Prag

Grabsteine unter dem Pflaster

Wenzelsplatz und Nationalmuseum in Prag Foto: imago stock&people

Bei den Bauarbeiten zur Neugestaltung des Prager Wenzelsplatzes, einem beliebten Ort bei Touristen, sind im Straßenpflaster Reste von jüdischen Grabsteinen entdeckt worden.

Die britische Zeitung »The Guardian« berichtete, die Grabsteine seien während der Zeit des kommunistischen Regimes zerteilt worden, um sie als Baumaterial zu verwenden.

PRAKTIK Die Entdeckung bestätigte einen lange gehegten Verdacht von Mitgliedern jüdischer Gemeinden über eine derartige Praktik in den 80er-Jahren.

Rabbiner Chaim Koci, ein hochrangiger Mitarbeiter des Prager Rabbinats, sah laut dem Bericht des »Guardian«, wie Pflastersteine von Arbeitern ausgegraben wurden, auf deren unterer Seite hebräische Buchstaben, Davidsterne und Daten zu sehen waren. Andere Steine waren demnach ohne Gravur, aber ihre Oberfläche war poliert – für den Rabbi ein Indiz, dass sie ebenfalls von jüdischen Friedhöfen stammten.

»Für uns fühlt sich das wie ein Sieg an, weil das bisher nur ein Gerücht war«, sagte Rabbiner Koci.

»Für uns fühlt sich das wie ein Sieg an, weil das bisher nur ein Gerücht war«, sagte Koci, der am Dienstagmorgen zum Wenzelsplatz gekommen war, um die Ausgrabung der Steine mit anzusehen.

Es gehe um die historische Wahrheit, betonte der Rabbiner: »Das sind Grabsteine von Menschen, die vielleicht mehr als 100 Jahre tot sind, und jetzt liegen die Steine hier. Das ist nicht schön.« Die jüdische Gemeinde hatte den Prager Stadtrat darum gebeten, einen Vertreter zu den Bauarbeiten schicken zu dürfen.

FRIEDHÖFE Die Grabsteine wurden offenbar von mehreren Friedhöfen entwendet. Die Daten auf den Steinen reichen laut »Guardian« von 1877 bis in die 1970-er Jahre. Die Namen der Toten sind demnach nicht zu identifizieren. In der jüdischen Gemeinde gibt es Pläne, den Grabsteinen einen würdigen Platz auf dem Alten jüdischen Friedhof im Stadtteil Žižkov in einem Mahnmal einzuräumen.

František Bányai, Vorsitzender der Prager jüdischen Gemeinde, sagte dem »Guardian«, die Entdeckung wecke in ihm Wut auf das kommunistische Regime. Während dieser Zeit seien auf dem Gebiet der heutigen tschechischen Republik mehr Synagogen zerstört worden als zur Zeit des Nationalsozialismus.

»Das lag an ihrer besonderen Haltung (der Kommunisten) gegenüber Religion«, sagte er. Antijudaismus sei die offizielle Politik gewesen »Jüdisch zu sein, war in jeder Hinsicht negativ – gegenüber der Kirche galt aber dieselbe Einstellung.«

PRESTIGE Einen ersten Verdacht, dass für das »neue« Pflaster auf dem Wenzelsplatz, ein Prestigeprojekt in den 80er-Jahren, jüdische Grabsteine verwendet worden waren, hatte zuvor der Direktor des jüdischen Museums in Prag, Leo Pavlat, geäußert. 1987 war der damalige Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU), Michail Gorbatschow, über den neu gestalteten Wenzelsplatz geführt worden.

Die Bauarbeiten auf dem Wenzelsplatz kosten laut Medienberichten umgerechnet zwölf Millionen Euro und sollen in mehreren Etappen bis 2025 abgeschlossen sein. Der Auftrag ging an die tschechische Tochter des deutschen Baukonzerns Hochtief.

Geplant ist, das Pflaster zu erneuern und neue Baumreihen aus Linden zu pflanzen, die zur ursprünglichen Gestaltung des Platzes gehörten. Zudem sollen die Straßenbahngleise zurückkehren, die bei der letzten Umgestaltung in den 80er-Jahren entfernt worden waren. ag (mit dpa)

Bereit fürs ICZ-Präsidium: Noëmi van Gelder, Arthur Braunschweig und Edi Rosenstein (v.l.n.r.)

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