrifflichkeiten mit historischem Bezug oder solchem zur rechtsextremen Identitären Bewegung. Am Sonntag wird gewählt in Österreich. Und glaubt man allen Umfragen, so wird die FPÖ stärkste Partei werden – mit knapp 30 Prozent.

»Als junge Jüdinnen und Juden stellen wir uns oft die tragische Frage, wer uns während der NS-Zeit versteckt hätte«

Alon Ishay

»Herbert Kickl hätte uns deportiert«, so Alon Ishay von der Jüdischen österreichischen Hochschülerschaft (JöH). Die JöH organisiert in der Woche vor der Wahl eine tägliche Mahnwache vor dem Burgtor in Wien. Dabei projizieren sie Sätze wie »Hätte Herbert Kickl uns damals versteckt?« und »Herbert Kickl hätte uns deportiert« auf die Stadtmauer. »Als junge Jüdinnen und Juden stellen wir uns oft die tragische Frage, wer uns während der NS-Zeit versteckt hätte«, sagt Ishay zu der Aktion. Beim FPÖ-Chef falle die Antwort knapp und ernüchternd aus.

Die Reaktion der Rechtsaußen-Partei auf die Aktion ist bezeichnend: Generalsekretär Christian Hafenecker warf den jüdischen Studierenden vor, diese würden den Holocaust »dafür hernehmen, um Polemik in einem Wahlkampf zu machen«. Er finde es »schockierend, dass man überhaupt auf so eine Idee kommt«. Alon Ishay hält die Vorwürfe für absurd: »Die FPÖ spürt sich anscheinend gar nicht mehr.« Dass ausgerechnet »die Partei der Wiederbetätigungs-Skandale und Kellernazis« Juden über die Schoa belehren wolle und ihnen deren Instrumentalisierung unterstelle, sei »zynisch und bizarr«. Die FPÖ sei »eine Schande für Österreich«.

»Einzelfälle« oder »individuelle Entgleisungen«

Was ihre offenen Antisemitismen angeht, war die FPÖ bisher immer darum bemüht, diese als »Einzelfälle« oder »individuelle Entgleisungen« herunterzuspielen. Allerdings ist die Partei immer weniger darum bemüht, zu offen rechtsextremen Gruppen Distanz zu wahren. So hat Kickl die Identitäre Bewegung als »NGO von rechts« bezeichnet.

Wenn diese »NGO« dann feiert wie in Wien im Frühsommer, dann nennt eine Frau den Mord an Juden auch schon einmal »geil«, behauptet, im Holocaust seien lediglich 175.000 Juden ermordet worden, und fordert ein »Srebrenica 2.0«, wie eine Reportage von RTL jüngst zeigte.

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