Großbritannien

»Gut, dass wir ihn endlich los sind«

Ken Loach sieht sich als das Opfer einer Hexenjagd: Eigenen Angaben zufolge wurde der 85-jährige britische Filmemacher aus der Labour-Partei ausgeschlossen. Grund dafür ist offenbar, dass Loach sich weigerte, aus einem Verein auszuscheiden will, den die Partei im Zuge der Antisemitismuskontroverse der letzten Jahre als unvereinbar mit den Werten Labours bezeichnet hat.

»SÄUBERUNG« Er habe sich nicht von Parteimitgliedern, die wegen antisemitischer Äußerungen die Partei verlassen mussten, distanzieren wollen und sei deshalb selbst hinausbeordert worden, behauptete Loach am Samstag auf seinem Twitterkanal: »Das Labour-Hauptquartier hat nun entschieden, dass ich nicht geeignet bin, Mitglied ihrer Partei zu sein, weil ich diejenigen, die bereits ausgeschlossen wurden, nicht verleugnen möchte. Ich bin stolz darauf, an der Seite der guten Freunde und Genossen zu stehen, die Opfer der Säuberung geworden sind. Es handelt sich in der Tat um eine Hexenjagd. Starmer und seine Clique werden niemals eine Partei des Volkes führen. Wir sind viele, sie sind wenige. Solidarität. KL. «

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Hintergrund sind jahrelange – leider sehr berechtigte – Antisemitismusvorwürfe gegen Teile der Linken in der Labour Party, die auch bereits zum Rauswurf von Ex-Parteichef Jeremy Corbyn geführt hatten. Corbyns Parteiausschluss im vergangenen Jahr wurde zwar wieder zurückgenommen, doch eine Rückkehr in die Fraktion ist ihm von seinem Nachfolger Keir Starmer verwehrt worden. Corbyn hatte gesagt, das Antisemitismusproblem in der Partei werde »aus politischen Gründen dramatisch überbewertet«, seine Aussage später jedoch relativiert.

Im Juli stimmte Labours Parteivorstand für den Ausschluss von vier linken Gruppen, die mit den Werten der Partei »nicht vereinbar« seien. Darunter ist auch die Gruppe Labour Against The Witchhunt (»Labour gegen die Hexenjagd«), in der Loach eine führende Rolle gespielt hat und als Sponsor auftrat. In Teilen der Parteilinken werden die Antisemitismusvorwürfe als »Hexenjagd« gewertet.

BERICHT Vor einigen Monaten hatte die britische Gleichstellungs- und Menschenrechtskommission, ein unabhängiges Gremium, aber Labour schwere Versäumnisse im Kampf gegen Judenhass vorgeworfen. Daraufhin hatte die Partei sich unter Starmers Führung zu drastischen Maßnahmen verpflichtet.

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Ken Loach, der unter anderem mit dem sozialkritischen Film »Ich, Daniel Blake« 2016 die Goldene Palme in Cannes gewann, gilt als Corbyn-Unterstützer und als Israelhasser. Bereits mehrfach forderte andere Künstler auf, nicht in Israel aufzutreten, und sprach von einem »Apartheid-Staat«. Loach sympathisiert zudem mit der in Zielen und Handlungen antisemitischen BDS-Bewegung.

CORBYN Sein Parteiausschluss löste zum Teil wütende Reaktionen aus. Der Corbyn-Verbündete und ehemalige Schattenfinanzminister John McDonnell twitterte, Loach sei immer ein »guter Sozialist« gewesen und sein Parteiausschluss eine »Schande«.

Auch Jeremy Corbyn reagierte, allerdings in gemäßigterem Ton. Ebenfalls auf Twitter schrieb er: »Ken Loach hat außergewöhnliche Filme produziert, von Cathy Cathy Home bis hin zu I Daniel Blake, er hat für Labour brillante Clips gedreht und hat immer auf der Seite der Unterdrückten gestanden. Er verdient unseren Respekt und unsere Solidarität.« Seinen Tweet versah Corbyn mit dem Hashtag #StandWithKenLoach.

Wesentlich deutlicher wurde Corbyns Frau Laura Alvarez und ging Parteichef Starmer frontal an. Sie nannte den Parteiausschluss des Regisseurs »schändlich« und erklärte: »Keir repräsentiert nicht die Werte jener Millionen, die Ken Loach bewundern«. Bei der letzten Wahl 2019, als Corbyn noch Parteichef war, hätten zehn Millionen Menschen für eine friedliche und faire Gesellschaft gestimmt, behauptete Alvarez.

Die Gruppierung Socialist Campaign Group - ein Sammelbecken linker Labour-Abgeordneter - forderte Starmer auf, den Ausschluss zurückzunehmen. Zwei Dutzend Abgeordnete der Partei unterschrieben den Aufruf.

ERLEICHTERUNG Jüdische Verbände zeigten sich dagegen zufrieden über Loachs Ausschluss. Die Präsidentin des Board of Deputies of British Jews, Marie van der Zyl, sprach von einer »richtigen Entscheidung«. Loach habe »sein Vermächtnis als Filmemacher beschmutzt, indem er sich wiederholt auf die Seite von Antisemiten gestellt hat«.

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Mike Katz, der Vorsitzende des Jewish Labour Movements, eines Verbands jüdischer Labour-Mitglieder, erklärte: »Gut, dass wir ihn endlich los sind.« Loach habe schließlich unterstellt, Juden nutzten den Holocaust für politische Zwecke aus, und die Behauptung verbreitet, eine angebliche Lobby kontrolliere Medien und Politik. »Wer Loach als guten Sozialisten verteidigt, sollte mal seine Definition von Sozialismus überdenken,« so Katz.

Auch aus dem Ausland kam Zustimmung. Der Geschäftsführer der amerikanischen Anti-Defamation League, Jonathan Greenblatt, schrieb auf Twitter: »Jeder Schritt, den die Labour Party in Richtung einer hassfreien Partei unternimmt, ist ein richtiger Schritt.« (mit dpa)

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