Ukraine

Hass und Heimat

Swoboda-Demonstranten in Kiew, Juli 2012 Foto: dpa

Die Juden in der Ukraine sind bestürzt. Bei der Wahl am Sonntag bekam die rechtsradikale Swoboda-Partei rund zehn Prozent der Stimmen und zieht damit erstmals ins Parlament ein. Vor fünf Jahren schafften es die Nationalisten nur auf 0,7 Prozent. Diesmal konnte Swoboda vor allem bei Protestwählern punkten, die ihrem Frust über die pro-russische Partei der Regionen von Präsident Viktor Janukowitsch Luft machen wollen.

russland Die jüdischen Gemeinden im Land haben bislang keine offiziellen Erklärungen zu den Wahlen abgegeben. Doch will sich Alexej Bazalej über Swobodas Wahlerfolg äußern. Der 33 Jahre alte Mann engagiert sich in der jüdischen Gemeinde in Kiew und nimmt an Diskussionsrunden über Fremdenfeindlichkeit teil. »Ich verstehe, dass viele Ukrainer sauer auf Janukowitsch sind, weil sie fürchten, dass Russland zu viel Einfluss gewinnt«, sagt Bazalej. Er sei verärgert, dass ausgerechnet die Vaterland-Partei von Julia Timoschenko eine Allianz mit Swoboda gebildet hat und im Parlament mit den Nationalisten koalieren will.

»Swoboda ist eine ausländerfeindliche und antisemitische Partei«, warnt Andreas Umland, Politologe an der Kiewer Mohyla-Akademie. Parteivorsitzender Oleh Tjahnybok provoziert seit Jahren mit nationalistischen Parolen: Die Ukraine werde von einer »jüdisch-russischen Mafia« regiert, pöbelte er 2004 und handelte sich damit ein Strafverfahren wegen Volksverhetzung ein. Juri Michaltschin, Swoboda-Kandidat in Lemberg, lobte in einer Rede den Hamas-Terror gegen Israel. Solche Methoden müsse man auch in der Ukraine anwenden, sagte er.

Im Wahlprogramm droht Swoboda mit der Verstaatlichung »strategischer« Unternehmen, zudem sollen Ausländer keine Mehrheiten an ukrainischen Banken besitzen und keinen Grundbesitz erwerben dürfen. Swoboda verehrt die Ukrainische Aufständische Armee (UPA), die im Zweiten Weltkrieg eine Zeit lang mit den deutschen Besatzern kollaboriert hatte.

patriotismus Die meisten Wähler der Swoboda leben im Westen der Ukraine. Dort stimmten in einigen Gegenden mehr als 50 Prozent der Wähler für die Rechtsradikalen. Im Oblast Ternopil hält Swoboda 34 Prozent der Sitze im Regionalparlament, im Stadtrat von Lemberg ist sie mit 25 Prozent vertreten. »Parteien wie Swoboda nutzen die patriotischen Gefühle vieler Westukrainer aus«, erklärt Politologe Umland. Aber nicht alle Wähler seien antisemitisch und fremdenfeindlich, betont er. Die Partei gibt sich teilweise pro-europäisch und verführt damit einen Großteil der Wähler.

Das glaubt auch Roman Gold, Mitarbeiter der ukrainischen Webseite Jewish News. »Swoboda missbraucht das Nationalgefühl der Ukrainer«, sagt Gold. Er unterstütze Künstler und Schriftsteller, die sich für die ukrainische Identität stark machen. »Patriotismus hat nichts mit Fremdenfeindlichkeit zu tun.«

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